F2609.

Ich hatte beschlossen, daß ich Sirach behandeln würde, als wäre er einer meiner Patienten

Vorgeschichte: F2608. Sirach von Tyr: Einer meiner Patienten kam mit den Wunsch zu mir, daß er lieber bei Silas aus dem Tal behandelt werden will

Silas aus dem Tal erzählt:
Ich hatte beschlossen, daß ich Sirach behandeln würde, als wäre er einer meiner Patienten. Schließlich ging ich auch mit meinen Patienten so um, als wären sie die, die sie einmal gewesen waren, es sei denn, das hätte ihnen selbst nicht gefallen. Ich war der Ansicht, daß ihnen das als Anfangshaltung am besten weiterhalf, während sie sich selbst überlegten, was sie mit ihrem weiteren Leben machen wollten und konnten und sich darin übten die grausamen neuen Erfahrungen in ihr Leben zu integrieren, ohne sich dadurch unterdrücken zu lassen.

Ich glaube, daß ihr Hauptproblem eigentlich war, daß sie im Grunde ängstliche Menschen waren, die sich um ihre Ängste zu überspielen vorher der Illusion hingegeben, sie hätten ihr Leben vollständig in der Hand. Natürlich war das gerade im Krieg Blödsinn. Es macht einen Unterschied, wie man sich verhält, aber es gibt auch immer Unwägbarkeiten, die einen manchmal in Situationen bringen, wo es keinen Ausweg gibt. Der Trick ist, daß man sich bewußt ist, was man wirklich will und dann schaut, welche Freiräume und welche Grenzen in der Situation vorhanden sind, in der man sich gerade befindet. Dann muß man darauf achten, daß man nicht gegen die immer vorhandenen Wände rennt, sondern die Türen nutzt, um seine Ziele zu erreichen.

Ist man vorübergehend in einer Situation, wo man gar nichts tun kann, um sich zu schützen, ist es am klügsten, sich anzupassen und mitzugehen, bis man eine Lücke im Unterdrückungssystem sieht, durch die man entwischen kann. Die Zuchtmenschen, die ich darauf angesprochen hatte, weil sie auch den Gehorsamsübungen ausgesetzt gewesen waren, hatten viel weniger Schaden genommen, weil sie sich das Ganze angesehen hatten und dann einfach getan hatten was ihnen befohlen worden war, weil ihnen klar war, daß ihnen dann am wenigsten passiert. Sie hatten aber keine militärischen oder technischen Geheimnisse verraten, sondern ernsthaft behauptet, daß sie keine Ahnung hätten, sie wären doch nur unbedeutende Hilfskräfte, denen die Adeligen nicht verraten, was sie ihnen nicht verraten müssen, damit sie ihre Arbeit tun können. Aber sie könnten selbstverständlich auch für die Echsen technische Geräte reparieren und man könne sie gar nicht essen, weil sie giftige Drähte im Körper hätten. Äußerst amusant finde ich, daß unsere Techniker damit durchgekommen sind, weil sie nun wirklich die einzigen sind, die unsere Technik verstehen und eine Bildung haben, mit der ich mich jedenfalls überhaupt nicht messen kann und mit der sich auch kein Universitätsprofessor messen kann, den ich kenne, wenn man mal von dem einen Zuchtmensch absieht, der an der Universität unterrichtet hat. Außerdem finde ich es absolut amusant, daß niemandem aufgefallen ist, daß sie ihr bisheriges technisches Wissen überhaupt nicht eingebracht haben, sondern in der Lage waren übergangslos eine ihnen fremde Technik fehlerfrei zu reparieren und daß jemand, der das kann, sehr wahrscheinlich auch die bisher ihm vertraute Technik perfekt beherrscht.

Ich glaube, daß die Echsen auch die Kompetenz ihrer eigenen Zuchtmenschen ganz erheblich unterschätzen. Zumindest die, die ich erlebt hatte, waren, sofern sie etwas anderes als den Schlachthof kennenlernen durften, ausgesprochen intelligent und gebildet. Und selbstverständlich hatten sie ein Interesse daran, daß keine Menschen mehr geschlachtet werden und wußten, wie man sich verhalten muß, um als guter Sklave übersehen zu werden und bei uns ein neues Leben zu beginnen. Die Echsen hatten nicht nur schlechtere Chancen, eben weil sie Echsen waren, sondern sie haben sich auf dieselbe Weise unklug verhalten wie besonders unser menschlicher Adel, als sie ebenfalls gefangen genommmen wurden. Nur ein paar sehr niedrigrangigen Echsen, die auch aus der Unterschicht stammten, hatten sich klug genug verhalten, um nicht erschossen zu werden. Nicht daß eine Echsenbefehlshaber da irgendwelche Chancen gehabt hätte, aber einfache Mannschaften hatten die Chance, wenn sie es klug anstellten.

Da Sirach laut meiner Zuchtmenschenfreunde kleine Gefahr für mich darstellte, konnte ich ganz entspannt mit ihm umgehen und wenn meine Therapie für ihn eine Hilfe war, würde er das automatisch in seine eigene Therapie einbauen, weil er ja genau auf diese Weise sein therapeutisches Programm entwickelt hatte. Er hatte seine eigenen Probleme halb erfolgreich gelöst und das Wissen, wie es geht, dann an andere weitergegeben.

Kersti

Fortsetzung:
F2620. Sirach von Tyr: Was mich im nachhinein wundert ist, daß ich nie auf den Gedanken gekommen bin, daß man sich mit meinen Zuchtmenschenuntergebenen unterhalten könnte

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben