erste Version: 7/2015
letzte Bearbeitung: 7/2015
Vorgeschichte:
F502.
D
Pieter, der Zen-Meister erzählt:
Georg war einer der mutigsten Menschen, die ich kenne. Oder vielleicht der mutigste. Es ist nicht ungewöhnlich, daß junge Männer bei ihren ersten Aufträgen meinen, daß Gefahren keine richtigen Gefahren wären. Das dachte ich zuerst auch bei Georgs sorglos erscheinenden Worten über gefährliche Aufträge, doch fiel auf, daß er sich jedes mal sehr sorgfältig überlegte, wie er da wieder heile herauskommt, so daß wir bereit waren, ihm gefährlichere Aufträge anzuvertrauen, als anderen ähnlich unerfahrenen Jungen. Für die meisten jungen Männer und Frauen ist es ein Schock, wenn sie zum ersten mal ernsthaft verletzt werden und sie sind danach sowohl wesentlich ängstlicher als auch wesentlich vorsichtiger als vorher. Ihn schien das nicht zu beeindrucken, dabei hat er diverse Anschläge auf sein Leben hinter sich und die letzte Verletzung war so schwer, daß niemand glaubte, er könnte das überleben. Doch nachher meinte er nur, er hätte doch gewußt, welches Risiko er einging und er hätte auch geglaubt, daß er das wahrscheinlich nicht überlebt. An seiner selbstbewußten und zugleich furchtlosen Art änderte sich nichts.
Daß er Dämonen offensichtlich für Kuscheltiere hielt, schlug für meine Begriffe dem Faß den Boden aus. Um so erstaunter war ich, als ich Erzengel Michael rief, den Beschützer unserer Loge. Als sich der Engel Georg zuwandte, hatte ich Zeit, meinen Schüler genau zu beobachten und ich konnte sehen, daß er mindestens so viel Angst vor ihm hatte, wie ich vor dem schlimmsten Dämon, den ich je gesehen hatte. Der junge Mann blieb höflich und redete auf eine Art mit dem Engel, die durchaus selbstbewußt wirkte, doch seine Körperhaltung war zu bemüht aufrecht, seine Gesicht weiß wie eine Wand. Als der Engel sich verabschiedete, sah ich daß der Junge am ganzen Leibe zitterte.
Ich fragte ihn ganze neutral, wie Erzengel Michael denn gewesen sei.
"Merkwürdigerweise hatte ich Angst." antwortete er mit einer ruhigen, wie unbeteiligten Stimme und erklärte, daß er sich fast vor Angst in die Hose gemacht hätte. Dabei wäre Michael freundlich zu ihm gewesen und hätte ihn nur gelobt.
Ich trennte mich so früh wie irgend möglich von Georg, um mit mir selbst ins Reine zu kommen, denn ich war so verängstigt, aufgewühlt und verwirrt, daß ich bestimmt irgendetwas Verletzendes gesagt hätte, wenn ich länger mit ihm geredet hätte. Mit dem Thema, das mir im Kopf herumging, konnte ich auch mit niemandem reden, denn es gab niemanden hier, von dem ich wußte, daß er verantwortungsvoll mit so etwas umgehen konnte. Ich wünschte, mein Lehrer, der mir den Umgang mit Dämonen beigebracht hatte, wäre hier, damit ich mit ihm darüber reden kann, aber das war nicht der Fall. Er war inzwischen ja auch achtzig oder neunzig Jahre alt.
Ich ging also in mein Häuschen und begann zu grübeln. Schließlich rief ich meinen Lehrer an und teilte ihm mit daß ich seinen Rat brauchte.
Mein Lehrer hatte mir damals beigebracht, daß es einen Krieg zwischen Engeln und Dämonen gegeben hatte. Wie in jedem Krieg hatte jede Seite ihre Fehler gehabt und davon ausgehend weitere Fehler gemacht. Daß wir Engel heute als die Guten dastehen, liegt nicht daran, daß wir gut sind, sondern daran, daß wir diesen Krieg gewonnen haben, unsere Darstellung als die einzig Wahre durchgesetzt haben und die Dämonen gnadenlos unterdrückt und von allem Erstrebenswerten abgeschnitten und sie wann immer möglich zu vernichten versucht haben.
Bei einem irdischen Krieg ist, wenn man das feindliche Volk vernichtet, nach ein, zwei Generationen dieses Problem erledigt, weil alle Seelen sich danach in das Siegervolk inkarnieren. Bei einem feinstofflichen Krieg wird der Verlierer jedoch niemals dauerhaft verschwinden, sondern die scheinbar vernichteten Seelen werden sich aus dem Staub, zu dem sie wurden, wieder zusammensetzen und an der Stelle der Geschichte weitermachen, die sie zuletzt bewußt erlebt haben. Das einzige mögliche Ende eines feinstofflichen Krieges ist, daß man Frieden schließt - wenn man das nicht tut, wird der Krieg auf ewig weitergehen und immer neues Leid erzeugen.
Das Ziel unseres Ordens war es, diesen feinstofflichen Krieg zu beenden. Natürlich war so etwas leicht gesagt, aber ziemlich schwer in die Tat umzusetzen. Der Krieg war ursprünglich nicht aus Bosheit entstanden, sondern aus der Unfähigkeit, sich über grundlegende Notwendigkeiten im Umgang miteinander zu verständigen, daraus, daß man einander nur zufällig begegnen mußte, um sich gegenseitig unbeabsichtigt schwere Verletzungen zuzufügen. Und viele Engel waren heute noch davon überzeugt, daß die Dämonen sie nur aus Bosheit angegriffen hätten und nahmen nicht wahr, daß sie selbst inzwischen so boshaft geworden waren, daß sie die bloße Tatsache, daß eine Seele von dämonischer Herkunft war, als ausreichenden Grund sahen, ihnen unfaßliche Grausamkeiten anzutun.
