F27.

Die Amazonenprinzessin

Besuch

Die nächsten beiden Tage kam ich fast nicht zu Besinnung, so krank war ich. Dann wurde mir nach und nach bewußt, daß das Mädchen neben meinem Bett saß.

Ich drehte meinen Kopf so weit, daß ich sie mit meinem gesunden Auge sehen konnte und lächelte ihr zu.
"Na wie gehts?"
"Papa hat gesagt, daß er dich umbringt, wenn ich noch einmal weglaufe." sagte sie.
"Das würde ich ihm glatt zutrauen." sagte ich verächtlich und fragte dann interessiert "Und? Läufst du noch einmal weg?"
Sie begann zu weinen. Ich streichelte sie mit meinem gesunden Arm.
"Ich würde gerne - aber die letzten Wochen hat er mich in einen Kerker gesperrt und jetzt bringt er dich um, wenn ich weglaufe."
"Wer weiß, ob er mich am Leben läßt, wenn du nicht wegläufst, Salia." antwortete ich.
Sie weinte noch mehr.

Plötzlich klopfte es.

"Was ist?"
"Da ist eine Frau, die gerne einmal eine Amazone sehen würde." sagte der Offizier der Garde von außen.
"Laß sie herein."
Als sich die Tür öffnete, begann ich zu strahlen. Ich hatte geahnt, daß es eine der unseren sein würde, aber nicht daß es Marri war, meine beste Freundin. Der Offizier ließ uns alleine.

"Wer ist das?" fragte Marri und warf einen Blick zu dem Mädchen hinüber.
"Die Tochter des Fürsten. Sie hat versucht, zu uns zu fliehen." erklärte ich.
"Hat er sich etwa auch..."
"Ja. Wie an Sanna." antwortete ich, ehe sie die Frage ganz aussprechen konnte.
"Dieses Arschloch. Und du?" ihre Augen blitzten vor Zorn.
Sanna hatte die Geburt ihrer kleinen Tochter nur ganz knapp überlebt. Der Vater war der hiesige Fürst.
"Mir geht es außer den Verletzungen im Kampf gut. Und hier ist mein Schwert."
Ich klopfte auf den Schwertgriff am Kopfende meines Bettes, um anzudeuten, daß ich den Fürsten mindestens verprügeln würde, sollte er versuchen, sich an mir zu vergreifen.

"Ich soll und will das Mädchen im Kampf unterrichten. Wenn sie flieht, hat er gedroht mich hinzurichten." erklärte ich.
"Ihr könntet zusammen fliehen." schlug Marri vor.
"Und du führst dann die Amazonen in den Krieg, wie?" fragte ich zurück.
"Wieso?"
"Dann hätten wir Krieg, Marri. Die Fürsten würden ihre Männer zusammentrommeln und gegen uns ziehen. Das adelige Pack hält zusammen. Und ich fliehe nicht ohne sie." erklärte ich.
Dennoch drückte Marri mir unauffällig eine kleine Säge in die Hand, damit ich mich notfalls befreien konnte.

Eine Weile unterhielten wir uns noch, dann schrieb ich einen Brief an meine Mutter und gab ihn ihr mit, als sie ging. Sie versprach mir, mich wieder besuchen zu kommen.

Kersti

Quelle: Erinnerungen an eigene frühere Leben


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