10/06

Reinkarnationserinnerung: Joitha der Akrobat

F59.

Der Sinn des Jonglierens

In der Turnhalle - einem Raum mit einigen alten Matratzen und diversen anderen Plunder, der drei Stockwerke hoch war und wo der Putz von der Decke bröckelte wie überall - räumte ich einen Platz frei und begann zu jonglieren.

Ich hatte immer schon gerne jongliert, denn Joair, unser Lehrer für dieses Fach war einer von uns - und bei ihm durfte man manchmal lachen, jedenfalls wenn es uns gelungen war, ihn zu überlisten. Allerdings war der Unterricht bei ihm auch immer teuflisch schwer gewesen. Joair ließ sich nie von uns weismachen, daß wir fast so ungeschickt seien wie Menschen und unsere Streiche hat er immer alle durchschaut, auch wenn er das den Herren nicht immer verraten hat. Jedenfalls hatte ich durch seinen guten Akrobatikunterricht gelernt, meinem Körper Leistungen abzuverlangen, die ein normaler Mensch nie zuwegebringen könnte. Im Grunde war Joair arm dran, denn weil er beim Jonglieren mal ein Messer ins Gesicht bekommen hatte, hatte er eine häßliche Narbe und würde deshalb nie verkauft werden. Sonst sah er aus wie wir, nur größer: so groß wie ein zehnjähriges menschliches Kind, zierlich, hellbraune Haut, dicke Lippen, schwarzes Kraushaar, eine Stupsnase und braune Augen.

Sobald ich zehn unterschiedliche Gegenstände in der Luft hatte, nahm ich zwischendurch die Messer auf und warf sie nach der Zielscheibe. Die ersten sechs landeten genau an einer Kreuzung des äußeren Ringes mit einer der sechs Achsen, das siebte warf ich ins Schwarze. Danach warf ich einige Bälle in den Korb, einige Ringe über eine Stange, fing die Tücher und Kegel wieder auf und legte sie ordentlich auf den Tisch zurück. Ein Teil war zu Boden gefallen.

Einmal hatte Joair eine Bemerkung fallenlassen, die ich mir gemerkt habe:
"Messerwurf ist gefährlich. Man kann nicht nur das Gesicht, sondern auch die Augen, die Halsschlagadern, ..." der Reihe nach zeigte er uns die verletzlichsten Stellen des menschlichen Körpers, erklärte warum ein Treffer dort so gefährlich war und schloß mit dem Rat, "und achtet immer darauf, genau das zu treffen, auf das ihr gezielt habt. Einen Fehler könnt ihr nicht wieder ausgleichen."
Daraus, daß er für diesen Ratschlag nicht bestraft wurde, schloß ich, daß die Menschen seine Worte nicht richtig verstanden hatten.

Im Augenblick sah ich allerdings keinerlei Grund, auf Menschen zu zielen. Meine neuen Kollegen waren durchweg nett - und sie hatten sogar ein wenig Humor - eine seltene Tugend bei Menschen. Als die anderen mir für meine Vorstellung applaudierten, verbeugte ich mich vor ihnen und schlug ein paar Räder bis ich zwischen ihnen stand.

Das Ganze endete damit, daß ich mit ihnen jonglieren übte. Sie waren dabei, was bei Menschen ja zu erwarten ist, klägliche Versager - aber das sagte ich ihnen nicht. Schließlich konnten sie nichts dafür, daß sie nicht für so etwas gezüchtet worden waren.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


F60. Kersti: Fortsetzung: Lachen auf Probe
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de