Die Silberschlangenreiter haben merkwürdige Gesetze: Für fast alle Verbrechen, wie schlimm sie auch sein mögen, besteht die Strafe darin, daß man mehr oder weniger lange für den Geschädigten arbeitet. Wie lange hängt vor allem davon ab, wie gut man seine Arbeit tut. Es ist verboten, Gefangene zu mißhandeln oder zu töten. Nur wer vor seiner Strafe davonrennen will, wird mit Folter und Tod bestraft.
Die Todesstrafen werden in einer riesigen Höhle mit einer kreisrunden Manege in der Mitte vollstreckt, die von riesigen abgetreppten Zuschauerrängen umgeben ist, wie in einem großen Zirkuszelt. Als Sturmwind dich mit seiner Silberschlange hinunter in die Manege bringt, sind schon alle Männer aus den umliegenden Höhlen versammelt. Auch ihre Gefangenen, die bei ihnen eine Strafe abarbeiten müssen, haben sie mitgebracht. Sie dürfen weder Waffen noch Schmuck tragen. Viele von ihnen sind selber Silberschlangenreiter, selbstbewußte, stolze Männer, die zwischen den Bewaffneten kaum auffallen. Andere kommen aus den Orten am Fuße der großen Felswand. Sie haben dunklere Haut und Haare als die blassen weißblonden Silberschlangenreiter. In ihren Augen steht Haß.
Sturmwind führt dich in die Mitte der Manege, und kettet dich mit ausgebreiteten Armen und Beinen so am Boden fest, daß du dich nicht rühren kannst. Du findest keine Möglichkeit zu einem Fluchtversuch. Es lohnt nicht, die Foltern näher zu beschreiben, denn für solche Schmerzen, wie du sie erlebst, bevor du vor Schwäche ohnmächtig wirst, gibt es keine angemessenen Worte.
Als du wieder zu dir kommst, befindest du dich in dem kleinen Raum in dem du dich von deinem Schlangenbiß erholt
hast. Die Frau, die dich dort gesundpflegte, ist auch bei dir und sagt:
"Ich habe Anspruch auf dich erhoben, wie es mein Recht als Prinzessin der
Silberschlangenreiter ist. Es gibt so wenige interessante Fremde. Also schlaf
erst einmal, werd gesund, damit ich etwas von dir habe. Ich werde dich
gesundpflege, nur deine Hand kann ich nicht nachwachsen lassen. Für ein Jahr
kann ich dich schützen, dann mußt du selber gut genug kämpfen können, um
dich gegen Sturmwind zu verteidigen, Prinz Einarm."
Die kleine, zierliche Frau, sieht dich nachdenklich und freundlich an. Du schläfst wieder ein, bevor du etwas erwidern kannst.
Weiter in Kersti / Buch 2, Nr. 12 : ("Das Volk der Silberschlangenreiter")
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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