Ja. Da ist eine Frau, die mir gefällt. Sie hat eine klare, lichte Aura. Ich warte, daß sie aufschaut. Doch zuerst schaut mich ihr Begleiter an. Es ist etwas boshaft berechnendes in seinem Blick. Ich wünschte, er hätte mich nicht bemerkt. Ich weiß, als ich meine Aufmerksamkeit auf die beiden gerichtet habe, habe ich einen Fehler gemacht. Er hat es gespürt und jetzt ist es zu spät. Ich richte mich stolz auf.
Die beiden kommen auf mich zu und die Frau spricht mich an:
"Hast du Angst vor Magie?"
"Nein." antworte ich.
"Er ist schön." sagt sie träumerisch zu ihrem Mann.
"Öffne deinen Schurz, daß ich sehen kann, ob du auch gesund
bist." befiehlt er mir.
Das schlechte Gefühl verdichtet sich. Die beiden sind zusammen,
das zeigt ihre Aura. Wenn er will daß ich etwas sexuelles mit
seiner Frau mache, dann ist es so gefährlich, daß er nicht
wagt, das selbst zu machen. Ich lasse diese Gedanken nicht an die
Oberfläche meines Bewußtseins dringen, denn er gehört
der Priesterkaste an und könnte es merken. Wieder sehe ich dieses
Berechnende in seinem Blick. Ich mache meinen Kopf leer und sehe ihn
fragend an.
"Mach deinen Schurz auf, habe ich gesagt!" wiederholt er barsch.
Ich gehorche schulterzuckend diesem ungewöhnlichen Befehl und
halte eisern meine Unruhe unter Kontrolle.
"Gut, den nehmen wir, Nimua. Seine Aura ist klar genug." sagt er zu
seiner Frau.
Er hatte meine Unruhe nicht bemerkt.
Ich sehe zu, wie sie mit dem Sklavenhändler verhandeln und schließlich bezahlen. Dann legen sie eine Kette wie eine Hundeleine um meinen Hals und führen mich zu ihrem Heim. Der Mann spielt seinen ganzen Charme gegen mich aus. Ich höre ihm schweigend zu, während er mir erzählt wie toll er mich fände und wie schön es bei ihm wäre. Ich glaube ihm nicht.
Sie schließen mich in einem Zimmer ein, das viel zu vornehm eingerichtet ist... Nicht daß ich etwas gegen vornehm eingerichtete Zimmer hätte, aber das sah mir zu sehr nach Trost für den zu Opfernden aus. Es war einfach nichts, was einem Sklaven angemessen wäre, selbst dann nicht, wenn eine der Mächtigen sich einen Sklaven als Liebhaber gewählt hätte. Zuerst einmal bat ich um Wasser zu trinken. - Denn das hatten die beiden offensichtlich über ihren sonstigen Plänen völlig vergessen.
Ich legte mich aufs Bett, entspannte mich und dachte nach. Die Frau hatte mir das Stichwort Magie genannt, dann war es offensichtlich gefährlich - auch für die Frau, sie hatte er auch so berechnend, besitzergreifend aber auch - kalt - gemustert. Daß ihr das nicht aufgefallen war. Sie war hellsichtig. Und dann hatte es etwas mit Sexualität zu tun. Ja. Dazu fiel mir etwas ein. Ein Ritual - jemand hatte es einmal ausgeführt ohne ausreichende Ausbildung und war nachher völlig verkohlt gewesen. Ich hatte damals die Leichen gesehen. Es war verboten, das außerhalb eines Tempels zu machen. Nur würde ich nichts dagegen unternehmen können, es sei denn, ich könnte die Frau überzeugen. Aber wenn sie nicht einmal die kalten berechnenden Blicke des Mannes bemerkte...
Bald darauf kam ein Mann mit einer Malzeit, die eines Königs
würdig gewesen wäre. Ich grüßte ihn und fragte,
was auf mich zukäme. Er deutete schweigend auf eine kaum sichtbare
Narbe an seinem Hals. Ich kannte diese Art von Narben.
"Du bist also stumm." stellte ich fest "Dann werde ich die Frage noch
einmal genauer stellen: Die beiden haben etwas Verbotenes mit mir vor,
nicht wahr?"
Er nickte.
"Und es ist gefährlich."
Er nickte wieder.
Ich nannte den Namen des Rituals: "Karlingualinga"
Er nickte.
