erste Version: 9/2019
letzte Bearbeitung: 9/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Das Leben des perfekten Kriegers

F1447.

Von dem Rest unserer Verbündeten war ich weder, was ihre Taktik anging, noch was die Ausbildung ihrer normalen Soldaten anging, besonders überzeugt

Vorgeschichte: F1524. Dira von Leuenhorst: Die Kapitäne interessierten sich nicht genug für die Schlacht, um zu merken, daß die Kriegssklaven den Plan geändert hatten. Sie schrieben den Erfolg ihrer eigenen Genialität zu.
F1445. Geson XZB12-56-78: "Meine Güte, er gibt sein Leben für seine Kameraden - wenn das nicht Liebe ist, was ist es denn sonst?"

Die Kapitänin Dira von Leuenhorst erzählt:
Als mir gemeldet wurde, daß die Sanitäter einige der Kriegssklaven noch lebend aufgefunden hatten, ließ ich den Befehl ausgeben, sie so zu behandeln wie unsere eigenen Leute. Etwas anderes erschien mir undenkbar, denn schließlich waren sie vorgeschickt worden und zum größten Teil gefallen, damit wir uns nicht an den schlimmsten Stellen der Schlacht in Gefahr begeben mußten.

Nach allem was ich gesehen hatte, waren sie eine sehr gute Elitetruppe, ohne die wir die Schlacht schlicht verloren hätten. Von dem Rest unserer Verbündeten war ich weder, was ihre Taktik anging, noch was die Ausbildung ihrer normalen Soldaten anging, besonders überzeugt. Sie waren zwar viele, aber machten das durch schlechte Ausbildung wieder wett. Meine Regierung hatte sich mit dem größeren Sternenreich, das diese Kriegssklaven züchtete, verbündet, weil wir dringend Verbündete brauchten. Aber was ich bisher von unseren neuen Verbündeten gesehen hatte - die Kriegssklaven selbst einmal ausgenommen - machte mich wirklich nicht glücklich.

Während wir das Schlachtfeld nach Verwundeten absuchten, waren die Schiffe, die die Kriegssklaven transportierten, schon weitergeschickt worden. Als ich nachfragte, erfuhr ich, daß sie an doppelt so vielen Schlachten teilnehmen mußten, wie ihre freien Kollegen. Natürlich nur die, die eine solche Schlacht überhaupt überlebten.

Daher übergaben wir die Verletzten der anderen Schiffe jeweils an das Schiff, zu dem sie gehörten. Die gefundenen Kriegssklaven behielten wir bei uns an Bord, um sie bei Gelegenheit heimzuschicken.

Das allererste, was ich über den Gruppenführer der Kriegssklaven erfuhr, war, daß er für seine Untergebenen ein sehr pflichtbewußter Vorgesetzter war. Er war kaum wieder bei Bewußtsein, da kümmerte er sich schon darum, daß es allen gut geht. Er nahm wahrscheinlich an, daß mir das nicht gemeldet würde, aber die Ärztin erzählte mir, daß das Gespräch mit mir für ihn danach erst an zweiter Stelle kam. Er hatte mir aber andererseits beinahe sofort einen Dank für die Rettung übermitteln lassen.

Ich war natürlich neugierig, wie diese gezüchteten Krieger eigentlich waren, denn man erfuhr in den Medien und in der Einführung in die Taktiken unserer Verbündeten sehr wenig darüber, wie sie lebten. Also ging ich, sobald die Ärztin mir meldete, daß er für eine Gespräch bereit sei, hinunter und hoffte, daß sich ein Gespräch entwickeln würde, bei dem es nicht nur um Formalitäten ginge.

