F1632.

Ich las meine Versetzung und fragte mich, warum ich eigentlich immer Tharr vor die Nase gesetzt bekam

Vorgeschichte: F1683. Diro von Karst: Ich fragte mich allerdings, warum niemand merkte, daß Tharr gerade dabei war, sich sein eigenes Reich aufzubauen
F1631. Tiro vom hohen Licht: Tharr wirkte verbittert, stachelig und arrogant

Diro von Karst erzählt:
Ich las meine Versetzung und fragte mich, warum ich eigentlich immer Tharr vor die Nase gesetzt bekam. Er war schon auf dem ersten Schiff, auf dem ich Dienst getan hatte ein Vorgesetzter gewesen. Damals war Prinz Turin noch ein Kind gewesen und sein älterer Bruder derjenige, an den ich mich gehängt hatte, um möglichst regelmäßig in den Palast eingeladen zu werden. Später als ich auf die Thorion geschickt wurde, hatte ich mich längst an Turin gehängt, weil sein älterer Bruder einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war, vor dem ich ihn tatsächlich zu warnen versucht hatte, weil ich den Prinz doch für meine Zwecke brauchte.

Heute denke ich mir, daß der Kapitän Tharr bevördert hatte, weil er immer einen Anteil fleißiger Offiziere brauchte, damit die Arbeit auf dem Schiff erledigt wird. Damals sah ich nur, daß er den Posten hatte, den ich hatte haben wollen. Daß ich weder meine eigene Arbeit tat, noch meine Untergebenen wirklich zur Arbeit anhielt, war mir nicht einmal bewußt gewesen, obwohl das offensichtlich hätte sein sollen. Mir war auch nicht klar gewesen, daß die drei, die ich als Note bekommen hatte, eigentlich in der verschlüsselten Sprache der Bewertungen eine sechs, also die schlechtest mögliche Note gewesen war, weil Adelige immer nur mit den Noten eins bis drei benotet wurden, während jeder Andere für dieselben Leistungen mit den Noten eins bis sechs bewertet wurde.

Mir war auch nicht bewußt gewesen, daß Angst und Respekt nicht dasselbe sind. Daher war mir Tharrs Spruch:
"Nein, Diro, du respektierst mich nicht. Du hat nur Angst vor mir, weil du bemerkt hast, daß auch ich sehr gefährlich sein kann. Die Kriegssklaven respektieren mich, weil ich für Recht und Ordnung sorge." nicht verstanden.
Erst Jahre später, als ich der Thorion schon glücklich entronnen war, dämmerte mir, daß er die Kriegssklaven nicht bedroht hatte und auch nie auf den Gedanken gekommen wäre, das zu versuchen. Ich hatte jahrelang darüber gegrübelt, warum mir Sklaven, wenn ich sie seltener bestrafe, besser gehorchen und ich war einfach nicht drauf gekommen. Dann irgendwann stellte ich fest, daß ich vor meinem Kapitän Serit aus dem Tor nicht nur Angst hatte wie früher, sondern daß ich ihn auch mochte und mich über ein Lob freute. Das fand ich sehr verwirrend, denn früher war ich nie gelobt worden und wäre auch nicht auf den Gedanken gekommen, daß ich so etwas wollen könnte. Und dann fiel mir Tharrs Spruch wieder ein und plötzlich war mir klar, was er mir damit hatte sagen wollen. Die Kriegssklaven mochten Tharr und wollten von ihm gelobt werden.

Warum Tharr vom Licht noch lebte, war mir unverständlich, denn so weit ich wußte, hatte es mehr Mordanschläge auf ihn gegeben als auf die legitimen Prinzen. Er mit seinen überragenden Fähigkeiten hatte so viel Neid auf sich gezogen, daß immer jemand meinte, er müsse ihn aus dem Weg räumen, um seinen Posten zu bekommen. Illegitime Königssöhne zu beseitigen stand schließlich nicht unter Strafe. Offensichtlich hatte er aber auch überragende Fähigkeiten im Mordanschläge überleben, die Schuldigen ausfindig machen und sie - wie ich aus eigener Erfahrung wußte - auch noch so einzuschüchtern, daß sie es nicht wieder versuchten.

Tharr vom Licht war der erste Mensch, vor dem ich mehr Angst gehabt hatte, als vor meinem Vater und ich fürchte ihn immer noch. Ich wollte ihm nicht wiederbegegnen. Trotzdem hatte man mich genau zu ihm zitiert und er war schon wieder auf einen Posten bevördert worden, den man in dem Alter eigentlich nicht hat, nicht einmal wenn man dem Hochandel angehört und sehr gut an der Universität war.

Tharr hat als allererstes ewig lange mit mir geredet und dabei Fragen gestellt, bei denen ich überhaupt nicht wußte, worauf er hinauswollte. Am Ende sagte er, ich hätte mich ja offensichtlich gebessert und wenn ich mich so weiterentwickeln würde, wäre er zufrieden. Das fand ich besonders unverständlich, weil ich auf alles, was ich sagte, zu hören bekam das wäre zwar besser als das, was ich bei früheren Gelegenheiten so von mir gegeben hätte, aber immer noch nicht so ganz das, was ich verstehen müßte. Am Ende war ich von dem Gespräch nur verwirrt und das behagte mir gar nicht, weil ich Angst hatte, daß etwas richtig Schlimmes passiert, wenn es mir nicht gelingt, ihn zufriedenzustellen.

Kersti

Fortsetzung:
F1633. Tharr vom Licht: Diro schien mich sogar zufriedenstellen zu wollen, wenn auch hauptsächlich, weil ich ihm einmal sehr viel Angst eingejagt habe

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben