12/09

Reinkarnationserinnerung

F87.

Daß du mein Leibwächter bist, hat dir doch nur Unglück gebracht

"Findest du das nicht ein wenig zynisch, wenn du mir vorschlägst, daß ich Petia dazu bringen soll, meine Tochter für seine kleine Schwester zu halten?" fragte Chehija.
"Es ist realistisch, Chehija." erwiderte ich.
"Damit meine Tochter ihn so mißbrauchen kann, wie ich dich mißbraucht habe, weil ich mein Leben nicht ertragen konnte." sagte sie.
Ich verdrehte die Augen.
"Daß du mein Leibwächter bist, hat dir doch nur Unglück gebracht."
"Das stimmt nicht Chehija. Weil ich dein Leibwächter war, hatte ich mit vierzehn schon genug Vieh, um Frau und Kind zu versorgen. Weil ich dein Leibwächter war, hat meine Tochter immer genug zu essen gehabt. Wahrscheinlich bin ich überhaupt nur deshalb am Leben geblieben, bis ich erwachsen war." gab ich zurück.
"Ach - und wo sind deine Frau und dein Kind jetzt?" fragte sie sarkastisch.
"Beim Stamm", antwortete ich, "Sie besitzen ihr eigenes Vieh und ich hoffe, es geht ihnen gut."
Es war keine Hilfe, daß sie mich weinen sehen hat. Wirklich nicht.

"Chehija. Du solltest mal die andere Seite der Medaille betrachten. Petia ist kastriert worden, um der Leibwächter deiner Tochter zu werden. Wenn du ihn nicht in deine Familie einläßt, wird er nie eine Familie haben." versuchte ich es erneut.
"Ach ja, und du bist jetzt glücklich mit deiner Beziehung zu mir, nicht wahr?" kommentierte sie sarkastisch.
"Jedenfalls bin ich glücklicher, als ich es wäre, wenn ich dich nicht lieben würde!"
Langsam verlor ich die Geduld. Vor allem weil sie meine wunden Punkte genau genug kannte, um mit jedem Satz ganz genau ins Schwarze zu treffen. Und weil ich jetzt nicht weinen wollte, weil es mir dann nie gelingen würde, sie zu überzeugen.

In der Woche, in der Petia sich von der Kastration erholte, stritten wir uns häufig und es gelang mir nicht, sie davon zu überzeugen, daß ich recht hatte.

Petia war ein fröhlicher Junge gewesen, der gerne herumalberte und noch viel spielte. Nach der Operation war er schweigsam und in sich gekehrt. Mit dem Säugling spielte er nicht, nahm ihn aber gehorsam auf den Arm, wenn ich ihn dazu aufforderte. Und mit Chehija redete er gar nicht.

Wenn ich mit ihm alleine war, stellte Petia mir viele Fragen. Ob es stimmt daß alle Eunuchen feige sind? Ich erklärte ihm, daß ich ein erwachsener Mann war, bevor ich kastriert wurde und daß ich nicht das Gefühl hatte, irgendwie ein anderer Mensch zu sein, als vor der Kastration.
"Aber es gibt so viele Geschichten, wo ein Eunuch feige seinen Herrn im Stich gelassen hat." meinte er.
"Ich glaube viele Eunuchen sind sehr wütend auf ihren Herrn, und gönnen es ihm, wenn ihm was schlechtes zustößt. Das ist nicht dasselbe wie Feigheit." antwortete ich.
Ein böses Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er nickte nachdrücklich. Ich fragte mich, warum ich diese Art Haß nicht empfand, nur unendlich viel Kummer.

"Du, wie ist das, wenn man mit einer Frau schläft?" fragte er mich.
"Das kannst du ausprobieren, wenn du ein Mädchen findest, das mit dir will. Bei dir geht das noch, es wird dabei nur kein Kind herauskommen." antwortete ich - und wie das offensichtlich ständig der Fall war, kam wieder all mein Kummer in mir hoch. Ihm hatten sie nur die Hoden entfernt, weil das ungefährlicher war, als wenn der Penis mit abgeschnitten wurde.
"Kannst du das denn nicht?" fragte er.
"Nein. Wenn du willst, zeige ich dir warum."
Er wollte und ich zeigte ihm, daß sie bei mir wirklich alles abgeschnitten hatten.
"Das ist gemein." sagte er.
Ich schwieg und schloß die Hose wieder, denn mir wollte darauf keine passende Antwort einfallen. Gemein war ein viel zu harmloser Ausdruck. Aber wenn man gegen sein Schicksal rebelliert, wird es dadurch nicht besser sondern schlimmer.

Petia brauchte fast zwei Jahre, bis er wieder einigermaßen zu seiner vorherigen heiteren Persönlichkeit zurückfand.

Irgendwann sagte er:
"Es ist merkwürdig. Sie haben mich nur kastriert, damit ich Kisaris Leibwächter bin - und statt daß ich sie dafür hasse, habe ich sie ganz doll lieb."
"Ich weiß. Im Grunde ist es mir viel besser ergangen als dir - aber letztlich haben die Eltern von Chehija mich als jungen Krieger nur deshalb so gut und großzügig behandelt, damit ich ihnen nachher die Kastration verzeihe, ohne das an ihrer Tochter auszulassen. Weißt du, der Eunuch von Chehijas Mutter hat mir exakt erklärt, warum sie alles tun, womit sie mich an ihre Tochter gebunden haben. Ich habe diesen ganzen fiesen Plan verstanden. Und trotzdem habe ich genauso gefühlt, wie sie das von mir wollten. Ich liebe Chehija, als wäre sie meine kleine Schwester und halte bedingungslos zu ihr. Ich kann gar nicht anders, denn sie ist der einzige Mensch, der immer zu mir hält und ich brauche ihre Liebe so dringend, wie sie meine braucht."

Als Chehija wieder schwanger wurde, machte ich keine Witze mehr über Mädchen, die nur treten, weil ihnen nicht die rechte Achtung entgegengebracht wird. Und ich war sehr erleichtert, als sich herausstellte, daß das Kind ein Junge war. Ich hatte vorher die ganze Zeit gegrübelt, wen von den Jungen, die meine Schüler waren, sie wohl diesmal kastrieren würden, falls es ein Mädchen wird.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


F88. Kersti: Fortsetzung: Ich wollte eine Beziehung und die war nicht zu haben
F85. Kersti: Voriges: "Du weinst ja!"
FI1. Kersti: Inhalt:
VA106. Kersti: Reinkarnation
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
Kersti: Hauptseite
Kersti: Suche und Links
Kersti: Über Philosophie und Autorin dieser Seite

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.
Werbung ist nicht erwünscht und ich bin nicht damit einverstanden, daß diese Adresse für Werbezwecke gespeichert wird.