Einen Augenblick stand ich nur stumm und unbeweglich da, dann sagte ich:
"Danke. Jetzt weiß ich wenigstens woran ich bin."
Er legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. Ganz
offensichtlich wünschte er, mir helfen zu können. Ich
lächelte ihm zu.
"Ich komme schon damit zurecht."
Er sah mich zweifelnd an.
Ich grinste spitzbübisch und meinte:
"Es wird mir ja gar nichts anderes übrigbleiben."
Er nickte und sah sehr niedergeschlagen aus.
Sobald ich wieder alleine war, durchsuchte ich mein Zimmer auf nützliche Gegenstände. Da es sehr viel eigentlich unnützen Klimperkram enthielt, fand sich bald etwas, das dazu geeignet war, das Schloß zu knacken, ohne auffällige Spuren zu hinterlassen. Zuerst wartete ich, bis ich meinen Tagesrhythmus heraushatte. Mehrmals am Tag wurde ich zu einer magischen Ausbildung in einen kleinen Saal gebracht. Mir machte es Spaß, obwohl ich wohlweislich nicht zeigte, wieviel davon ich längst beherrschte und auch nicht verriet, wieviel ich übte und dazulernte. Dann öffnete ich in den Zeiten, in denen ich ungestört blieb, regelmäßig das Schloß des Zimmers und erkundete unauffällig die Umgebung meines Zimmers. Ich kam nicht allzuweit. Es lagen drei Zimmer an demselben Flur. Eines stand leer, war abgeschlossen und enthielt Folterwerkzeuge. In einem schlief Nimua. Das dritte war meines. Dann gab es am Ende des Ganges einen achteckigen oben vergitterten Innenhof, der Türen zu einem Zimmer mit einem Doppelbett und zu dem kleinen Saal, an den eine Kammer mit magischen Werkzeugen angrenzte besaß. Ich entwendete eine Seherkugel. An dem Ende des Flurs, das nach draußen führte, war eine verschlossene Tür, hinter der ein Wachposten postiert war. Alle Fenster waren vergittert. Zwar sahen die Gitter aus, als dienten sie nur zur Zier, so schön und kunstvoll waren sie geschmiedet. - Aber sie waren an jeder Stelle so solide und aus so gutem Stahl, daß ich in den Räumen (besonders die Folterkammer habe ich daraufhin durchsucht) kein Werkzeug gefunden habe, mit denen ich ein Loch hätte hineinsägen können.
Schließlich schlenderte ich zu der Tür mit dem Wachposten
und fragte den Mann, ob ich nicht einmal kurz hinauskommen und
mich zu ihm in die Sonne setzen dürfte.
"Wer hat Dir erlaubt, hierherzukommen?" fragte der Posten.
"Darf ich das denn nicht?" fragte ich zurück.
"Du solltest eigentlich wissen, daß Du in Deinem Zimmer bleiben
sollst, bis du gerufen wirst."
"Der Herr hat es mir aber nicht gesagt." antwortete ich.
Natürlich hatte er es mir nicht gesagt. Er hatte mich ja
eingeschlossen und war überzeugt, ich könnte das Zimmer gar nicht
verlassen.
Am nächsten Tag führte der Stumme mich in die Folterkammer.
Dort wartete der Herr auf mich. Ich sah mich aufmerksam um, als
hätte ich es noch nicht gesehen. Das Zimmer war einfacher
eingerichtet als meines, aber immer noch vornehm - und es enthielt
Folterwerkzeuge. Ich sah ihn an und fragte:
"Womit kann ich dienen?"
Zu Leuten, die ich für Verbrecher halte, bin ich immer extrem höflich.
Das ist meine Art, Abneigung zu zeigen.
"Schau Dich um. Ist das Zimmer nicht wunderbar eingerichtet?"
"Ich finde die Einrichtung geschmacklos." antwortete ich mit einem
ironischen Lächeln.
Er holte eines der Folterwerkzeuge - es wurde üblicherweise
verwendet, um Fingerknochen zu brechen - und begann mir
umständlich die Funktionsweise zu erklären. Ich hatte mehrfach
gesehen wie mein Vater derartige Geräte verwendet hatte. Ich
wartete schweigend und ohne mein Lächeln zu unterbrechen, bis er
fertig war, dann sagte ich:
"Mir ist die Funktionsweise dieser Geräte bekannt."
