erste Version vor dem: 15.2.2000
letzte Bearbeitung: 7/2013

Reinkarnationserinnerung

F1.

Eine tödliche Entscheidung

Auf einem Ausritt zusammen mit meinen Schülern Koris und Tahi, machten wir Mittagspause. Nach dem Essen wusch der kleine Tahi das Geschirr am Bach. Sobald wir allein waren, stand Koris auf, zog sein Schwert und sagte:
"Tairon, deine Zeit ist gekommen. Mach dich zum Kampf bereit."
Ich tat nichts dergleichen, sah Koris, ruhig an und überdachte die vergangenen Jahre. Ich hatte mit einer solchen Herausforderung gerechnet.

Ich lernte zusammen mit dem Sohn des Fürsten jenes Landes, in dem ich geboren wurde, alles, was ein Fürst oder ein Schwertkämpfer wissen muß. Damals waren wir unzertrennlich. Doch als Erwachsene gerieten wir immer öfter aneinander. Schließlich hat er mich verstoßen. Ich hatte ihm einmal zu oft gesagt, was ich von seiner teilweise unmenschlichen Politik hielt.

Für einen verstoßenen Schwertkämpfer ist es nahezu unmöglich, eine neue Heimat zu finden. Andere Fürsten glauben, daß der vorherige Herr für seine Entscheidung einen guten Grund gehabt haben wird. Nach langer vergeblicher Suche geben die meisten auf und werden Straßenräuber. Daß es mir anders erging, habe ich meinem Können und dem Glück zu verdanken, daß mir ein Fürst überhaupt eine Chance gab. Er stellte mir die Aufgabe, eine Bande von zehn Räubern allein zu besiegen. Ich tat das und damit erkannte er mich als seinen Mann an. Ich holte Frau und Tochter nach.

Bald darauf kam ein alter Feind der Fürstenfamilie mit seinem Heer, der sich für seine letzten Toten in einer alten Fehde rächen wollte. Als sie vor unseren Toren auftauchten, befahl der Fürst mir, ich solle das Heer aus fünfzig Mann alleine besiegen. Das war nicht zu schaffen. Ich erstarrte, glaubte, mein Fürst wolle mich tot sehen. Tatsächlich hat er geglaubt, ich wäre dazu fähig. Doch wie alle Krieger, hätte ich nie zugegeben, daß ich Angst hatte oder auch nur beunruhigt war. Ich ritt hinaus und erzählte den Feinden, sie hätten gegen mich keine Chance, die Geister seien mit mir. Mit knapper Not kam ich nach dieser Herausforderung leicht verletzt aber lebendig hinter die sicheren Tore, wo der Führer der Wache mich erwartete und mir sagte, er und seine Männer ständen mir für meine Aufgabe zur Verfügung. Ich könne sie einsetzen, wie ich wolle. Er als Kämpfer hatte durchschaut, wie ich mich wirklich fühlte. Die Feinde waren in der Übermacht. Ein direkter Kampf wäre aussichtslos gewesen. Also schlichen wir uns nachts ins Freie, beobachteten unsere Feinde und forderten jeden zum Zweikampf heraus, den wir alleine erwischten. Wir sorgten dafür, daß sie keinen Toten von uns fanden. So glaubten sie, ihre Leute würden von Geistern ermordet. Als wir den Gesprächen der Feinde entnahmen, daß sie demoralisiert genug waren, schlich ich mich ins Zelt des Anführers und besiegte ihn und seine Leibwache.

Bei den darauffolgenden Friedensverhandlungen überredete ich den Fürsten, der Fehde ein Ende zu machen, die Leute des Feindes aufzunehmen und die beiden Söhne wie seine eigenen zu erziehen. Sonst wären früher oder später beide Familien durch die Fehde vernichtet worden.

So kam es, daß ich den Sohn des Fürsten, meinen eigenen Sohn und Koris und Tahi, die beiden Söhne jenes Feindes im Schwertkampf unterrichtete. Ich habe zu ihnen allen eine sehr gute und enge Beziehung. Koris, der ältere der beiden erzählte mir, daß seine Mutter versuchte, ihn gegen mich aufzuhetzen. Im Gegensatz zu Tahi, seinem kleinen Bruder, hatte er noch Erinnerungen an seinen geliebten Vater, den ich im Kampf getötet hatte. Als seine Mutter ihm wieder und wieder einredete, daß der Tote keine Ruhe finden könne, wenn er nicht gerächt würde, tat das seine Wirkung. Der Junge war zwischen seiner Liebe zu mir und der zu seinem Vater wie zerrissen, wurde immer unglücklicher, immer fahriger. Die Mutter ließ sich nicht zur Vernunft bringen - weder von mir, noch von den Leuten ihres toten Mannes. Ich habe darüber nachgedacht, sie einfach zu erschlagen. Doch ich betrachtete ihre lieben Söhne und wußte: das hätte es nur noch schlimmer gemacht. Ich versuchte Koris deutlich zu machen, daß sein Vater wohl kaum wünschen könnte, daß er bei einem aussichtslosen Kampf gegen mich stirbt.

