erste Version: 7/2020
letzte Bearbeitung: 7/2020

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1651.

Dann stellte ich fest, daß die Wache am Dämonenkäfig offensichtlich kein erfahrener Mann war

Vorgeschichte: F1652. Kalar: Plötzlich wirkte Ehon nicht mehr wie ein Tier sondern wie irgendetwas ganz Unmenschliches, das mich in einer Sprache wie aus den tiefsten Tiefen der Hölle ansprach

Ehon erzählt:
Ich hatte schlecht geträumt, von Höllen und schwer verletzten Dämonen, die von Engeln an die Wand einer Höhle genagelt worden waren und dann war Khar gekommen und hatte mich losgemacht. Ich erwachte in einem unbekannten Bett und fragte mich, wie ich hierhergekommen war. Ich hörte daß jemand Unbekanntes im Raum war, der offensichtlich schrieb oder so, jedenfalls hörte es sich nach Schreibmaschine an, dann schielte ich durch fast geschlossene Augenlider heraus - und erkannte den Raum. Es war unser Dämonenkäfig, in dem ich so oft bei Khar Wache gehalten hatte.

Ich fragte mich schockiert, wie ich denn hierher gekommen war, aber meine Erinnerungen waren da nicht sehr erhellend. In einem ereignislosen Ritt hatte ich Dirk zur sibirischen Eisenbahn in Rußland gebracht und war wieder zum Rückweg über die Grenze aufgebrochen. Dann begegneten mir zwei Reiter und die Erinnerungen brechen abrupt ab. Die Reiter hatten irgendetwas Komisches gemacht, das ich nicht ganz einordnen konnte.

Ich kannte den Schreiber nicht, aber er hatte wohl Wache, denn er verhielt sich ganz so wie wir das immer machten, also konnte ich ihn ja fragen. Ich setzte mich also auf und sprach den Unbekannten an, erkundigte mich nach Datum Uhrzeit und wie ich hierher gelangt war. Dann stellte ich fest, daß er offensichtlich kein erfahrener Mann war. Meine Fragen brachten ihn völlig aus der Fassung und er begann zu stammeln.

Ich stand auf, zog mich an - schließlich war klar daß meine Kleidung im Schrank lag - und fragte ihn danach noch einmal, ob er jetzt ansprechbar wäre, was nicht zu einer Verbesserung der Lage führte. Ich setzte mich also hin, erklärte ihm in Ruhe, an was ich mich zuletzt erinnern konnte und daß ich jetzt seine Hilfe bräuchte, um mich wieder zu orientieren. Dann wiederholte ich meine Fragen ein drittes mal. Jetzt endlich nannte er mir das Datum und erklärte, daß es bei der nächsten Wache Mittagessen geben würde.

Ich sagte ihm, daß ich ihn noch nicht kannte und fragte daher, wer er war. Und als er darauf komisch reagierte fragte ich, ob ich ihn jetzt großer Unbekannter nennen sollte, weil der Name geheim ist. Er lachte daraufhin und nannte endlich seinen Namen. - Meine Güte war das hölzern! Immerhin stellte er sich jetzt als Kalar vor.

Ich erklärte ihm, daß ich dann ja gut anderthalb Jahre nichts von der Welt mitbekommen hätte, gerne wissen würde, was inzwischen im Orden so alles geschehen ist und bat ihn, mir das zu erzählen. Auch hier mußte ich in die Einzelheiten gehend nachfragen, um zu erfahren, was los war und kam deshalb auch nicht weit, ehe die nächste Wache mit dem Mittagessen den Raum betrat.

Glücklichweise war das Mirko und der auch noch zusammen mit Khar. Die beiden brauchte ich nicht einmal anzusprechen, damit sie mich sofort begeistert begrüßten. Kalar sah sie erstaunt an und fragte sie, woher sie wußten, daß ich da bin. Sie erklärten ihm, daß sie hellsichtig sind und deshalb bescheid wissen. Auch weniger hellsichtige Leute würden nach und nach lernen zu erkennen, wer im Körper ist, aber wenn man sehr hellsichtig ist, ist es einfacher.

