erste Version: 8/2015
letzte Bearbeitung: 8/2015

Ägyptische Priesterleben: Ägyptische Priesterleben - Eine Schule der Hingabe

F555.

Das heißt also, daß es die ideale Übung der Hingabe gar nicht gibt

Vorgeschichte: F554. Kersti: D

Erigon erzählt:
Mein spiritueller Lehrer fragte mich jeden Tag zuerst, wie ich mich fühlte. Er befragte mich sehr genau, wie ich über das Leben im Tempel, über meine Zukunft und was alles auf mich zukommen könnte, dachte und fühlte.

Er bestand darauf, daß ich mir zu jedem furchterregenden Gerücht, was ich über den Tempel gehört hatte, überlegte, wie ich damit umgehen wollte, wenn mir so etwas angetan würde. Er verlangte ausdrücklich daß ich mir vorstellte, daß mir genau das zustößt und daß ich meinen Frieden mit dieser Möglichkeit schließen sollte.

Wenn ich ihn aber fragte, was genau auf mich zukam blieb er seltsam vage. Schließlich fragte ich ihn direkt, warum er mir denn nicht erzählte, wie das Leben im Tempel ist, darüber wüßte er doch viel mehr als ich.
"Du hast recht. Darüber weiß ich viel mehr als du. Aber das hier ist eine Schule der Hingabe. Es ist nicht meine Aufgabe, es dir möglichst einfach und bequem zu machen, sondern es ist meine Aufgabe dich Hingabe zu lehren - und zwar möglichst, ohne dir ein Haar zu krümmen. Du sollst hier lernen, mit jeder schlimmen Erfahrung, die dir zugemutet werden könnte, ganz entspannt umzugehen, ohne dich dadurch aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Über was hast du nachgedacht, als ich dir nicht verraten habe, was in den nächsten Wochen kommt?"
"Mir ist jedes Gerücht, was hier mit irgendeinem Sklaven gemacht worden sein soll, durch den Sinn gegangen und ich habe mich davor gefürchtet, daß man das mit mir machen könnte." antwortete ich.
"Siehst du, und genau das wollte ich damit erreichen, daß ich dir nicht verraten habe, was als nächstes kommt. Weiter. Was hast du mit diesen Ängsten gemacht."
"Ich habe sie dir erzählt und du hast gesagt, ich müßte damit rechnen, daß all diese Gerüchte den Tatsachen entsprechen und deshalb sollte ich mir überlegen, wie ich damit umgehen würde, wenn sie das mit mir machen würden."
"Richtig. Und das hast du auch gemacht. Wenn du jetzt ein einzelnen solches Gerücht nimmst - was hat sich zwischen dem Zustand als es dir zuerst in den Sinn kam und dem Zustand nachdem du darüber nachgedacht hast verändert?"
"Anfangs hatte ich einfach Angst und nachher dachte ich mir, daß ich schon damit fertig werden kann, wenn sie das mit mir machen." antwortete ich.
"Was hat sich in den letzten Tagen in deinen Gefühlen zu einem neu hochkommenden Gerücht geändert?"
"Bei den ersten Gerüchten, die mir in den Sinn gekommen sind, hatte ich furchtbare Angst und brauchte eine ganze Weile, bevor es mir gelungen war, mir vorzustellen, daß ich damit umgehen kann, ohne verzweifelt zu sein. Aber jetzt kommen mir irgendwie viel schlimmere Ideen und ich denke mir ziemlich schnell, daß ich damit auch fertigwerden kann." erklärte ich.
"Das heißt, du lagst hier einige Tage in einem hübschen Zimmer, wir haben uns gut um dich gekümmert und du hast eine Menge über Hingabe gelernt, zu Problemen, die es im Augenblick nur in deiner Vorstellung gibt. Das kommt doch der idealen Übung zur Hingabe, bei der einem kein Haar gekrümmt wird, schon ziemlich nahe, oder?"

