Bald darauf reitet die Frau auf ihrer fliegenden Silberschlange wieder davon und
du bist erneut alleine. Das Tier ist größer als die anderen Silberschlangen, weil
es ein Weibchen ist, hat die Frau dir erklärt. Da du nichts Besseres zu tun
hast, vertreibst du dir die Zeit damit, Insekten zu beobachten, die durch das
Gras des Felsvorsprunges summen. Irgendwo in den umliegenden Felsspalten
muß sich das Nest befinden, zu dem die Bienen gehören, die die Blüten im Gras
deines Vorsprunges besuchen. Es sind schöne Tiere, mit Streifen von warmen,
tiefdunklem Braun und der Farbe frischen, goldgelben Honigs. In allen
Regenbogenfarben schillern die hauchdünnen, mit schwarzen Äderchen
durchzogenen Flügel. Sie liegen eng am Körper, während die Biene der Reihe
nach alle Einzelblüten des Blütenkorbes einer Kamillenpflanze nach Honig
absucht. Das Tier geht sorgfältig vor, läßt keine Blüte aus, bis sie dann
schließlich weiterfliegt, zurück zum Nest. Etwas später beobachtest du eine
kleine Schlange, die sich auf einem großen Stein sonnt. Sie hat eine
dunkelbraune Oberseite, deren Farbe langsam über ockergelb fast in weiß auf
der Bauchseite übergeht.
Es dauert einige Tage, bis du wieder Besuch bekommst. Diesmal handelt es sich
um eine Gruppe jüngerer Männer mit ihren Silberschlangen. Sie landen auf dem
entgegengesetzten Ende des Felsvorsprunges und tuscheln untereinander:
"Geh du vor!"
"Nein geh du vor."
"Es war deine Idee hierherzukommenl also mußt du auch fragen."
"Ihr wolltet es doch auch, ihr seid nur zu blöd, selber auf gute Ideen zu kommen!"
Eine ganze Weile geht es so hin und her, bis sie schließlich alle gemeinsamauf
dich zukommen und einer fragt:
"Stimmt es, daß du für den Rest deines Lebens auf diesem Felsvorsprung
bleiben willst?"
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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