Er ließ sich nicht überzeugen.

Koris stand vor mir und wartete unentschlossen auf eine Antwort. Erwartete er wirklich, daß ich ihm jetzt sagte, was er zu tun hätte? Er hatte in einem ernsthaften Kampf gegen mich keine Chance. Nein. Ich wollte ihn nicht töten. Ich liebte ihn, als wäre er mein eigener Sohn. Mit dem Wissen, daß ich ihn mit eigenen Händen getötet hätte und damit dafür gesorgt hätte, daß die Fehde doch noch weitergeht, hätte ich nicht leben wollen. Ich zog mein Schwert und entschied:
"Koris, ich werde dich nicht verletzen."

Wir gingen in Stellung. Er griff an. Sein Schwert landete auf der Erde. Mürrisch sagte ich:
"Sammel dein Schwert wieder ein. Dein Griff war zu hart."
Der Junge gehorchte. Wir kämpften eine gute halbe Stunde, Koris Schwert landete gut zwanzig mal im Staub, bis er den ersten leichten Treffer anbrachte. Er geriet ins Stolpern und starrte fassungslos auf das tropfende Blut. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, daß er jetzt erst begriff, was ich mit meinen Worten gemeint hatte. Hatte er vorgehabt, sich den ständigen Gewissensbissen, die ihm seine Mutter einredete, durch einen Kampf zu entziehen, den er nicht gewinnen konnte? Falls ja, hatte er vergessen, daß ich ihn liebte wie meinen eigenen Sohn. Ich wartete, bis er sich wieder gefangen hatte. Dann kämpften wir weiter. Ich steckte zwei weitere leichte Treffer ein, denen keiner von uns beiden Beachtung schenkte.

Der kleine Tahi kehrte von seiner Arbeit zurück, entdeckte meine Verletzungen und fragte, was wir machen. Ich gab Koris das Zeichen für Pause, erklärte Tahi was vorging und nahm ihm das Versprechen ab, daß er niemandem davon erzählen würde. Tahi weinte und wollte uns davon abbringen. Doch sein Bruder hörte nicht auf ihn und wir kämpften weiter. Armes Kind. Ich fühlte mich müde.

Der nächste Treffer war ernster. Ich stand für einen Sekundenbruchteil nur da, keuchte und dachte:
"Nicht zu glauben, wie weh das tut!"
Dann erst entdeckte ich, wie Koris Schwert unbeweglich vor mir schwebte. Er hatte den tödlichen Hieb im letzten Augenblick abgefangen, als er merkte, daß ich vor Schmerzen nicht fähig war, mich zu wehren. Er wollte ehrenhaft kämpfen. Ich ärgerte mich, daß ich nicht die Disziplin aufgebracht hatte, meine Aufmerksamkeit beim Kampf zu halten.
"Im Grunde ist das grausam. Es soll dem Gegner immer eine Chance lassen. Aber unter den gegebenen Umständen, werde ich eine solche Chance nie nutzen und der Kampf wird nur unnötig in die Länge gezogen. Er wird zu einer Art Folter: solange ich kämpfe, wird es Koris nie gelingen, einen tödlichen Treffer anzubringen und ich kämpfe, bis ich tot bin." dachte ich beiläufig.

Dann zuckte ich mit den Schultern, ging in Stellung und griff an. Ich hatte meine Entscheidung längst getroffen. Koris Schwert flog mehrfach zu Boden. Immer wieder fing ich einen meiner ansonsten tödlichen Hiebe kurz vor seinem Körper ab, um ihm zu zeigen, wo er sich eine Blöße gegeben hatte.

Der nächste Treffer brach wieder meine Konzentration. Ich war zu erschöpft, um die Schmerzen noch beiläufig zur Seite schieben zu können. Mehrere Atemzüge kämpfte ich darum, meine Aufmerksamkeit von den Schmerzen lösen zu können. Ich ging in Stellung und erwartete ruhig Koris nächsten Angriff. Sein Schwert landete auf dem Boden.

Es dauerte Stunden. Der Blutverlust und die Schmerzen taten ihre Wirkung. Jedesmal, wenn Koris mich wieder traf, brauchte ich länger, um die Schmerzen in den Hintergrund zu drängen und das Schwert erneut zu heben. Die Waffe schien mir bald bleischwer.

Koris traf mich in den Bauch. Ich hörte mich selbst vor Schmerzen wimmern, versuchte irgendwie die Fassung wiederzugewinnen. Ich weinte und hatte nicht genug Macht über meinen Körper, um etwas dagegen zu tun. Es tat so weh. All die Wunden, die meinen Körper überzogen.