"Aus eigener Erfahrung?" fragte er liebenswürdig.
"Nein. Ich war neugierig. Ich habe nur zugeschaut." antwortete ich
ebenso freundlich.
"Ich liebe es, diese Spielzeuge zu benutzen." sagte er und sah mich
erwartungsvoll an.
"Ich weiß. Das paßt zu Eurem Charakter." antwortete ich.
Ich lächelte immer noch.
"Wenn ich das benutze, wirst Du bald aufhören zu grinsen." drohte
er.
"Ich weiß. Das ist eine körperliche Reaktion. Aber ich werde
nicht aufhören, Euch zu verachten." antwortete ich. Diesmal
ernst.
"Du bist unverschämt."
"Das macht nichts. Ich habe nichts mehr zu verlieren." antwortete ich -
wieder lächelnd.
Er sagte nichts mehr, sah mich nur schweigend an. Er starrte mir ins
Gesicht und versuchte mich durch die konzentrierte Energie seines
Blickes niederzustarren. Ich öffnete mich und erwiderte vollkommen
entspannt seinen Blick. Ich gab ihm keinen Widerstand, den er zu
brechen versuchen hätte können. Nach fast zehn Minuten gab er es
schließlich auf und befahl:
"Du wirst meiner Frau gehorchen. Aufs Wort. Sonst landest Du hier. Und
Du schweigst darüber, daß wir uns gesprochen haben."
"Ich werde ihr gehorchen. Sie ist der anständige Mensch von euch
beiden." antwortete ich.
Er preßte verärgert die Lippen zusammen und winkte dem
Stummen, mich fortzubringen.
Am nächsten Tag führte der Stumme mich zu der Frau wie immer.
Ich freute mich, sie zu sehen und lächelte ihr strahlend zu.
"Setz dich und entspann dich. Du bist unter deinesgleichen." sagte sie
herzlich.
Mein Gott, ich mochte diese Frau! Ich mochte sie wirklich. Ich
gehorchte und fragte, wo ihr Mann sei.
"Er ist auf einer Fahrt den Fluß Naiad hinunter und wird erst in
ein paar Wochen wiederkommen. Wer hat dir gesagt, daß es mein
Mann ist?" fragte sie argwönisch.
Das heißt sie würde auf seinen Befehl hin das Ritual
durchführen, und wenn herauskam, daß es schiefgelaufen war,
dann würde er behaupten, nichts davon gewußt zu haben.
"Ihr seid zusammen. Das sieht man an der Aura." antwortete ich.
"Wir sind nicht verheiratet." sagte sie.
Es war noch schlimmer, als ich vermutet hatte.
"Was fällt dir ein, so schecht über ihn zu denken?"
"Er nutzt euch aus, Herrin. Das sehe ich an seiner Aura." antwortete
ich.
"Du bist doch nur eifersüchtig." gab sie ärgerlich
zurück.
"Ich habe keinen Grund zur Eifersucht. Ich kenne euch erst zwei Tage
und nicht einmal richtig. Aber ich habe Grund zur Sorge, denn ihr
wollt Karlinguarlinda mit mir machen."
"Du bist klug." die Antwort rutschte ihr heraus.
Sie starrte mich an. Minutenlang und schweigend. Dann begann sie
plötzlich ganz hastig zu erklären, daß das alles ganz
ungefährlich sei. Ich ließ sie schweigend
und ruhig ausreden.
"Nimua, dieses Ritual ist nur dann völlig ungefährlich, wenn
die Priesterin die vollständige Tempelausbildung hat." sagte ich
ernst.
"Ich habe alles gelernt. Mein Freund hat es mir beigebracht."
"Ich brauche dich nur anzusehen, um zu wissen, daß du nicht
ausreichend Selbstbeherrschung gelernt hast. Ich habe meine Gedanken
besser unter Kontrolle als du." widersprach ich streng.
"Du mußt Vertrauen haben. Ich weiß, daß ich es
kann."
Ich seufzte und senkte den Kopf. Sie war zu jung, zu unerfahren und
viel zu sehr von sich überzeugt. Genauso wie die meisten Kinder,
mit denen mein Vater experimentiert hatte.