Das konnte ich nicht so stehen lassen.
"Ich bin kastriert worden." gab ich zurück.
"Richtig. Und wenn das nicht geschehen wäre, wären dir deine Ängste gar nicht real vorgekommen, oder?"
"Ja."
"Das heißt also, daß es die ideale Übung der Hingabe gar nicht gibt. Du bist nicht dumm genug, daß man dir auf Dauer weismachen kann, es gebe Gefahren und Probleme, wenn sie in Wirklichkeit nicht existieren. Wann immer möglich, lehren wir Hingabe an solchen harmlosen Trockenübungen, wie du sie hier in dem Zimmer erlebt hast. Aber was du damit lernen kannst, reicht einfach nicht. Der Staat braucht Menschen für Aufgaben, die man keinem Menschen wünschen kann und die trotzdem zufrieden und entspannt bleiben. Für genau diese Aufgaben werden wir hier ausgebildet. Und damit du daran später nicht kaputt gehst, mußt du vorher gelernt haben, mit den schlimmstmöglichen Erfahrungen fertigzuwerden, ohne daran zu verzweifeln. Man kann viel durch solche geschickten Inszenierungen lernen, doch damit du alles lernst, was du für deine spätere Arbeit brauchst, mußt du vorher auch an echten Härten geübt haben. Wir bestehen darauf, daß die jungen Männer noch unversehrt sind, wenn sie an den Tempel abgegeben werden, weil sie sowieso kastriert werden und es eine Verschwendung wäre, so eine Gelegenheit zu einer Hingabeübung ungenutzt verstreichen zu lassen, indem die Jungen noch zuhause kastriert werden, wo sie den Hingabeunterricht nicht bekommen, den wir hier dabei machen." erklärte er.
Er sah auf seine Hände und wirkte plötzlich sehr wehmütig.
"Du hast mich gestern gefragt, ob Hingabe lernen wirklich den ganzen Ärger wert ist, den sie einem dafür zumuten."
Ich nickte.
"Und du weißt, wie ich regiert habe, als sie mir befohlen haben, mich kastrieren zu lassen."
Ich nickte.
"Ich habe dich sehr genau gefragt, was in dir bei deiner Kastration vorgegangen ist, weil ich es unfaßbar fand, daß du, als er das von dir verlangt hat, völlig ohne vorhergehenden Hingabeunterricht tatsächlich beinahe entspannt mit dem Verschneider geplaudert hast, während er dich kastriert hat."
Ich war verwirrt. Ich verstand nicht, was er mir damit sagen wollte.
"Du mußt wissen, daß eine Kastration in meiner Vorstellung das schlimmste war, was es in der Welt gibt. Da ich nie einen Eunuchen gekannt hatte, bevor ich hierher kam, war das meiste was ich über die Folgen einer Kastration glaubte, völliger Unsinn. Ich habe beispielsweise gedacht, daß eine Kastration automatisch dazu führt, daß man nicht mehr weiß was man will, daß man kein Rückrat mehr hat und alle belügt und betrügt. Tatsächlich wird man dadurch zwar etwas ruhiger, wie ich gemerkt habe, aber im Kern ändert sich durch die Kastration an sich nichts Wesentliches an der Persönlichkeit eines Menschen. Oder haben sich die Menschen, die du gekannt hast, durch die Kastration verändert?"
"Doch schon. Vorher war kein wesentlicher Unterschied zwischen den legitimen Söhnen und den Sklavenjungen, wir haben alle miteinander dieselben Spiele gespielt und dieselben Arbeiten getan. Nach der Kastration haben sich die Eunuchen immer ein wenig zurückgezogen waren stiller, braver und waren sich sehr viel bewußter, daß sie nur Sklaven waren. Und die legitimen Söhne haben dann nach und nach begonnen, die anderen zu beaufsichtigen." antwortete ich.
"Nun, du bist ja mit zwölf nicht kastriert worden. Hast du begonnen, die anderen zu beaufsichtigen oder hast du, als Gleichaltrige kastriert wurden, mehr darüber nachgedacht, daß du ein Sklave bist, als vorher?"
"Letzteres. Aber ich habe mir schon Hoffnungen gemacht, daß ich selber einmal eine Familie haben dürfte, obwohl kein Sklave das darf." erklärte ich.
"Das heißt es ist nicht die Kastration an sich, die einen verändert, sondern die Gedanken, die man sich zu der Kastration macht."
Ich nickte, denn der Ansicht war ich schon immer gewesen, obwohl bei uns gesagt wurde, daß es gut sei, männliche Sklaven zu kastrieren, weil sie dann automatisch glücklicher mit ihrem Sklavendasein wären. Das sagten natürlich die, die keine Sklaven waren. Die Sklaven selbst sagten zu den jungen Eunuchen, daß sie jetzt schon fast erwachsen seien und deshalb Zeit wäre, daß sie lernten, bei der Arbeit so zuverlässig zu sein, wie man das von Erwachsenen erwartet und daß sie bei der Arbeit nicht mehr zwischendurch spielen dürfen, wie das Kinder immer tun. Und zu mir hatten sie das noch viel nachdrücklicher gesagt, weil sie fanden, daß ich zu oft widersprach. Ich war, als ich zwölf war, recht oft wegen Ungehorsam bestraft worden, bis ich mich daran gewöhnt hatte, den ganzen Tag, von den Essenspausen abgesehen, zuverlässig und durchgehend zu arbeiten, auch wenn mir der Rücken wehtat, ich erschöpft war oder wenn ich mich gerade nicht so fühlte und auch wenn ich irgendwohin geschickt wurde, um eine Arbeit völlig ohne Aufsicht allein zu erledigen. Die Eunuchen waren braver gewesen als ich, aber ich glaube das lag daran, daß sich die Kastration wie eine schlimme Strafe anfühlt und sich deshalb auch so auswirkt, als hätte man sie sehr heftig bestraft, um ihnen klar zu machen, daß sie sich ab heute gefälligst wie ein erwachsener Sklave zu verhalten hätten.