Kalar wollte sich sofort erleichtert auf die Position des Beobachters zurückziehen, der zusieht, wie erfahrenere Leute das Problem lösen. Das ließen die beiden ihm aber nicht durchgehen, denn er war der Arzt des Ordenshauses gewesen, wo wir die Pferde für den Ritt über die Grenze geliehen hatten und konnte mir daher die meisten Details aus dem Beginn meiner anderthalbjährigen Gedächtnislücke liefern, die überhaupt bekannt waren. Das hatte ich nicht gewußt, sonst hätte ich ihn selbst danach ausgefragt.

Es war Kalar anzusehen, daß er sich überfordert fühlte, als er begann zu erzählen, wie ihm gesagt worden war, daß ich nach dem Ritt verletzt in der Pferdebox aufgefunden war. Das war aber sicherlich logisch, denn das Pferd war ja von dem, der da im Körper war, als jemand erkannt worden, der mich unterstützt und wenn es in einer Situation, die es verunsichert zu seinem eigenen Stall zurückkehrt, den es für einen sicheren Ort hält, dann würde der Dämon im Körper sich nach dieser Einschätzung richten, weil er keine bessere hat.

Der Dämon hatte sich offensichtlich auch nach der Einschätzung des Pferdes gerichtet, als dieses die Menschen, die sich um es kümmerten, als vertraut und freundlich begrüßte und war mit dem Arzt mitgegangen, als dieser ihn ins Krankenzimmer brachte. Er hatte auch die ärztliche Behandlung als das erkannt, was sie war, was wohl hieß, daß er einer sozialen Art angehört hatte, die Fürsorge für und Behandlung von Kranken kannte.

Ich erklärte Kalar, daß er das sehr gut gemacht hatte, indem er dem Dämon im Körper gut zugeredet hatte, weil soziale Arten wie Wölfe daran erkennen, daß es sich um eine Krankenbehandlung handelt, da sie so etwas ja auch machen, indem sie die Wunden von Rudelgefährten sauber lecken. Bei weniger sozialen Arten kann es aber trotzdem passieren, daß sie in Panik geraten, weil sie die Situation zu wenig verstehen.

Kalar warf mir einen sehr merkwürdigen Blick zu. Ihn verwirrte offensichtlich, daß ich einerseits als Lehrer auftrat, andererseits aber seine Betreuung brauchte, weil man sich nicht sicher sein kann, wann ich wieder weg bin und stattdessen der nächste desorientierte Dämon versucht, die Anforderungen eines menschlichen Erdenlebens zu bewältigen.

Ich erklärte ihm, daß er ja noch sehr unerfahren wäre, ich aber schon diverse Menschen im Dämonenkäfig betreut hatte und auch diverse Schüler ausgebildet hatte, daher könne ich ihm durchaus einiges erklären, wenn ich anwesend bin. Außerdem erklärte ich ihm, daß ich ja durch einen Exorzismus in die Höllen geworfen worden war und die auf diese Weise neu gefundenen Höllen aufgeräumt werden mußten. Ich würde deshalb oft für Notfälle in die Höllen gerufen werden und könnte mich noch nicht darauf verlassen, daß immer jemand im Körper ist, der sich auf der Erde auskennt. Ich hätte dazu sozusagen zu wenig erfahrenes Personal und würde im Feinstofflichen genauso mit viel zu knappen Recourrcen jonglieren wie wir das irdisch gerade auch machen. Etwas anderes konnte es nicht sein, auch wenn das das erste mal war, daß ich diese Erfahrung gemacht hatte und es deshalb nicht sofort richtig eingeordnet hatte.

Khar wies mich darauf hin, daß Kiro, mein Schutztier, zu der Zeit im Körper gewesen war, so daß ich ihn nach einer Erinnerungskopie fragen konnte. Darum würde ich mich aber kümmern, wenn ich mehr Ruhe für eine solche Arbeit hatte. Jetzt besprach ich mit Khar und Mirko, wie ich mich in Ordensangelegenheiten auf den neuesten Stand bringe, damit ich sobald ich den Dämonenkäfig verlassen kann - meinem Gefühl nach würde das in ein paar Wochen sein - voll mitarbeiten kann. Im Augenblick ging ich noch davon aus, daß ich zu oft in den Höllen, die ich gefunden hatte, gebraucht würde, daß das sicher wäre.

Kersti

Fortsetzung:
F1653. Kalar: Nach gut anderthalb Jahren, in denen er auf mich nie wirklich menschlich gewirkt hatte und nie gesprochen hatte, fragte mich Ehon plötzlich nach Datum und Uhrzeit