"Nimua. Ich bin ein Sklave. Wenn du darauf bestehst, das tun zu wollen,
dann kann ich dich nicht daran hindern und ich werde auch nicht so
verrückt sein, es noch gefährlicher zu machen, indem ich im
falschen Augenblick dagegen ankämpfe. Aber ich bin überzeugt,
daß du einen Fehler machst. Ich bin sicher, daß es ganz
gefährlich schiefgehen wird. Und ich werde es immer wieder sagen,
so oft du bereit bist, mir zuzuhören."
"Ich kann dich stumm machen." drohte sie.
*Mein Gott ist sie jung.* dachte ich. "Selbstverständlich kannst
du das. Aber du kannst meine Gedanken lesen. Deshalb wäre das
völlig sinnlos."
Sie schämte sich ihrer Worte, entschuldigete sich und sagte,
daß sie so etwas nie tun würde. Ich glaubte ihr das. Und
sie schickte mich weg. Ich hatte keinen Augenblick geglaubt, daß
sie mich absichtlich verletzen könnte oder so etwas tun, wie mich
meiner Stimme berauben. Nein. Das war nicht ihre Art. Sie war nur viel
zu unausgeglichen - sowohl für die Macht, die sie über andere
Menschen hatte, als auch für das, was sie vorhatte.
Als Abends der Diener mit dem Essen kam, sagte ich:
"Oh - das reicht ja für zwei! Möchtest du Dich nicht zu mir
setzen und mitessen?"
Er schaute mich überrascht an. Ich grinste:
"In Wirklichkeit habe ich einen ganz egoistischen Grund. Ich brauche
jemanden, der mir zuhört und mir hilft, meine Gedanken zu ordnen.
Und ich wüßte sonst niemanden, den ich bitten könnte."
Er kam zögernd zu mir. Ich grinste ihn an.
"Setz dich. Ich bin ein Sklave. Wenn ich mich an diesen Tisch setzen
und speisen kann, wie ein König, kannst du es auch."
Er lächelte und gehorchte. Stumme haben immer das Problem,
daß nur wenige fähig sind, in ihnen die Menschen zu
erkennen, die sie sind. Die meisten Menschen sind nicht fähig den
Charakter eines Anderen wahrzunehmen, wenn dieser ihnen nicht antworten
kann. Ich achtete während des Essens darauf, daß er
tatsächlich das aß, wo er sehnsüchtig hinschaute.
Erst danach begann ich zu reden.
"Weißt Du, der Herr erinnert mich an meinen Vater."
Der Sklave sah mich an, überrascht, daß ich so einen
Menschen mit meinem Vater verglich. Ich lächelte. Er wußte
halt nicht, was ich für einen Vater hatte.
"Mein Vater war ein mächtiger Mann. Wenn er sich bewußt war,
daß ich sein Sohn war, hat es ihn zumindest nicht interessiert.
Und ich habe sorgfältig darauf geachtet, daß er meine
Fähigkeiten nicht entdeckt und daß er sich auch weiterhin
nicht für mich interessiert.
Er hat magische Experimente gemacht. Und diejenigen, die er für
diese Experimente verwendete, haben immer schrecklich gelitten, und
bald waren sie tot.
Es ist mir gelungen, meine Fähigkeiten geheimzuhalten und er hat
mich schließlich verkauft. Glücklicherweise. Und jetzt bin
ich bei genauso einem Narren gelandet.
Und bald werde ich tot sein."
Der Stumme bestätigte diese Ausage mit einem ernsten Nicken.
"Mein Vater hat auch einmal zwei seiner Sklaven die Karlinguarlinda
probieren lassen. Ich habe nachher die Leichen gesehen. Sie waren
völlig verkohlt.
Ich bin besser ausgebildet. Ich werde nicht sofort daran sterben -
aber gut genug, um es zu überleben, wenn die Priesterin einen
Fehler macht, bin ich nicht.
Und sie wird einen Fehler machen. Sie ist nicht selbstbeherrscht
genug, um während des Geschlechtsaktes die Energien bewußt
zu kontrollieren. Es wird eine wochenlange Quälerei sein, bis ich
tot bin." sagte ich.
Der Stumme sah mich zutiefst nachdenklich an.
"Du fragst Dich, woher ich das alles weiß?"
Er nickte.
"Ich habe meinen Vater und die Ausbildung der jungen Leute, die er
für seine Versuche mißbrauchte, heimlich beobachtet. Ich
weiß wovon ich rede. Und er hatte auch einen stummen Sklaven,
ein anständiger Mann, mit derselben Aufgabe wie Du. Er war mein
Freund. Wenn er so traurig aussah, wußte ich, daß wieder
einer der Leute ermordet worden war, die er jeden Tag bedient hatte,
während sie für magische Experimente ausgebildet wurden."
erklärte ich.
