erste Version: 12/2015
letzte Bearbeitung: 12/2015

Chronik des Aufstiegs: Mittelalter und frühe Neuzeit: Der an die Kette gelegte Heilige

F660.

Ich war auf Leute, die sich für gute Christen halten, die Bettelkinder auf der Straße verhungern lassen und ihre Heiligen auf dem Marktplatz anketten, nicht besonders gut zu sprechen

Vorgeschichte: F58. Kersti: D

Der Heilige erzählt:
Ich kann mich erinnern, wie ich in einem früheren Leben als Landsknecht einmal ein Bein vom Knie ab weggeschossen bekam. Normalerweise hätte ich mich bei einer Verletzung totgestellt und gewartet, bis entweder Freunde vorbeikommen oder es so ruhig oder dunkel ist, daß ich mich aus eigener Kraft davonschleichen, zu Freunden gehen und mich behandeln lassen kann. In diesem Fall war die Verletzung zu schwer, um aus eigener Kraft das Schlachtfeld zu verlassen und der Feind hatte das Heer, zu dem ich gehört hatte, besiegt, so daß auch von dieser Seite nicht mit Hilfe zu rechnen war. Ich machte also die Feinde, die über das Feld gingen, um nach ihren Toten und Verletzten zu suchen, auf mich aufmerksam und sie nahmen mich mit. Zuerst verhörten sie mich, nahmen mir, nachdem ich einige Tage bei den Verhören darauf bestanden hatte, aber ab, daß ich nur ein einfacher Soldat ohne besonderes Wissen war.

Sie hatten mich, um mich verhören zu können nach der Schlacht behandelt, danach verloren sie aber scheinbar das Interesse an mir. Es gab täglich Wasser und Brot und sonst kümmerte sich niemand um mich. Trotz allem verheilte die Wunde einigermaßen und ich wurde wieder gesund, nur ist das Bein halt nicht nachgewachsen. Bei der Zelle, in der sie mich gefangen hielten, handelte es sich nicht um eine Einzelzelle, daher landeten immer wieder andere verletzte Kriegsgefangene in meinem Kerker. Da sie oft vor Schmerzen wimmerten und den lieben Gott um Heilung anflehten, kümmerte ich mich ein wenig um sie und wünschte mir, ihnen helfen zu können. Seltsamerweise verheilten ihre Verletzungen in meiner Nähe innerhalb weniger Tage. Ich verstand das nicht. Aber wenn der liebe Gott meinte, ihnen helfen zu müssen, würde ich mich ganz sicher nicht beklagen.

Irgendwann fiel das dem Kerkermeister auf oder die Geschichte machte aus anderen Gründen die Runde und die Leute fanden, daß die guten Christen ihrer eigenen Stadt die Heilungen eines Heiligen - für den sie mich unbedingt halten zu müssen meinten - sehr viel mehr verdient hätten als die Gefangenen im Kerker.

Sie holten mich also heraus und ketteten mich auf dem Marktplatz unter einer Treppe an. Ich bekam weiterhin Wasser und Brot, aber keine Decke, denn die hätte ich im Kerker ja auch nicht gehabt, wurde mir gesagt. Mein Hinweis, daß es im Kerker nicht friert und daß man dort notfalls auch ohne eine warme Decke zurechtkommen kann, interessierte keinen. Außerdem hatte es da weniogstens ein Strohlager gegeben, so daß ich nicht direkt auf den kalten Steinen hatte liegen müssen.

Außerdem mußten sie mich mit irgendjemandem verwechseln. Ich war ein Landsknecht, der sich gerne prügelte, öfter mal über den Durst trank und auch mit leichten Mädchen seine Freude gehabt hatte, kein Heiliger verdammt noch mal! - Das allerdings nahm mir leider keiner ab, deshalb fror ich weiterhin auf dem Marktplatz. Ich war auf Leute, die sich für gute Christen halten, die Bettelkinder auf der Straße verhungern lassen und ihre Heiligen auf dem Marktplatz anketten, nicht besonders gut zu sprechen.

Nichtsdestotrotz, wenn eine Mutter mit einem kranken Kind kam und mich anflehte, es zu heilen, dann konnte ich nicht anders, als ihm doch helfen zu wollen. Wenn sie mich bat, mit ihr zusammen ein Vaterunser zu beten, glaubte ich zwar nicht, daß das etwas bringen würde, versuchte ihr aber trotzdem den Gefallen zu tun - mit dem Ergebnis, daß ich die Worte des Gebets tatsächlich nach und nach lernte, obwohl ich sie auf diesem Marktplatz das erste mal wirklich richtig hörte.

Ich versuchte ein paar mal, die Leute um etwas zu Essen anzubetteln, mit dem einzigen Ergebnis, daß sie ihren Kindern erklärten, daß Heilige nichts zu Essen bräuchten, weil sie von der Liebe Gottes lebten. Ich dachte mir: "Aha, so ist dieses Märchen entstanden!", versuchte das als Beweis zu nutzen, damit die Leute endlich einsahen, daß ich nicht heilig bin und bekam zu hören, wenn ich noch mehr so einen Kram erzählen würde, könnte er mir gerne auch das Brot vom Speiseplan streichen. Ich schloß erschrocken den Mund.

Einmal kam ein Kind mit einem Brötchen in der Hand über den Marktplatz gepest und versteckte sich hinter mir. Als der Bäcker, dem es das geklaut hatte, bei mir aufkreuzte und fragte, ob ich ein Kind mit einem Brötchen gesehen hätte, verriet ich natürlich nichts. Sobald er weg war, ließ mich das magere Kind von seinem Brötchen probieren und ging dann weg. Ich beneidete es um seine Freiheit.

Kersti

Fortsetzung:
F661. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben

EGI. Kersti: Erinnerungen aus diesem Leben, aus früheren Leben und aus feinstofflichen Welten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
FI22. Kersti: Inhalt: Der an die Kette gelegte Heilige

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.
Werbung - auch in Form spiritueller Newsletter - ist nicht erwünscht und ich bin nicht damit einverstanden, daß diese Adresse für Werbezwecke gespeichert wird.