Umgekehrt, so hatte mein Lehrer mir erklärt, gab es neben Dämonen, die aus verständlichen Gründen sehr verbittert waren, auch Dämonen, die ebenfalls eingesehen hatten, daß wir irgendwie die vergangenen Differenzen überwinden und zu einem Frieden finden müssen. Diese bringen dabei oft eine bewundernswerte Geduld, Langmut und Nachsicht auf.
Unsere Dämonenbeschwörungen, so hatte er mir erklärt, dienten dazu einen sicheren Rahmen zu bieten. Menschen hätten normalerweise eine panische Angst vor Dämonen und würden in Panik um sich schlagen, wenn man sie direkt mit ihnen umgehen läßt. Wie wenn man ein Kind, das Angst vor Hunden hat zunächst längere Zeit einen sehr verläßlichen und gutmütigen Hund ansehen läßt, der an der Leine oder im Zwinger ist und das Kind erst danach üben läßt, ihn anzufassen und zu streicheln, so üben wir zunächst den Umgang mit einen gutmütigen Dämon, der hinter einer sicheren magischen Abschirmung ist, ehe wir direkter mit Dämonen umgehen.
Zu meiner Unterweisung hatte auch gehört, daß einige Dämonenseelen sich in Menschen inkarnieren und daß einige dieser inkarnierten Dämonen unserem Orden beiträten, um uns bei der Arbeit an diesem Frieden zu helfen. Für diese inkarnierten Dämonen ist das eine sehr gefährliche Aufgabe, denn dieser Orden hat nicht nur Mitglieder, die bereits gelernt haben, angemessen mit Dämonen umzugehen, sondern er ist ein Ort, wo Menschen lernen sollen, was Frieden ist, warum und wie man vergangene Differenzen beilegt und wie man angemessen und freundlich mit Dämonen umgeht. Und die, die das noch nicht gelernt haben, können sehr bösartig reagieren, wenn sie erfahren, daß ein Dämon mitten unter uns lebt. Daher stehen die inkarnierten Dämonen unseres Ordens unter dem direkten Schutz des höchsten Michael-Kernanteils mit dem wir Kontakt haben.
Geron, Georgs vorhergehende Inkarnation in unserem Orden war Dämonen auch immer sehr furchtlos gegenübergetreten. Ich hatte damals angenommen, daß er einfach schon sehr vertraut mit den gutmütigen Dämonen war, an denen wir einen angemessenen Umgang mit Dämonen üben sollten. Als ich Georgs Angst vor dem Michael, der ganz offensichtlich sehr freundlich gewesen war, gesehen hatte, waren plötzlich alle Teile an den richtigen Platz gefallen und mir war klar geworden, womit ich es zu tun hatte. Der Dämonenfürst hatte mehrfach betont, daß alles mit Erzengel Michael abgesprochen war. Georg hatte keine Angst vor Dämonen und dafür um so mehr Angst vor Engeln. Und dafür gab es nur eine Erklärung: er war eine von diesen Dämoneninkarnationen, die unter dem persönlichen Schutz von Erzengel Michael stehen.
In der Nacht tat ich kein Auge zu. Mir kamen immer wieder Bilder von ganz normalen Menschen, die ich in meiner Vorstellung kannte und die sich unversehens in furchtbare Dämonen verwandelten, die alle Anwesenden grausamst abschlachteten. Es waren verschiedene Szenen, mal in einem Wohnzimmer der irgendetwas wie mein persönlicher Raum war, mal auf öffentlichen Plätzen oder während ich arbeitete. Die ganze Zeit spürte ich in meiner Nähe Erzengel Michael, der mich immer wieder daran erinnerte, daß das alte Geschichten waren, Bilder von Geschehnissen, die schon lange vorbei sind. Jesus selbst hätte sich für meinen Schüler verbürgt, daß er zuverlässig sei.
Ich kann nicht behaupten, daß ich bis zum Morgen wieder zum Frieden gefunden und irgendeine Art von Sicherheit gewonnen hätte. Ich wußte nur, daß Erzengel Michael selbst mir die Aufgabe übertragen hatte, sich um einen dieser Dämonen zu kümmern, die sich bei uns inkarniert hatten, um eine Grundlage für den Frieden zu schaffen. Und ich war überzeugt, daß ich für diese Aufgabe nicht qualifiziert war, daß ich in meiner maßlosen Angst bestimmt einen sehr dummen Fehler machen würde, der alle Dämonen zu ewigen Haß auf unseren Orden aufstacheln würde.
Und ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, daß mein geliebter Schüler sich Morgen bestimmt in ein furchterregendes Monster verwandeln und mich angreifen würde. Mein Gott, wie sollte ich mit dieser maßlosen Angst in der Lage sein, auch nur ein freundliches Wort mit Georg zu reden! Bei der Einstellung war bestimmt ich derjenige, der den fatalen Fehler machen würde, der alle Friedensverhandlungen zum Scheitern bringen läßt.
Fortsetzung:
F504.
W
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
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