erste Version: 12/2017
letzte Bearbeitung: 12/2017
Vorgeschichte:
F960.
D
Ehon erzählt:
Geron brauchte zwei Tage länger als Khar, bis der Arzt mir erlaubte, mit ihm zu reden. Ich betrat also das Krankenzimmer und wurde von einem Jungen begrüßt, der mich mit einem Ausdruck großer Erleichterung beim Namen rief. Dann fragte er mich, wo er denn war und als ich ihm diese Frage beantwortet hatte, schlief er wieder ein.
Als ich ihn bei einer späteren Gelegenheit danach fragte, erklärte er mir, daß er sich zuerst nicht sicher gewesen sei, ob ihn vielleicht die Feinde gefangen hätten, weil er hier doch niemanden kannte. Er hätte sich dann aber gesagt, daß die Feinde die er erlebt hatte, ihn ganz bestimmt nicht so gut gepflegt hätten. Ich hätte mich treten können! Ich hatte nicht daran gedacht, daß er durchaus Grund zu solchen Ängsten gehabt hatte. Ich hätte mir vielleicht die Büroarbeit mit in das Krankenzimmer nehmen sollen, damit er Gelegenheit hat, mich zu sehen.
In den nächsten Tagen stellte er Fragen, die von Khar hätten kommen können. Die Gespräche umfaßten immer nur wenige Sätze, doch er wollte wissen, wie es jedem ging, den er kannte und ob für alle gesorgt war. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er bei dem ersten falschen Satz aufgesprungen wäre und versucht hätte, die Dinge selber zu erledigen, wie das Khar immer versuchte. Und nebenbei bemerkt, der Junge WAR genau diese Marke, schließlich war er doch in der Zeit, als er so totkrank war, mitten in der Nacht den steilen Felsabhang hinunter zum Gehöft seiner Mutter geritten. Ein andernmal hatte er in einem ebenso schlimmen Zustand ein stundenlanges Gespräch mit einem Spion geführt, von dem er sich weitere Informationen über den Anschlag auf ihn erhofft hatte. Daher war ich mir ziemlich sicher, daß die Strategie, die bei Khar funktkionierte, auch bei dem Kind funktionieren würde. Ich beantwortete seine Fragen so direkt wie möglich, aber ohne über genau das Gefragte hinauszugehen. Und ich achtete streng darauf, vor dem Betreten des Zimmers ausreichend zu meditieren, um ihm nicht ungewollt noch mehr Probleme zu präsentieren. Gedanken lesen konnte er schließlich auch.
Erst als ein bißchen Luft war, wenn er seine Fragen gestellt hatte, weil er inzwischen länger wach bleiben konnte, begann ich ihm zu erklären, daß wir ihn für tot erklären und dann für eine andere Person ausgeben wollten. Er hatte die Diskussion dazu offensichtlich im Blick behalten, denn jetzt als es konkret wurde, war er nicht überrascht, sondern fragte nur nach den genauen Einzelheiten. Ich war erleichtert, denn ich hatte es mir schwierig vorgestellt, ihm das nahezubringen.
Und dann bei einem der nächsten Gespräche erzählte er mir Dinge, die mir das kalte Grausen einflößten. Die Geschichte begann, als er anderthalb war und irgendein Krimineller das Kind abzustechen versuchte. Die Mutter hatte den Typ mit der Hacke, mit der sie gerade Gartenarbeit gemacht hattte, verjagt. Nach dieser Erfahrung nähte sie eine Scheide führ ihr längstes Küchenmesser in die Schürze ein, um immer eine Waffe griffbereit zu haben. Das Ehepaar hatte damals angenommen, daß die Kriminellen das Kind angegriffen hatten, weil sie zu feige waren, sich mit dem Vater anzulegen, der die örtliche Polizeiwache mit zwei Beamten leitete. Die Kriminellen ermordeten, als er zwei war den Vater und bei dessen Beerdigung versuchte erneut jemand das Kind zu töten. Diesmal wurde Geron ernsthaft verletzt und die Frau verjagte den Angreifer mit ihrem Küchenmesser, das sie diesmal unter dem Kleid versteckt hatte. Sie versteckte Geron in ihrem Kartoffelkeller und tat so, als wäre er an den Verletzungen gestorben. Das verschaffte dem Kind letztlich vier Jahre Ruhe, denn als sie ihren Sohn mit vier in die Schule schickte, gab sie ihn als sechsjähriges Flüchtlingskind aus - und der Lehrer vermutete, sie hätte sich im Alter geirrt - nur in die falsche Richtung. Obwohl er offensichtlich wie ein vierjähriger ausgesehen hatte und auch die passende Größe hatte, hielt ihn der Lehrer für sieben oder acht. Das wunderte mich nicht wirklich, denn trotz seiner geringen Größe wirkte Geron eher wie ein Jugendlicher in der Pubertät als wie der zehnjährige, als der er mir vorgestellt worden war - und er erschien mir definitiv nicht, als wäre er erst acht, das Alter, das er tatsächlich hatte. Offensichtlich war es mir gelungen, ihm ein bißchen Sicherheit zu vermitteln - und zwar in einem Ausmaß, das Igor nie geschafft hatte, obwohl er Jahre dafür Zeit gehabt hatte. Nicht daß der Junge den Mann nicht mochte, aber jemand der meine beste Freundin so sehr verdrängt, daß er nur mal kurz aus dem Zimmer gehen muß, um zu vergessen daß er ihr ein Gedeck mitbringen wollte - und das jedes mal wenn das Experiment durchgeführt wurde - dem hätte ich auch nicht zugetraut, daß er bessere Entscheidungen trifft als ich. Und ich war bei weitem nicht so intelligent und selbstbewußt gewesen wie dieser Junge.
Nachdem der Junge in die Schule der Ritter gekommen war, setzte eine ununterbrochene Reihe von Mordversuchen ein. Von den meisten hatte Igor nach Gerons Aussage nie etwas erfahren, da Geron nur dann etwas gemeldet hatte, wenn er so konkrete Hinweise hatte, daß die Ritter die Möchtegern-Täter auch finden konnten oder wenn er verletzt worden war und das erklären mußte. Den meisten Anschlägen wich er einerseits aus, indem er eine ständige magische Wache installierte und andererseits halfen ihm Hinweise durch besagten anonymen Spion. Dieser Spion hatte ihm aber auch klar gemacht, daß es unter den Rittern Verräter gab, die Interna des Ordens an die kriminelle Organisation verrieten, die Geron ermorden wollten.
Nachdem der Junge mir - in einer Art, wie das sonst nur Erwachsene tun - einige Tage lang diese Horrorstory aus einem schlechte Agentenroman erzählt hatte - so kam es mir jedenfalls vor, obwohl ich nun wirklich ein gefährliches Leben gelebt hatte und wußte, daß es hinter den Kulissen der Politik bei weitem nicht so zivilisiert zuging, wie man es in der Öffentlichkeit immer darstellt - kam von ihm die Forderung die Leute sollten ihn gefälligst normal finden. Da hakte es bei mir aus und ich begann haltlos zu lachen und konnte einfach nicht mehr damit aufhören. Es war zu absurd, daß der ungewöhnlichste Mensch, der mir in meinem ganzen Leben untergekommen war, das verlangte. Zumindest glaube ich daß Khar in dem Alter noch normaler wirkte, sicher bin ich mir nicht.
Auf mein Lachen reagierte er wie jedes Kind reagiert hätte, er versuchte mich nämlich zu hauen. Ich wußte, daß ich aufhören mußte zu lachen, weil das sehr verletzend war, trotzdem gelang es mir einfach nicht, mich wieder einzukriegen.
Damit hatte ich mich natürlich in die Situation gebracht, die ich unbedingt hatte vermeiden wollen, denn die einzige Möglichkeit, das wieder einzurenken, bestand darin, ihm zu erklären, daß ich mich durch die Situation auch überfordert fühlte und daß ich deshalb unvernünftig reagiere. Nun ja und dann fragte ich mich halt, ob er weiter brav im Bett bleiben und sich seiner Genesung widmen würde. Er war ja der Khar-Typ von Mensch, die in so einem Fall immer aufspringen und alles selbst in Ordnung zu bringen versuchen.
Fortsetzung:
F963.
D
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
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