erste Version: 3/2020
letzte Bearbeitung: 3/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Königssohn und Fürstensohn

F1684.

Kaum waren Tharr und mein Prinz weg, erfuhr ich, daß ich noch mehr versagt hatte, als ich gedacht hätte

Vorgeschichte: F1649. Tharr vom Licht: Es ist jemandem gelungen, eine Sprengladung unterzubringen, nach der von dem großen Festsaal nur noch Trümmer übrig waren

Diro vom Karst erzählt:
Kaum waren Tharr und mein Prinz weg, erfuhr ich, daß ich noch mehr versagt hatte, als ich gedacht hätte. Selis bestellte mich in Sims Büro, aber dort lag nur Sims Leiche. Dann sagte er, daß er nichts angefaßt hätte, aber vor Sim läge ein Schreiben mit Beweisen, daß mein Vater den Mordanschlag durchgeführt hatte. Er gab diese kurz wieder, ich hatte das Gefühl, mir hätte jemand in den Magen geboxt und ich sagte als allererstes:
"Den bringe ich um."
Ich rief Geron und befahl ihm, zu organisieren, was nötig ist, damit ich zu meinem Vater nach Hause reisen und das erledigen kann.

Mein Vater hatte vor dem Fest irgendetwas von mir gewollt, aber ich hatte nicht mit ihm reden wollen, weil er zu einer Vergangenheit gehörte, mit der ich nichts mehr zu tun haben wollte. Jetzt wußte ich, daß das mein gravierender Fehler gewesen war. Denn wenn ich mit meinem Vater geredet hätte, wäre mir vielleicht klar geworden, daß da etwas im Gange war. Das sagte ich dann auch alles und daß ich glaube, daß Sim sich umgebracht hatte, weil er dachte, ich wäre an dem Anschlag beteiligt gewesen und daß Selis das sicher auch geglaubt hätte.
"Ja, das habe ich gedacht." antwortete er, hielt mich aber nicht auf, als ich aufbrach, um die Dinge zu erledigen.

Ich brauchte nicht mehr als zehn Minuten damit alles geklärt war und nach einer Stunde, hatte ich ein paar Vorstellungsgespräche verabredet und war auf dem Weg zum Raumhafen. Dort brauchte ich länger, denn es hätte nicht zu meinem Plan gepaßt, wenn ich hastig oder unangemessen eifrig gewirkt hätte, da ich auf einem unbedeutenden Handelsschiff als Teil der Mannschaft reisen wollte. Ich brauchte drei Bewerbungen, bis ich etwas geeignetes gefunden hatte.

Sie hatten gesagt, sie bräuchten jemand, der sich um die Technik kümmert und ich hatte gesagt, daß ich das alles beherrschen würde. Ich tat das, was ich als erstes von Tharr gelernt hatte: Ich prüfte zuerst einmal das Lebenshaltungssystem durch und bekam einen Schlag. Da war wirklich nichts richtig in Ordnung. Die beiden Haupt-Reduktionsanlagen, die das Kohlendioxid zu Sauerstoff und Kohle umwandeln sollten, funktionierten zwar einigermaßen, aber eben gerade so noch im ausreichenden Level. Die Ersatzanlage gab überhaupt keine Antwort auf die elektronische Abfrage, so daß ich schnell hinlief und prüfte ob das nur ein elektronischer Fehler oder ein echtes Problem war. Es war ein echtes Problem, die Sorte, die man nicht repariert bekommt, weil man nun mal das Ersatzteil braucht, um es zu reparieren.

Ich ging zum Kapitän, meldete das Problem und er sah mich an, als hätte ich das Schiff persönlich kaputt gemacht. Ich erklärte ihm, daß er machen könne, was er wolle, aber in einem Schiff, wo bestimmte Ersatzteile, die im Zweifelsfall lebensnotwendig sind, nicht in funktionsfähiger Form im Schiff vorhanden sind, würde ich nicht mitfliegen. Er solle also gefälligst das Geld lockermachen, damit ich bestimmte Teile, die ich genau benannte, kaufen kann, dann würde ich das Ding in Ordnung bringen.