Wieder ruhte sein nachdenklicher Blick auf mir. Ich erspürte, in
welche Richtung seine Gedanken gingen und erklärte dann:
"Er konnte meine Fragen nur beantworten, indem er mir zeigte, was ihm
Kummer bereitete. Deshalb habe ich sie alle gesehen, wenn sie tot
waren. Und nachts habe ich oft an ihren Betten Wache gehalten, wenn
sie verletzt waren. Der Herr hat sich nicht dafür interessiert,
aber es auch nicht verboten. Und der Stumme - Ich habe nie seinen
richtigen Namen erfahren, er konnte es mir ja nicht sagen und er
mochte es nicht, Geo genannt zu werden, wie mein Vater ihn immer
rief. - Er wollte diese naiven Kinder nicht alleine lassen, wenn
sie so litten. Und er konnte ja nicht alles allein machen."
Er nickte und ich spürte, daß er sehr traurig war. Er
dachte an jemand, den ich nicht kannte. - Wahrscheinlich eines der
Opfer der magischen Versuche hier. Ich hatte auch genug naive Kinder in
Erinnerung, die meinem Vater blindlings vertraut hatten. Und dann
hatten sie so unmenschlich leiden müssen. Und Nimua würde es
ebenso ergehen, obwohl sie besser ausgebildet war, als die Opfer der
Versuche meines Vaters. Vermutlich würde sie den Versuch
überleben. Aber ich glaubte nicht, daß sie glücklich
damit wäre. Sie würde sich die Schuld an allem geben.
Jeden Tag ließ sie mich mehrfach rufen und übte mit mir
magische Praktiken. Anfangs war sie jedesmal überrascht, wenn ich
eine ihrer Anweisungen korrigierte und eine hieb- und stichfeste
Begründung dafür gab. Schließlich fragte sie nach und
ich erzählte ihr von meinem Vater.
"Und jetzt glaubst du, daß mein Herr genauso ist, wie?"
"Ja. Der Stumme hat es mir bestätigt. Ich habe ihn gefragt."
"Aber er kann doch nicht sprechen."
"Ich habe ihm Geschichten erzählt und Fragen gestellt, die man mit
ja oder nein beantworten kann, und ich habe die Richtung seiner
Gedanken gespürt. Er macht dieselbe Art von Experimenten, aber er
bildet etwas besser aus als mein Vater. Nur reicht es nicht. Ich
weiß, wie Menschen mit einer Tempelausbildung sind. Wie stark,
ruhig und selbstbeherrscht. Sie hätten Dich dort sicher gerne
ausgebildet. Du bist die Art von Mensch, die sie im Tempel wollen."
erklärte ich.
"Das glaube ich nicht. Ich bin doch nur ein Sklavenkind." sagte sie.
"Das ist nicht wichtig. Dich hätten sie gewollt. Es mag
höchstens sein, daß sie dich nicht hätten bekommen
können - aus politischen Gründen. Aber Leute wie meinen
Vater oder deinen Herrn wollen sie nicht. Leider hat der Tempel nicht
genug Macht im Land. Dort stimmt noch, was hier draußen schief
läuft. Aber das wird nicht mehr lange so sein." erklärte ich.
"Warum bist du dir so sicher?" fragte sie.
"Ich kannte eine Tempelpriesterin. Sie war eine Tochter meines Vaters
mit seiner richtigen Frau. - Mit Sklavinnen hatte er viele Kinder und
die meisten hat er bei den Versuchen umgebracht, doch diese Tochter
wurde in den Tempel aufgenommen. Eines Tages kam sie wieder zu Besuch
nach Hause. Ich habe mich in ihr Zimmer geschlichen und viel mit mir
geredet. Sie hat mir einiges beigebracht und schließlich habe
ich sie gefragt, ob sie erreichen könnte, daß man mich
auch in den Tempel aufnimmt."
"Und. Was ist passiert?"
"Sie hat mich für den Tempel gefordert und mein Vater hat mich an
demselben Tag verkauft."
"Das war sicher schlimm für dich?"
"Nein. Mein größtes Problem war für mich damit
gelöst. Ich war aus den Fängen meines Vaters heraus. Und
ich kam zu einem Bauern. Ich war glücklich dort, denn er war wie
ein Freund zu mir. Ich habe geheiratet und zwei Kinder bekommen.
