erste Version: 7/2020
letzte Bearbeitung: 7/2020

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1652.

Plötzlich wirkte Ehon nicht mehr wie ein Tier sondern wie irgendetwas ganz Unmenschliches, das mich in einer Sprache wie aus den tiefsten Tiefen der Hölle ansprach

Vorgeschichte: F1338. Khar: Dann fiel mir wieder ein, daß es ja noch einen Ritterorden und eine Schule gab, um die ich mich hätte kümmern sollen

Kalar erzählt:
Ehon kannte ich bisher nur als ein gruseliges Wesen, das zwar einen menschlichen Körper hatte, sich aber wie ein Tier verhielt. Nachdem ich nicht mehr als Arzt allein dafür verantwortlich war, mich um dieses Wesen zu kümmern und zudem auch noch ein Gitter da war, was mich davor schützte, irgendwie bedroht zu werden, entwickelte ich eine gewisse Routine darin, ruhig und freundlich mit diesem Tier in Menschengestalt umzugehen, während ich meine sonstigen Arbeiten erledigte.

Und dann plötzlich wirkte er nicht mehr wie ein Tier sondern wie irgendetwas ganz Unmenschliches, das mich in einer Sprache wie aus den tiefsten Tiefen der Hölle ansprach. Während das zuerst noch ruhig geschah, wirkte er zunehmend frustriert und auch wütend als ich ihn nicht verstand und außerdem leuchteten die Augen wie rotes Feuer, das habe ich ganz genau gesehen! Ich bekam es mit der Angst, zog an der Klingelschnur, doch wer da hereinkam, um nach dem Rechten zu sehen war nicht Danja, die im Vorraum Wache hatte, sondern Khar. Khar schien die unbekannte Höllensprache auch zu sprechen, führte eine regelrechte Unterhaltung mit dem Wesen, die es besänftigte und zufriedenzustellen schien, sagte zu mir, daß ich jetzt wieder allein zurechtkommen können würde und war so schnell und unerwartet verschwunden, wie er aufgetaucht war.

Ich sah ihm schockiert und völlig aus dem Gleichgewicht gebracht nach, während er völlig ruhig und gelassen wirkte. Nur geht man so nicht mit unerfahrenen Leuten um. Jeder erfahrene Lehrer hätte sich mit so unerfahrenen Leuten wie mir zumindest etwas Zeit genommen, um mich wieder zu beruhigen und mir die Situation anständig zu erklären. Wenn sich Khar so verhielt, wurde er an anderer Stelle auch noch gebraucht.

Die anderen hatten gesagt, daß sie zu wenige Leute hatten und ich hatte angenommen, daß das ein Personalmangel sei, bei dem man sich einfach überarbeitet fühlt, nichts gravierendes, denn alle wirkten ruhig und gelassen. Nach dieser Situation kamen mir Zweifel und ich forschte nach. Ich kann nicht behaupten, daß ich weiß, wie man ein Kapitel leitet, aber früher als stellvertretender Oberarzt meine Kapitels hatte ich schon gelegentlich an Kapitelversammlungen teilgenommen und deshalb eine grobe Ahnung. Es hatte Zeiten gegeben, in denen wir mehr zu tun hatten, als leicht zu erledigen war, weil es Flüchtlinge gegeben hatte, die irgendwie versorgt werden mußten, weil die Bauern auf unserem Land eine schlechte Ernte hatten und man irgendwie organisieren mußte, daß sie zumindest nicht verhungern. Es hatte Zeiten gegeben, in denen viele Menschen krank geworden waren und wo wir auf den Feldern geholfen haben, statt die Dienszeiten der Bauern einzufordern, damit jeder Hof seine Ernte einbringen kann und im Winter niemand verhungert. Ich wußte also, was die verschiedenen Grade der Überforderung eines Ordens sind.

Einmal gibt es die Phasen, wo man einfach Fortbildungen und Freizeitbeschäftigungen kürzt, damit alle notwendige Arbeit erledigt werden kann, aber man trotz Überstunden durchaus noch genug Ruhe und Erholung findet, um nicht wirklich überfordert zu sein. Das gefällt den Betroffenen natürlich nicht, ist aber für niemanden wirklich ein Problem.

Es gibt auch die Phasen, wo man alles nicht wirklich Notwendige wegstreicht, die Kinder, wo immer möglich mit zur Arbeit heranzieht, um das Lebensnotwendige erledigt zu bekommen, aber immer noch alles geregelt bekommt.

Und dann gibt es Phasen, in denen man fürchtet, lebensgefährliche Fehler zu machen, entweder weil es an voll ausgebildeten Fachleuten so fehlt, daß man nicht überall, wo es nötig wäre, eine Person hinschicken kann, die die Arbeit ausreichend überwachen kann, oder weil die Fachleute zu übermüdet sind, um alles richtig machen zu können.

Da Khar und Mirko darauf bestanden, daß ich regelmäßige Kontemplationen einzuhalten hatte, es eine durchgehende Gebetswache gab, jeder wöchendlich mit Khar, Mirko und Kanush einmal sprechen mußte und jeder zu lernen und Hausaufgaben zu machen hatte, hatte ich angenommen, daß die Probleme nicht im lebensgefährlichen Bereich liegen.