Der Kapitän sah das Problem nicht ein, sondern sagte nur, wir Techniker wären alle so extrem. Ich mußte an Tharrs Spruch denken, daß ich geglaubt hätte, Sternenschiffe würden nur fliegen, weil sie Angst vor ihren Offizieren haben. Da ich inzwischen gelernt hatte, wie ein Sternenschiff funktioniert, wußte ich, daß das Problem normalerweise nicht Dummheit sondern Ignoranz ist. Daher überlegte ich, welche Worte deutlich genug gewesen wären, daß sie auch zu einem jüngeren Diro durchgedrungen wären.
"Herr Kapitän, wenn ihnen zwei Techniker sagen, daß sie nicht mit dem Schiff mitfliegen, wenn nichts am Lebenshaltungssystem getan wird, dann heißt das, daß beide überzeugt sind, daß das Schiff nicht am Ziel ankommen wird. Wenn ich sie wäre, würde ich mit so einem Schiff auch nicht mitfliegen wollen." antwortete ich.
"Und warum sagte er, daß das Ersatzsystem ausgetauscht werden muß, während sie sagen, daß Ersatzkohlebindungsfilter reichen?"
"Weil er die Sorte Techniker war, die weiß, welches das passende Ersatzteil ist, während ich die Sorte Techniker bin, die die Ersatzteile auch aus einzelnen Schrauben zusammenbauen kann. Also sage ich ihnen welche Schrauben fehlen und er nennt ihnen das ganze Ersatzteil. Er hat aber völlig recht, daß das gesamte Lebenshaltungssystem überholt werden muß. Ich werde mich vor dem Flug den lebenswichtigen Teilen widmen und auf dem Flug alles erledigen, was nicht so heikel ist. Ich werde von ihnen übrigens noch weitere Ersatzteile fordern, bevor wir losfliegen, aber nichts davon wird so dringend oder teuer sein wie das." antwortete ich.
Daraufhin erklärte mir, wie viel Geld ich dafür höchstens ausgeben dürfe und mir war klar, warum er in einer solchen Verweigerungshaltung war. Sein Handel war ein einziges Geldproblem.
"Ich werde sehen, was ich tun kann und ihnen bescheid geben, wie wir das Problem lösen können." antwortete ich.

Er hatte natürlich einiges verlangt, denn dafür könnte man höchstens zehn Prozent eines Kohlebindungsfilters kaufen. Ich sah mir also den Markt durch und suchte nach etwas, was gebraucht verkauft wurde und möglichst viel der dringend benötigten Ersatzteile enthielt. Als ich ihm dann sagte, was ich zu tun beabsichtigte, verstand er nur Bahnhof und ich gab die Erklärung auf halber Strecke auf und sagte ihm, er könne darauf vertrauen, daß ich alles benötigte aus den beiden verschrottungsbereiten Militär-Landefähren bauen könne - oder würde ich sonst mitfliegen?

Ich brachte jedes näherungweise brauchbare Ersatzteil der Landefähren auf unser Handelsschiff, baute einiges so um, daß man es als nicht mehr neu zu beschaffende Teile gebrauchen konnte, die jemand dringend für irgendein veraltetes Schiff suchte, trieb ein wenig Handel mit den Einzelteilen, damit ich nachher genau das hatte, was ich brauchte und das zu viel zu zahlende Geld durch Ersatzteilhandel wieder reinholen konnte. Ich reparierte das Ersatzlebenshaltungssystem so, daß es in den notwendigsten Grundfunktionen funktionsfähig war und gab dann mein OK für den Abflug. Im Grunde hatte ich dann den ganzen Flug gut zu tun und ich hatte Spaß an der Tüftelei, denn natürlich muß man letztlich eine völlig neue Schiffstechnik konstruieren, wenn man aus zwei verschiedenen ausgemusterten Militärlandefähren, die nicht einmal derselben technischen Generation angehören und der Technik eines veralteten Handelsschiffes ein funktionierendes Schiff konstruieren will. Nachher konnte man zwar nicht behaupten, daß das Schiff gut in Schuß war, aber schon, daß man damit sicher fliegen kann und daß man nicht sofort in Lebensgefahr schwebt, wenn irgendeines der vielen zu alten Teile ausfällt. Außerdem glaubte ich, daß es so war, daß ein weniger kompetenter Ingenieur zumindest begreifen würde, was er als Ersatzteil einbauen muß, wenn etwas kaputt ist und wo er nachschauen muß, wenn ein rotes Lämpchen leuchtet.

