erste Version: 5/2019
letzte Bearbeitung: 5/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1301.

Warum Ehon nicht tot war, verstand ich nicht. Hatten seine Feinde nicht gewußt, wie man zielt?

Vorgeschichte: F1300. Khar: "Wir müssen sowieso mit dem Käfigwagen dorthin. Dann kann ich auch mit." argumentierte ich

Kalar, der Arzt des anderen Ordensstandortes erzählt:
Der Rittmeister hatte Ehon morgens bei dem geliehenen Pferd in der Box schlafend vorgefunden. Als er hereinkam gab Ehon nur ein seltsames Brummen von sich und sagte gar nichts, so daß der Rittmeister das erst einmal dem Führer des Standortes meldete.

Der ging zu dem Ritter hin, um ihn zu fragen, was los war, aber erhielt ebenfalls nur ein Brummen als Antwort, der Ritter schob aber seinen Ärmel hoch und zeigte eine ziemlich ernste Schußverletzung. Außerdem sah er daß seine Kleidung nicht nur schmutzig und zerrissen war, sondern daß zumindest ein Teil von dem Dreck offensichtlich getrocknetes Blut war. Also brachten sie ihn ins Krankenzimmer und riefen mich, damit ich mir das ansah. Ich hatte natürlich auch keine Ahnung, was ich mit jemandem machen sollte, der sich so komisch verhielt, sagte den anderen aber, sie sollten bitteschön Ehons Leute benachrichtigen, die waren doch für so etwas zuständig.

Dann wollte ich ihn untersuchen, nur hörte er nicht auf mich, als ich ihm sagte, er solle sich freimachen und mir seine Verletzung zeigen. Er sah mich nur fragend an und gab seltsame Geräusche von sich. Ich überlegte. Eigentlich machte mir das Angst, aber wenn er verletzt war, mußte er behandelt werden. Also begann ich zaghaft ihn auszuziehen, wie man kleine Kinder auszieht. Er machte weitere fragende Geräusche und ich redete ihm gut zu, wie man das vielleicht mit einem Hund gemacht hätte.

Dabei entdeckte ich, daß er nicht nur eine Kugel abbekommen hatte. Er war von mindestens zehn Schüssen getroffen worden. Warum er dann nicht tot war, verstand ich nicht. Hatten seine Feinde nicht gewußt, wie man zielt? Ich zog ihn vollständig aus, entfernte die Kugeln, wusch desinfizierte und verband seine Wunden und machte mir Sorgen, daß er vor Schmerzen um sich schlagen könnte. Das tat er aber nicht, sondern ließ sich alles brav gefallen.

Es blieb auch an den folgenden Tagen so, daß er mich gewähren ließ, wenn ich seine Wunden behandelte. Den Rest der Zeit geschahen aber so komische Sachen, daß ich am liebsten nie wieder ins Krankenzimmer gegangen wäre. Dinge flogen durch die Luft, seltsame Gerüche entstanden, unerklärliche Geräusche waren zu hören und menschlich sahen die Gesichtsausdrücke des Ritters wirklich nicht aus. Ich war überzeugt, daß er bessessen war.

Ich war also heilfroh, daß die anderen Ritter von Ehons Ritualkreis fast so schnell bei uns aufkreuzten, wie die Post ankam. Sie waren gerade einmal eine Stunde nach der per Eilpost versandten Ankündigung da, daß sie so schnell wie möglich kommen würden, um Ehon abzuholen.

Dann machten sie uns den durchaus berechtigten Vorwurf, was wir uns dabei gedacht hätten, nicht zu melden, daß Ehon verletzt war. Das hätten sie doch bei der Planung berücksichtigen müssen. Ich brachte den dümmsten Spruch, der mir hätte einfallen könnten, indem ich sagte, sie hätten ja nicht gewußt, was so ein Bessessener für Sachen macht. Wie dumm dieser Spruch war, machte mir die sarkastische Antwort des Jugendlichen Kirçi klar, der dabei war, um dem Erwachsenen zu helfen, völlig entspannt mit dem Besessenen umging und sich überhaupt nicht davon beeindrucken ließ, daß er ihn nicht hochheben mußte, sondern daß der Besessene von dem Bett auf die Behandlungsliege schwebte.