Als ich hereinkam, war er noch mit dem Frühstück beschäftigt und ich fragte ihn aus Höflichkeit, wie es schmeckt.
"Es schmeckt sehr interessant." antwortete er.
Ich war irritiert, denn an dem Frühstück war wirklich nichts Außergewöhnliches. Er stocherte auch nur noch in dem Essen herum. Ich fragte, ob er satt wäre.
"Nein. Ich habe ein Problem, davon satt zu werden."
Ich sagte, daß er selbstverständlich Nachschub bekommen könnte, war aber irritiert, weil er fast nichts gegessen zu haben schien.
"Das Problem ist es schmeckt ZU interessant. Also es ist interessant, weil es meine Neugier befriedigt, was Freigeborene so essen und ich habe Spaß daran, alles zu probieren, aber es gelingt mir einfach nicht, davon genug herunterzuschlucken, daß ich nachher satt bin." fuhr er fort.
Ach. Andererseits wenn ihm dieses banale Frühstück zu "interessant" schmeckte, was sah er dann als normales Essen? Ich war ratlos. Glücklicherweise redete er, als ich nicht wußte, was ich dazu sagen sollte, einfach weiter, fragte nach Notrationen und erklärte, daß sie normalerweise nur Notrationen zu essen bekamen, weil das billiger war, als eine richtige Küche zu betreiben. Ich war schockiert. Dann fragte ich, ob ich ihn richtig verstanden hätte, daß er sehr gerne alles, was die Küche zu bieten hat, probieren möchte, aber zum sattessen Notrationen will und daß die anderen Kriegssklaven wahrscheinlich dasselbe wollen.
"Ja. Wir sind nämlich alle sehr neugierig, aber zum sattessen brauchen wir wirklich Notrationen." antwortete er und wirkte sehr erleichtert.
Ich gab eine entsprechende Anweisung an die Küche.

Als er sich noch einmal überschwenglich bedankte, daß wir ihn und seine Kameraden gerettet hatten, sagte ich abwehrend, daß das doch eine Selbstverständlichkeit sei, schließlich hätten sie an unserer Seite gekämpft.
"Daß sie das so sehen, ehrt sie und zeigt, daß sie ein guter Mensch sind. Aber wenn sie glauben, daß ihre Kollegen genauso denken, irren sie sich. Sie sind die erste Kapitänin eines anderen Schiffes, die jemals den Befehl gegeben hat, sich auch um unsere Verletzten zu kümmern. Wir tun unser Bestes, um alle unsere Leute wieder mit an Bord zu nehmen, aber darin werden wir weder von unseren freigeborenen Vorgesetzten noch von anderen Schiffen unterstützt." sagte er.
Das schlug mir auf den Magen. Ehrlich gesagt, war ich auch schockiert gewesen, wie wenig Sorgfalt meine Kollegen darauf verwendet hatten, ihre eigenen Verletzten zu finden und zu retten. Wir hatten ein größeres Gebiet abgesucht, als eigentlich unsere Aufgabe gewesen wäre, weil ich nicht riskieren wollte, daß sie möglicherweise einen meiner Leute übersehen, so schlampig, wie sie damit waren.