"Wie auch immer. Für mich war die Kastration das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte, weil ich gedacht hatte, sie würde den Kern meiner Persönlichkeit zerstören und danach wäre ich etwas, was ich nur verachten kann. Sie war das, womit man mir die größte Angst machen konnte, also habe ich fast ein Jahr dagegen rebelliert. Ich glaube mein spiritueller Lehrer fand so einige Ideen, die ich dazu hatte, wie Eunuchen wären, sehr bizarr, denn er fragte mich oft, ob ich wirklich fände daß er so wäre, wie ich Eunuchen beschreibe. Und er war natürlich gar nicht so. Einfach dadurch, daß ich mit ihm redete, wurde der ganze Unsinn, den ich über Eunuchen geglaubt hatte, ad Absurdum geführt und mir wurde bewußt, daß ich nachher immer noch ich selbst wäre. Und nachdem das klar war, dachte ich mir, daß es wirklich besser ist, die Kastration über mich ergehen zu lassen, als den Rest meines Lebens im Kerker zu verbringen und täglich zehn Peitschenhiebe zu bekommen."
"Ach naja, so manche Ideen, die die Freien bei uns zum Thema Eunuchen haben, sind genauso albern. Mein Großvater war beispielsweise ernsthaft der Meinung, daß Sklaven vom kastriert werden glücklicher werden."
"Nee oder?"
"Doch, war er. Ich habe ihm ausführlich erklärt, warum ich das für völligen Schwachsinn halte, aber er hat mir einfach nicht geglaubt." antwortete ich.
"Wie auch immer. Dieses eine Jahr war das schlimmste Jahr in meinem Leben. Nicht wegen dem Kerker, nicht wegen der Schläge und auch nicht weil ich mir am Ende selbst die Hoden abschneiden mußte, sondern weil ich einen Haufen irrealer Ängste hatte, was das alles mit mir anstellen würde. Heute weiß ich daß man mich zehn Jahre in einen Kerker sperren könnte und ich würde damit klarkommen und wäre immer noch ich selbst. Ich würde die Schläge einfach so hinnehmen, ohne mir darum die Sorgen zu machen, die ich mir damals gemacht hatte. Und daß meine Ängste vor der Kastration sowieso Quatsch waren, das weiß ich erst Recht. Und zur Belohnung dafür, daß ich jetzt gelernt habe, mit allem was man mir so an Zumutungen vorsetzt, entspannt umzugehen, werden sie mich zur nächsten Sonnenwende in den Tempel des Schweigens bringen und mir die Zunge herausschneiden, damit ich keines der Geheimnisse des Tempels verraten kann, während ich dort diene. Du kannst dir vorstellen, das ist jetzt auch nicht mein Wunschtraum, aber ich weiß, damit werde ich genauso umgehen und glücklich sein können wie mit allem vorher."
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
"Du hast mich gefragt, ob sich der ganze Ärger denn gelohnt hat?"
Ich nickte.
"Ja. Hat er." sagte er mit Nachdruck und sah mich ernst an.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen.

Kersti

Fortsetzung:
F556. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben

EGI. Kersti: Erinnerungen aus diesem Leben, aus früheren Leben und aus feinstofflichen Welten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
FI62. Kersti: Inhalt: Eine Schule der Hingabe

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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