Meine jetzt intensiven Nachfragen bei den dreien ergaben ein anderes Bild, eines, wo es mir heiß und kalt den Rücken herunterlief.

Mirko erklärte mir, daß man eigentlich zwölf Leute auf dem Ausbildungsstand braucht, den Ehon, Kanush, Khar und Mirko haben, um jemanden in dem Zustand, den Ehon jetzt hat, richtig zu betreuen. Ebenso viele Leute mit demselben Ausbildungsstand, aber mit der Begabung wie sie Khar, Danja oder Kirçi haben, setzt man in dem Bedrohungszustand ein, dem ein Ordenshaus ihrer Klasse normalerweise durch Feinde ausgesetzt ist, um eine magische Wache zu halten. Ich wüßte ja, wie viele Leute dieser Klasse jetzt voll ausgebildet wären, nämlich nur Khar. Die Nachfolgegeneration - er zählte etwa 50 Jugendliche auf, zu denen Danja und Kirçi zählten - wäre etwa auf halber Strecke in ihrer Ausbildung und es gäbe eine ebenso große Anfängerklasse, die weitgehend aus Kindern bestand, wobei Mirko froh war, daß ich erwachsen war, weil ich dadurch eben auf manche Dinge wie ein Erwachsener reagierte und nicht so viel Fürsorge und Geborgenheit brauchte, um keinen Schaden zu nehmen, wie Kinder.

Dann setzte er mir auseinander, was aus den vorhergehenden Ausbildungsklassen geworden war, so weit er sie bisher überblicken konnte. Die beruhigende Nachricht war, daß die Hälfte der Generation, zu der Khar gehörte, nur bis nach Japan geflohen waren, um dort ein neues Ordenshaus zu gründen. Die andere Hälfte war schlimmer dran gewesen und bei einem kombiniert magischen und irdischem Angriff umgekommen, als sie noch Jugendliche waren. Bei demselben Angriff war auch fast der gesamte der Rest der vorhergehenden Generation umgekommen, so daß Khar, als er noch längst nicht ausgewachsen war, die Führung seines Kapitels übernommen hatte. Von der Generation vor Khar hatte es zu der Zeit vor diesem Angriff auch nur Reste gegeben, denn viele waren bereits als Kinder auf der Flucht vor der russischen Revolution gestorben. In der Zeit danach gab es weitere Verluste in diversen kleineren Angriffen auf den Orden und seine Mitglieder.

Mirko und Khar konnten persönliche Erfahrungen von Folter, Hölle und Verletzungen aus diesem Leben erzählen, die andere in der Menge in zehn oder hundert Leben nicht erleben. Aber wirklich beeindruckend ist, daß sie über all die furchtbaren Dinge, die sie erlebt haben reden können, wie andere Leute übers Frühstück.

Was mir Mirko mit diesen Ausführungen erklärte, war daß sie viel zu wenige voll ausgebildetete Leute hatten, um die Dinge so zu organisieren, daß man sich sicher sein kann, daß nichts gefährlich schief läuft. Das was ich als Gebetswache verstanden hatte, war keine Übung zur spirituellen Weiterentwicklung und Schulung, wie ich dachte, sondern es diente dazu sicherzustellen, daß nicht alle Leute an diesem Ordensstandort bei nächster Gelegeneheit in die nächste Hölle geworfen werden. Und sie hatten schon erlebt, wie es ist, wenn so etwas fast gelingt. Das war das Ereignis, als Khar zum Ordensführer wurde.

Normalerweise hätte ich zusammen mit einem voll ausgebildeten schwarzen Ritter Wache gesessen, damit ich von ihm lernen kann, wie man die verschiedenen Probleme handhabt. Stattdessen tat ich das völlig alleine und ein mit Dämonen und Menschen erfahrener Dämon, ein unverkörperter Geist, behielt mich im Blick und rief im Notfall Hilfe herbei.

Khar war durch diesen wachhabenden Dämon gerufen worden, als ich in der Höllensprache angesprochen wurde, weil der wachhabende Dämon gewußt hatte, daß ich nicht in der Lage war, das Problem mit dem Höllendämon zu lösen. Khar hatte aber eigentlich magische Wache gehabt und für mich überhaupt nicht den Kopf frei.

Zwei Wochen später erfuhr ich, daß Khar fast das ganze halbe Jahr, wo ich bis jetzt hier bin, gar nicht mitbekommen hat. Als ich fragte, was das heißt, meinte er, daß wohl irgendwelche anderen Anteile seiner Gruppenseele seine Aufgaben im Tageslauf übernommen hatten, weil er zu viele andere spirituelle Probleme zu bearbeiten gehabt hätte. Er erklärte, daß das mit einer Einweihung zu tun hätte, wo er mit einem höheren Anteil seiner Herkunfstsseele Verbindung aufgenommen hatte, um überhaupt die magische Macht zu haben, die nötig war, um die Ordensmitglieder zu schützen.

Kersti

Fortsetzung:
F1651. Ehon: Dann stellte ich fest, daß die Wache am Dämonenkäfig offensichtlich kein erfahrener Mann war