Ich ließ meinen Körper weinen und richtete meine Aufmerksamkeit auf Koris. Da ließ er die Waffe fallen, sank in die Knie, schlug die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu weinen. Ich richtete mich taumelnd auf, ging zu ihm hinüber und legte meine Arme um ihn. Liebevoll sagte ich:
"Koris"
Koris weinte, als wolle ihm das Herz brechen. Ich strich über sein langes Haar. Was hatte seine Mutter ihm bloß gesagt, daß es ihr gelungen war, Koris gegen einen Menschen aufzuhetzen, den er so sehr liebte? Daß er sich so sehr in die Ecke gedrängt fühlte, daß er keinen anderen Ausweg sah? Sanft strich ich über sein Haar und redete liebevoll mit ihm. Koris weinte lange und verzweifelt. Hatte er wirklich gehofft, daß ich ihn töten würde - aus Zorn über seinen Verrat? Dann wußte er nicht, wer ich bin. Rache ist nicht mein Ding. Ich hasse nicht. Er war nicht der erste, der mich verraten hatte. Ich strich über sein Haar und spürte, wie ich immer schwächer wurde.
"Laß uns aufhören, Tairon. Ich will nicht mehr." sagte Koris.
"Es ist zu spät, Koris. Die Wunden sind jetzt schon tödlich." antwortete ich.

Wir kämpften, bis ich so gut wie tot war, dann gab ich das Zeichen für "Ende des Kampfes". Ich wollte noch mit ihm reden. Ich ließ mich erschöpft zu Boden sinken und fragte:
"Sag mal, wolltest du Selbstmord begehen? Du wußtest, daß du gegen mich keine Chance hattest."
"Ja."
"Versprich mir, daß du weiterlebst. Ich habe dir verziehen. Verzeih du dir auch selbst. Wenn du willst, daß ich im Tod keine Ruhe finde, mußt du nur dein Leben wegwerfen. Ich will, daß du glücklich bist, hörst du?"
Koris weinte. Es gelang mir nicht, die Hand zu heben, um sie ihm tröstend auf die Schulter zu legen. Ich war zu schwach.
"Du hast gegen dein Gewissen gehandelt. Tu in Zukunft nur noch das, was du im tiefsten Inneren für richtig hältst. Laß dich nie wieder zu so etwas treiben. Das ist der einzige Weg zum Glück."

Koris weinte. Es würde ihm schwer sein, mit dieser Erinnerung weiterzuleben. Was konnte ich nur tun, um ihm das Herz leichter zu machen?
"Koris. Ich liebe dich, ich werde dich immer lieben, egal, was du tust."

Ich wollte ihn in die Arme nehmen, ich wollte ihn trösten. Aber dazu war ich längst zu schwach. Sterben ist immer leichter als leben. Ich verließ meinen toten Körper.

Koris hat danach keine Waffe mehr angerührt, lebte als einfacher Bauer. Ich wollte bei ihm sein und kam als sein einziger Sohn zur Welt.

Mein Vater war zu sich selbst so hart, daß es oft an Selbstzerstörung grenzte. Als Jugendlicher bat ich deshalb einen buddhistischen Mönch, der predigte, daß man keine Waffen führen solle, um Rat. Von ihm erfuhr ich die Geschichte. Koris hatte es ihm erzählt. Tahi bestätigte es mir.

Solange mein Vater lebte, schwieg ich. Ich wollte sicherstellen, daß sich an ihm niemand rächen würde. Es war schlimm genug, zu sehen, wie er selbst unter dem litt, was er getan hatte. Doch bei den Totenfeierlichkeiten trat ich vor, erzählte alles und schloß mit den Worten:
"Möge diese Fehde mit dem letzten tot und begraben sein, der noch darin gekämpft hat."
Die Menschen starrten mich in fassungslosem Schweigen an. Tairon, mein früheres Ich war sehr geliebt worden, von den Kindern der beiden Fürstenfamilien, von den Kriegern beider Häuser aber auch von den Bauern, für deren Belange er sich oft eingesetzt hatte. Es war offensichtlich gewesen, daß Tairons Tod Koris das Herz gebrochen hatte, doch es war ein Schock für alle, zu erfahren warum.
"Denkt daran: Tairon selbst ist lieber gestorben, als den Frieden zu gefährden, für den er sich ein Leben lang eingesetzt hat. Sogar er hat Koris verziehen." sagte ich.

Tairons Sohn trat als erster vor und sagte es mit Tränen in den Augen. Dann folgten die anderen nach, bis schließlich jeder meinen Satz wiederholt hatte:

"Möge diese Fehde mit dem letzten tot und begraben sein, der noch darin gekämpft hat."

Kersti

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben

EGI. Kersti: Erinnerungen aus diesem Leben, aus früheren Leben und aus feinstofflichen Welten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.
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