Daß sie unseren Ängsten nicht besonders viel Verständnis entgegenbrachten, lag eben nicht daran, daß sie sich diese Dinge nicht vorstellen konnten, sondern daran, daß sie sie gewöhnt waren und sich deshalb bei weitem nicht so dadurch beeindrucken ließen wie wir. Kanush, der Älteste von der Gruppe, der im Augenblick der Leiter des Standortes war, wies den Jugendlichen zurecht, daß er ja als er das erste mal echte Magie gesehen hätte auch ziemlich beeindruckt gewesen sei.
"Ja aber im Gegensatz zu den Engeln haben mir die Dämonen nie etwas getan und deshalb hatte ich auch nie Angst vor ihnen." widersprach Kirçi.
Ich sah ihn irritiert an.
"Sie müssen wissen, daß der Junge als kleines Kind unter dem Vorwand gefoltert wurde, das wäre christlich. Daher ist es kein Wunder, wenn er Dämonen mehr Vertrauen entgegenbringt als Engeln." erklärte Kanush.
"Wer macht den so etwas?" fragte ich entsetzt.
"Mehr Leute als sie denken." gab Kirçi zurück, obwohl Kanush ihm offensichtlich durch einen Wink das Reden verboten hatte. Er sah grade richtig rebellisch aus.

"Es ist nicht, daß das wirklich geheim wäre. Es ist eher so, daß wir über Dinge, die leicht mißverstanden werden, nicht reden, wenn wir uns an fünf Fingern abzählen können, daß wir nachher keine Zeit haben, sie vollständig zu erklären." erklärte Kanush.
"Da kann ich sie beruhigen. Ich werde nämlich mit meinem Patienten mitfahren, bis ich weiß, daß er sicher unter der Obhut eines Arztes ist." gab ich zurück.
Kanush behauptete das sei nicht nötig. Wenn sie das Verbandsmaterial und die Medikamente mitnehmen könnten, würde das reichen. Ich wunderte mich, warum ihnen das nicht recht zu sein schien, bestand aber trotzdem darauf, mitzukommen, bis sie nachgaben.

Wir fuhren den Verletzten mit einem unserer Wagen zum Bahnhof und brachten ihn dann in einen Eisenbahnwagen, der wie ein Gefängniswagen konstruiert, aber gemütlicher eingerichtet war.

Dort war Khar, von dem sie behauptet hatten, daß er ebenfalls besessen und deshalb in dem Gefängnisabteil war, aber das konnte nicht sein, denn er verhielt sich völlig normal und benahm sich so, daß ich ihm sofort glaubte, daß er ein voll ausgebildeter Arzt war. Er stellte Fragen zu jedem noch so kleinen Detail meiner Behandlung und machte so durchdachte Vorschläge zu möglichen alternativen Behandlungen - das geht nur mit abgeschlossenem Medizinstudium. Allerdings fragte ich mich, wie ein Arzt zu so furchtbaren Narben kommt, wie er im Gesicht hatte. Es wäre nur zu früh gewesen, ihn danach zu fragen.

Und abgesehen davon ließ ich mich trotzdem nicht zurückschicken. Zwar glaubte ich ihnen jetzt eigentlich, daß ich wirklich nicht gebraucht wurde, aber jetzt war ich neugierig geworden und wollte wissen, was es mit diesen Schwarzen Rittern auf sich hatte, die irgendeine geheime Fraktion unseres Ordens waren.

Khar sagte aus völlig unerfindlichen Gründen, er hätte mich geprüft, ich wäre begabt genug, um bei ihnen die Ausbildung zu machen. Mich irritierte das. Ich hatte überhaupt nichts gesagt, was man in die Richtung deuten könnte. Prüfte er jeden daraufhin?

Kersti

Fortsetzung:
F1302. Khar: Die anderen hatten dem Arzt zwar durchaus gesagt, daß ich ebenfalls besessen war, das schien er aber nicht zu glauben, als ich mich ihm gegenüber völlig normal verhielt