Geistig lastete mich die Tätigkeit nicht völlig aus. Es gab einfach zu viele Routinearbeiten, bei denen ich mir nebenher etwas vorlesen ließ, um mich nicht zu langweilen. Da es nicht viel Fortbildungsmaterial gab, las ich alles durch, was auf der Schiffelektronik so gespeichert war. Dabei stellte ich fest, daß meine Arbeitgeber halb kriminell waren. Ich hatte diverse Aufzeichnungen über illegale Aktivitäten in ihren Datenspeichern gefunden. Nichts wirklich Schlimmes, Schmuggel und so.

Jeder schien mal versuchen zu wollen, ob er mich einschüchtern kann, da er mich für einen naiven Technikfreak hielt und das nur, weil ich tatsächlich arbeitete. Ich gab mit meinen Antworten nicht zu erkennen, daß ich ihre Drohungen auch nur verstanden hatte, sondern erzählte ihnen von meiner Ausbildung an verschiedenen Waffen, ohne aber durchblicken zu lassen, daß ich sie beim Militär gemacht hatte. Als zwei bei einem Streit handgreiflich wurden, trennte ich sie und erklärte ihnen, als sie sich benommen wieder aufrafften, daß man sich auf einem Schiff, wo ich mitfliege, nicht prügeln darf. Danach hatten alle Angst vor mir und kamen mir nicht mehr in die Quere, wenn ich in Ruhe arbeiten wollte.

Zuhause verließ ich das Schiff, fuhr zum Palast meines Vaters, trat mit meinem Schlüssel durch die Hintertür ein und programmierte den Getränke- und Medikamentenautomat meines Vaters durch Fernwartung so um, daß er beim nächten Gebrauch etwas tödlich giftiges ausspucken würde. Früher waren meine tödlichen Fallen viel plumper gewesen, weil ich kaum die Grundlagen des Programmierens beherrscht hatte, daher war ich mir ziemlich sicher, daß mein Vater zu ungebildet war, mich zu erwischen.

Am Abend war er dann bereits tot und niemand wußte warum. Ich zog mich um, tauchte offiziell zuhause auf und regelte seine Angelegenheiten auf die Weise die ihm am allerwenigsten gefallen hätte. Ich verteilte sein Erbe unter meiner Stiefmutter und den Sklaven und sagte ihnen, sie dürften damit machen was sie wollten.

Ich glaubte mich unauffällig wieder verdrücken zu können, aber als ich am Raumhafen nach einer geeigneten unbedeutenden Stellung suchen wollte, sprach mich ein Techniker mit meinem richtigen Namen an und sagte mir, er solle mir ausrichten, daß Turin mir vertraut. Ich starrte ihn wortlos an und ehe ich weitere Fragen stellen konnte, war er verschwunden.

"Turin vertraut mir", dachte ich. Dann fragte ich, woher eigentlich ein Techniker so genau weiß, was ich tue, wenn ich anonym reise und eine wirklich sehr unauffällige Deckidentität habe. Ich fragte mich, ob er mich mit irgendwem, der zufälligerweise auch Diro heißt, verwechselt hat.

Ich stellte fest, daß mein vorheriger Arbeitgeber eine geeignete Fracht für den Rückflug gefunden hatte und reiste daher mit demselben Schiff zurück zum Palast. Außerdem riet ich ihm, etwas mitzunehmen, was wie ich wußte, dringend im Palast gebraucht wurde und als er meinte, das könne er nicht kaufen, weil es zu teuer wäre, legte ich ihm den Betrag aus. So konnte ich auch die angefangenen Wartungsarbeiten richtig zuendebringen. Ich mag es nicht, Dinge halb erledigt zu lassen.

Kersti

Fortsetzung:
F1694. Der Kapitän des heruntergekommenen Handelsschiffes: Ich weiß nicht, wer dieser Diro vom Schnee ist, aber er hat mir mein Schiff gerettet

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben