2/2010
Es war nicht so, daß irgendjemand anders mir etwas tun würde - nein, ich hatte einfach nur das Vertrauen verloren. Es gelang mir nicht, ausgelassen oder fröhlich zu sein, denn im Grunde meiner Seele war ich zutiefst enttäuscht und verletzt. Ich redete mit niemandem mehr freiwillig, sondern verbrachte die ganze Zeit neben meinen kleinen Pflichten für die Gemeinschaft mit den Meditationsübungen.
Anatah bemerkte, wie ich mich fühlte und fragte mich danach. Ich sagte ihm zuerst ganz sachlich, daß und warum ich mich nicht mehr richtig entspannen konnte. Er sagte als erstes:
"Ich habe immer geglaubt, Dämonen wären böse und man müsse sie fürchten. Seit ich weiß, daß du einer bist, weiß ich daß es Dämonen gibt, die sich wie Heilige verhalten - egal was man ihnen antut."
Und er redete lange mit mir, so lange bis ich tatsächlich offen über meine Gefühle sprach - und letztlich in Tränen ausbrach, weil mir diese Kastration die Hoffnung geraubt hatte - und den Glauben daran, daß ich jemals die Hilfe finden würde, die ich so dringend brauchte. Immer wenn sich jemand fand, der mir die Hilfe anbieten wollte, fand sich etwas, das jegliche Hoffnung wieder zerschlug. Und ich fühlte mich bloßgestellt durch diese Tränen, denn ich fühlte mich zwar sicher genug, daß ich weinen konnte, aber nicht sicher genug, um mich dabei geborgen zu fühlen.
Plötzlich fühlte ich eine Nähe, die ich als wirklich tröstend empfand. C'hem'ah'ra war da. Anatah sah aus, als erwarte er, daß C'hem'ah'ra ihm etwas antun wolle oder als meinte er zumindest, das verdient zu haben, doch sie nickte ihm nur grüßend zu und lächelte. Daran wie er sich jetzt verhielt, war nichts auszusetzen. Er tat genau das was nötig war, um meine seelische Verletzung zu heilen.
Trotzdem fühlte sich Anatah unter C'hem'ah'ras Augen nicht wohl und wollte gehen. Ich hielt ihn zurück.
"Du machst dir Vorwürfe, nicht war?"
"Ja."
"Fehler machen gehört zum Leben, Anatah. Ich weiß, daß du dich ehrlich bemüht hast, die richtige Entscheidung zu treffen, und nicht wußtest, wie groß das Problem war, an das du damit gerührt hast."
"Aber ich kann das nie wieder gut machen!"
"Wieder gut machen im eigentlichen Sinn des Wortes geht sowieso nicht. Wenn man einen Fehler macht, kann man nie zu dem Zustand zurückkehren, der war, bevor es geschehen ist - denn wenn man es tatsächlich schafft eine Verletzung zu heilen, die man einem anderen zugefügt hat, dann sind nachher immer beide Beteiligten ein ganzes Stück weiser und stärker als vorher - sie sind nie wieder an dem Punkt, an dem sie vor der Verletztung standen. Es ist gut, wenn man Schaden angerichtet hat, das so weit wie möglich selber wieder in Ordnung zu bringen, denn dadurch lernt man am meisten aus seinen Fehlern. Und es ist gut anderen beim in Ordnung bringen ihrer Fehler zu helfen, denn dadurch kann man lernen, ohne jeden Fehler selbst machen zu müssen. Aber man kann Dinge nicht wieder gut machen, man kann nur von der durch den Fehler entstandenen Situation ausgehen und von da aus einen Weg in eine bessere Zukunft suchen."
Anatah weinte.
Nach diesem Gespräch fühlte ich mich etwas sicherer als vorher. Ich dachte aber auch viel darüber nach, was ich eigentlich tun würde, wenn ein weiterer inkarnierter Dämon wie ich im Tempel auftauchen würde, um sich auf die Einweihung vorzubereiten.
Quelle: Erinnerung an eigene frühere Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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