Aber der Hof war zu klein um zwei Familien zu ernähren. Die
letzte Ernte war nicht so gut, wie die beiden davor und er hatte
Schulden. Und da er nicht wollte, daß er selbst durch den
Steuereintreiber in die Sklaverei verkauft würde, hat er mich
verkauft."
"Warum bist du nicht geflohen?"
"Ich habe Kinder, die noch zu jung für eine solche Flucht sind. Wenn er
für mich kein Geld bekommen hätte, hätte er sie
verkaufen müssen, um die Schulden zu bezahlen. So weiß ich,
daß es ihnen gut geht." erklärte ich.
Jetzt wo wir alleine waren, zeigte ich ihr was ich konnte. Ich versuchte
ihr so viel von dem, was ich im Laufe meines Lebens über Magie
gelernt hatte zu vermitteln wie möglich. Doch jedesmal, wenn sie
mich fragte, sagte ich ihr:
"Nein, es wird nicht reichen."
Wir schliefen mehrfach miteinander, erzählten und von unserem
bisherigen Leben und ich lernte sie lieben. Sie schickte mich aber
immer ziemlich schnell weg, wenn ich wieder mit meinen Warnungen
begann. Es schien ihr wichtig zu sein, daß sie mich
überzeugen konnte. Aber das würde ihr niemals gelingen. Sie
war im Unrecht. Das wußte ich.
"Morgen ist es so weit."
"Du machst einen Fehler. Du wirst sterben. Wir beiden werden sterben,
wenn du dieses Ritual machst." sagte ich wieder.
"Geh. Und morgen ist das Ritual."
"Nimua. Ich möchte nur, daß du eines weißt. Ganz
gleich was morgen geschieht. Ich werde dir verzeihen. Und ich werde
dich immer lieben, ganz gleich, wie es ausgeht." sagte ich ernst.
Es würde schiefgehen. Ich sah es jeden Tag voraus. Jeden Tag sah
ich das Feuer, das mich verbrennen würde. Doch ich konnte dem
nicht entfliehen. Und ich wollte ihr einen Trost mitgeben, etwas, woran
sie sich in den kommenden Selbstvorwürfen würde festhalten
können. Denn sie würde überleben und hingerichtet
werden. Und im Grunde ihres Herzens war sie ein guter Mensch.
Ich wurde von dem Stummen zum Ritual geführt. Ich war schön
geschmückt, mit Kleidern wie sie sonst nur die Priester trugen und
trat ihr frisch gebadet entgegen. Ich hatte meine Wahrnehmung
vollständig auf die Gegenwart zentriert, denn es würde
schwer genug sein, die Erfahrungen in Echtzeit durchzustehen. Da
mußte ich nicht noch dreimal vorneweg erleben. Ihre Energie
war stärker, beherrschter also sonst und unmenschlich - nicht im
negativen Sinne aber eben nicht mehr wie ein Mensch sondern viel
älter, viel stärker, anders. Bodenlos unendlich. Ich sah sie
an, kniete nieder und küßte ihre Vagina. Sie segnete mich
und die Energie floß stark und kontrolliert, wie es sein sollte.
Die reinste Seeligkeit. Sie entkleidete mich, führte mich
zu ihrem Bett, liebkoste mich. Ich erschauerte unter der starken
kontrollierten Energie. Nach und nach entfachte sie meine sexuelle
Erregung, ließ sie Wogen der Leidenschaft immer höher
schlagen. Dann küßte sie mich auf den Mund und es
explodierte.
"Ich habe doch recht gehabt!" war mein erster Gedanke, seltsam klar.
Dann spürte ich wie sie mich in seltsam tierischen Bewegungen
nahm, wie das Feuer durch meine Energiebahnen raste und sie versengte,
verbrannte. Ich spürte wie mein Körper sich verkrampfte und
fürchterliche Schmerzen litt, nahm aber selber Abstand. Und die
Schmerzen wurden so heftig, daß sie mich in den Körper
zurückzwangen, mein ganzes Denken beherrschten. Ich versuchte
meine nutzlose Panik unter Kontrolle zu bekommen. - Es gab absolut
nichts, was ich noch hätte tun können. Weder für mich,
noch für sie.