Ich fragte ihn, ob sonst alles in Ordnung wäre, oder ob es außer dem Essen noch andere Probleme gäbe.
"Man könnte sagen, ich habe mit allem hier dasselbe Problem wie mit dem essen. Es ist zu interessant. Als ich hier aufgewacht bin, habe ich mich gefragt, ob das hier der Himmel ist, obwohl ich überhaupt nicht an mythologische Orte glaube und das natürlich auch sofort wieder als unmöglich ausgeschlossen habe. Trotzdem hat es ein Weilchen gedauert, bis ich darauf gekommen bin, daß das wohl eine Art Krankenhaus ist. Dann habe ich nach meinem Tablet gesucht und es nicht gefunden."
"Lag das denn nicht im Nachtschrank?" fragte ich.
"Doch aber ich wußte nicht, was ein Nachtschrank ist und als mir die Krankenschwester das erklärt hat, fand ich es höchst verwirrend, als sie zwischen persönlicher Ausrüstung und persönlichen Gegenständen unterschieden hat, weil das einzige, wo wir etwas Privates drauf haben, unser Tablet ist und das auch nur, weil Speicherplatz so billig ist, daß niemand sich die Mühe machen würde, uns private Fotos zu verbieten." antwortete er.
Ich fand die Diskrepanz zwischen diesen intelligenten Analysen, die man vielleicht von einem Anthropologen erwarten würde und der Tatsache, daß es ihm offensichtlich an Bildung fehlte, irritierend. Dann befragte ich ihn, wie denn die Krankenhäuser, die er kannte, aussahen und erfuhr, daß sie zwar technisch sehr gut waren, aber daß alles fehlte, was das Leben für die Patienten etwas interessanter hätte machen können. Außerdem waren die Wände nackte Schotten und generell jedes Ausrüstungsstück nur auf Funktionalität ausgerichtet.
"Außerdem verstehe ich nicht, warum die Anzeigen der Lebenserhaltungssysteme nicht in meiner Sichtweite sind." sagte er.
Ich antwortete, daß er sich schon darauf verlassen könne, daß das Krankenhauspersonal sich gut um ihn kümmert.
"Ich will aber trotzdem mal schnell nachschauen können, ob alles in Ordnung ist. Bei uns sind die Anzeigen immer am Kopfende des Bettes und zu uns hingedreht."
Ich sah ihn sprachlos an, denn auf den Gedanken wäre ich nicht gekommen. Dann fragte ich ihn, ob er das denn überhaupt verstehen würde. Er holte sein Tablet, tippte ein paar Tastenkombinationen ein und zeigte mir dann die Anzeige.
"Das sind meine medizinischen Qualifikationen."
Ich sah, daß er nicht nur ein abgeschlossenes Medizinstudium hatte, sondern auch noch mehrere Facharztqualifikationen, für die er mir deutlich zu jung erschien. Ich hätte das natürlich bezweifelt, wenn er es mir einfach gesagt hätte, doch das war die Liste der medizinischen Qualifikationen aus seiner Personalakte. Außerdem wüßte ich nicht, warum er mich belügen sollte. Schließlich wäre es mir schon viel vorgekommen, wenn er die Qualifikation einer Krankenschwester zusätzlich zu seiner militärischen Ausbildung gehabt hätte.

Ich sagte, daß mir aufgefallen sei, daß die Einheit der Kriegssklaven eine weitaus bessere taktische Führung gehabt hätte als die anderen Einheiten.
"Das ist erst so, seit einige der Zugführer zu uns Zuchtmenschen gehören. Die haben uns die Schlachtpläne besorgt und wir haben sie so lange überarbeitet, bis wir alle damit zufrieden waren. Der Kapitän hat das zwar bemerkt, aber der war ganz in Ordnung und hat uns von da ab die Schlachtpläne selber gegeben." antwortete er.
Ich befragte ihn dazu im Einzelnen und erfuhr, daß nicht etwa die Unteroffiziere allein das gemacht hatten, sondern daß sich jeder einzelne einfache Soldat daran beteiligt hätte und daß sie alle den vollständigen Schlachtplan auswendig im Kopf gehabt hätten. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. So etwas hatte ich noch nie gehört!
"Haben sie denn überhaupt genug theoretisches Wissen, um das zu können?"
"Bevor wir das erste mal eingesetzt werden, haben wir 20 Jahre Ausbildung in dem Bereich. Selbstverständlich haben wir das." antwortete er.
Ich sagte ihm, daß er doch selbst erst zwanzig Jahre alt wäre.
"Schon. Aber selbst das Spielzeug im Kindergarten ist so ausgewählt, daß man damit lernt, wie man Kriege führt. Der gesamte Schulstoff hat nur damit zu tun. Was für diesen Zweck nicht nützlich ist, lernen wir nicht." antwortete er.
Das erklärte dann natürlich seine Ahnungslosigkeit in Alltagsdingen, die jeder normale Mensch weiß. Es erklärte aber nicht, warum sie taktisch so gut waren, wie das, was ich gesehen hatte und das sagte ich auch.
"Wir sind ja auch intelligenter als freigeborene Menschen. Wenn man Menschen züchtet, die besonders gut darin sind, Schlachten zu überleben, dann züchtet man auch auf Intelligenz." sagte er.

Danach verabschiedete ich mich ziemlich schnell, denn ich merkte, daß ich das erst mal verdauen mußte.

Kersti

Fortsetzung:
F1446. Geson XZB12-56-78: Die Leute hier waren wie Zuchtmenschen, beispielsweise regte sich die Kapitänin auf, als sich niemand darum kümmern wollte, wie wir nach Hause kommen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben