erste Version: 1/2019
letzte Bearbeitung: 1/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1209.

Mirko war geschickt worden, weil er ein Fachmann für die Arbeit mit Besessenen war, den Khar selbst ausgebildet hatte. Daher die Vertrautheit

Vorgeschichte: F1186. Mirko: "Glaubt eigentlich jeder, mit dem Khar zu tun hatte, an Reinkarnation?" fragte mich Riko kläglich

Riko erzählt:
Von verschiedenen Organisationen, mit denen Tharons Standort Beziehungen gepflegt hatte, trudelten Anfragen ein, was denn passiert sei und ob Hilfe gebraucht würde. Khar beantwortete meines Wissens all diese Anfragen in dem Sinne, daß sie sehr mit sich selbst beschäftigt seien und sobald sie alles so weit geregelt hätten, die Freunde und Verbündeten offiziell über den Stand der Dinge informieren würden.

Daher wunderte mich, warum Tharos, eine Kutsche mit einer Person vorbeischickte, von der ich dachte, sie müßte doch eher eine Last sein, da der Mann seit einem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen war.

Noch mehr erstaunte mich, daß Khar sich genau über diese Person zu freuen schien, als wäre er ein alter Freund und sich von irgendwoher die Zeit zusammenkratzte, um den Rollstuhlfahrer persönlich zu begrüßen und eine längere Unterhaltung mit ihm zu führen. Sie schienen sich zu kennen, nur wußte ich nicht woher.

Da er offiziell als Verbindungsmann einer anderen Organisation geschickt worden war, mußte ich auch mit ihm reden und bat Khar deshalb, ihn zu unserem gemeinsamen Abendessen mitzubringen. Der Eindruck, daß die beiden sich kennen mußten, bestätigte sich sofort, denn sie gingen so vertraut miteinander um, als hätten sie jahrelang täglich zusammengearbeitet. Ich fragte also, ob sie sich kennen.
"Ja. Mirko war mal einige Jahre bei uns und ich war ihm einige Zeit als Assistent zugeteilt."
Ich rätselte, wann in Khars überfülltem Lebenslauf das noch Platz gehabt haben sollte. Der Junge war erst 16 und hatte die letzten fünf Jahre Aufgaben zugeteilt bekommen, mit denen selbst ein Erwachsener schon vom Arbeitsaufwand überfordert gewesen wäre. Ich weiß doch, daß wer immer bei einem der Besessenen als Wache eingeteilt ist, für den Rest des Tages für nichts mehr zu gebrauchen ist. Na ja - fast nichts. Sie erklären das damit, daß man im Feinstofflich den ganzen Tag an den Problemen arbeitet. Ich habe auch alle paar Tage mal eine solche Wache übernommen und war erstaunt, daß ich mich noch am nächsten Tag sehr angestrengt und abwesend fühlte.

Im Laufe des Gespräches stellte ich fest, daß Khar wohl die letzten Wochen weitaus überforderter gewesen sein mußte, als er gewirkt hatte. Einerseits ist das natürlich klar. Ein kompetenter Anführer läßt sich nie anmerken, daß er sich gerade völlig überfordert fühlt, denn wenn er zeigt, daß er nicht mehr ein noch aus weiß, geraten die Untergebenen in Panik und dann gleitet einem endgültig alles aus den Händen. Und daß Khar der geborene Anführer ist, hat er die letzten Wochen täglich gezeigt, daher mußte ihm diese simple Tatsache wohl bekannt sein und man konnte getrost davon ausgehen, daß er wußte, wie man Momente der Hilf- und Ratlosigkeit so überspielt, daß niemand in Panik gerät.

Andererseits hat aber auch jeder gute Anführer seine Leute, vor denen er die Maske fallen läßt und vermutlich hatte es Khar daran in der letzten Zeit gefehlt, schließlich war ich für ihn ein Fremder und seine erwachsenen Bezugspersonen waren zu krank oder weit weg, um diese Rolle noch spielen zu können. Allerdings verstand ich nicht wirklich, warum Mirko die Person war, bei der er das tat, denn der junge Mann schien nicht zu Khar zu passen. Er wirkte nicht besonders helle und war offensichtlich auch eher der Ansicht, Khar wäre ein Heiliger, als sich ihm gewachsen zu fühlen.

Jedenfalls brach Khar im Laufe des Gesprächs in Tränen aus und Mirko reagierte wie ein erfahrener Therapeut darauf, der genau weiß, wie solche emotionalen Reaktionen einzuschätzen sind und von Khar fordert, sich damit auseinanderzusetzen. Das war wohl zu viel, denn der Junge floh aus dem Raum. Mirko war immer noch nicht beunruhigt und sagte, daß er sich dann wohl selber mit seinen Gefühlen auseinandersetzen müsse.

Dann wurde mir plötzlich klar, was Mirko genau gefragt hatte, nämlich:
"Was meinst du - stammen diese Gefühle aus diesem oder einem früheren Leben?"
Mir kam eine Ahnung, warum Khar so vertraut mit ihm sein könnte, also fragte ich behutsam nach und er gab mir zu erkennen, daß er nicht nur an Reinkarnation glaubte sondern auch mit Besessenen gearbeitet hatte und selber in die Höllen geworfen worden war. Er hatte die Aufgabe gehabt, die Gefährten Jesu auszuspionieren, um sich dann von den Schwarzen Rittern als vorgeblicher Gefährte Jesu gefangennehmen zu lassen. Der Sinn dieser Aufgabe ist mir unklar, denn was erzählt man einem gefangenen Feind? Offensichtlich wußte aber Khar, wer Mirkos ursprünglicher Auftraggeber war und hatte im Gegensatz zu Mirko die Autorität zu entscheiden, ob ich das wissen durfte. Das hieß, daß auch diejenigen, die ihn als Spion zu den Schwarzen Rittern geschickt hatten, wahrscheinlich über die ganze magischer Krieg, Besessenheit, Dämonen, Himmel und Hölle Geschichte bescheid wußten!

Wie auch immer - Mirko war geschickt worden, weil er ein Fachmann für die Arbeit mit Besessenen war, den Khar selbst ausgebildet hatte. Daher die Vertrautheit. Wahrscheinlich war er Khars erster Schüler, zu dem Khar deshalb eine besonders enge Beziehung hat.

Ich kann nicht behaupten, daß ich darüber bescheid weiß, denn mein Fachgebiet ist eigentlich ein anderes, das mehr mit Engeln als Dämonen zu tun hat. Das liegt aber nicht daran, daß man es vor mir geheimhalten wollen, sondern daran, daß es sich bei dem, was Khar gelernt hat und unterrichtet um eine Ausbildung handelt, die viele Jahre - laut Khar selbst sogar viele Leben - des lernens erfordert, selbst wenn man so begabt ist wie Khar. Ich hatte zwar jedes mal, wenn ich mit Khars Leute zu tun hatte, neugierige Fragen gestellt und Antworten darauf bekommen, aber die Zeit, die ich Kontakt mit ihnen gehabt hatte, hatte einfach nicht gereicht, um viel von der ganzen Geschichte zu verstehen.

Kersti

Fortsetzung:
F1208. Khar: In der Nacht träumte ich, ich wäre der Papst