Ich mußte Wochen durchstehen, in denen mein Körper in Krämpfen wand. Nachts konnte ich vor Schmerzen nicht schlafen. Der Stumme hielt jede Nacht an meinem Bett Wache, streichelte meine Haare, versuchte vergeblich eine bequeme Stellung für meinen verkrampften Körper zu finden. Er versuchte mir etwas zu Trinken einzuflößen, doch vergeblich. Das Nervensystem war so verbrannt, daß der Schluckreflex nicht mehr funktionierte. Er lagerte mich mit dem Kopf nach unten, damit ich nicht an meiner eigenen Zunge erstickte. Statt dessen lief dann Salzsäure aus dem Magen durch die Speiseröhre und zerfraß die Schleimhaut meines Mundes. Nicht, daß es einen wesentlichen Unterschied gemacht hätte. Mein ganzer Körper war ein einziger Schmerz. Jeder Krampf begann mit etwas, das sich ähnlich anfühlte wie ein Stromschlag, nur viel schmerzhafter. Dann zuckte das entsprechende Körperteil zusammen und die Muskeln verkrampften sich schmerzhaft.
Nimua hatte das Ritual äußerlich unverletzt überstanden - aber nur äußerlich. Die Energie hatte die höheren Nervenzentren ihres Körpers ausgebrannt und zerstört, so daß ihr die höheren Sinne nicht mehr zugänglich waren, die sie seit ihrer Kindheit gehabt hatte. Sie fühlte sich wie tot. Und sie würde nie ein Kind bekommen können, denn auch ihre sexuellen Nervenzentren waren ausgebrannt und gerade noch lebendig genug, um für sie eine Quelle ständiger Schmerzen zu sein. Und sie hat lange von Schuldgefühlen gequält an meinem Bett gesessen und wünschte sich, mir irgendwie helfen zu können. Natürlich vergebens. Nicht einmal der Tempel besaß noch das Wissen, solche Nervenverletzungen zu heilen. Sie war nur ein unwissendes Kind gewesen, das nicht gewußt hatte, was man mit ihr spielte - und doch gab sie sich die Schuld an allem.
Da ergriff der Stumme - der als einziger hinaus ins Freie konnte die Initiative und ging in den Tempel. Dort konnten sie seine Gedanken lesen und kamen auf seine Bitte zu uns ins Haus. Nimua erzählte ihnen rückhaltlos alles, ohne sich selbst irgendwie zu schonen. Dann kam ein Mann zu mir und ich nahm mit seinen Gedanken Verbindung auf - er war überrascht, daß ich das in dem Zustand konnte, doch ich klärte ihn darüber auf, daß Telepathie nicht immer körpergebunden ist. Die wahrhaft alten Seelen beherrschen sie unabhängig von körperlichen Gegebenheiten. Dann übertrug ich ihm meine vollständigen Erinnerungen sowohl an meinen Vater als auch an meine Erlebnisse mit dem Herrn dieses Hauses.
Nachher war ihm schlecht. Er ging hinaus und kotzte in den Nachttopf. Und ich spürte sein verzweifeltes Gefühl der Hilflosigkeit, den Wunsch, irgendetwas tun zu können, um verhindern zu können was hier geschah. Und daß es nicht möglich war. Daß der Tempel machtlos war gegen die Mächtigen in der Politik, die zu Mördern am eigenen Volk geworden waren.
Nach und nach zerstörten die Fehlfunktionen, die die falschen
Befehle des zerstörten Nervensystems hervorriefen meinen
Körper und nach drei Monatem starb ich endlich, ohne in der
gesamten Zeit auch nur einmal zu einer gezielten Bewegung fähig
gewesen zu sein. Ich war heilfroh, endlich tot zu sein und den
zerstörten Körper verlassen zu können, von
dem ich monatelang nichts als Schmerz gespürt hatte.
Der Herr hat den Stummen zu Tode foltern lassen. Auch Nimua wurde zu
Tode gefoltert, was ihr wahrscheinlich mehr Schmerzen erspart hat,
als es ihr zufügte. Als sie starben, wartete ich auf sie und
tröstete sie. Der Tempel aber wurde zerstört - und
diejenigen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten wurden ebenfalls
zu Tode gefoltert, denn sie waren nicht bereit, ihre Geheimnisse an die
Mächtigen der Politik zu verraten.
Von da ab ging es mit Atlantis stetig bergab.
Quelle: Erinnerungen an eigene frühere Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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