Der Grund für diese Regel war sehr einfach: Unserer Ansicht nach konnte niemand von außerhalb wirklich kämpfen. - Aber, wenn Feinde kamen, waren sie von außerhalb und wir mußten wissen, wie sie kämpfen, um zu siegen, wenn uns jemand angreift. Wir mußten gegen die Besten wie die Schlechtesten von ihnen siegen, denn sonst wären wir tot.
Ich war zehn, als mir das erste mal einer der Gäste als
Übungspartner zugeteilt wurde. Als ich zusammen mit Tira den
Übungsraum betrat, fragte er, wann denn sein Gegner käme.
"Ich bin der Gegner. Tira ist Kampfwächterin." erklärte
ich.
"Aber du bist doch noch ein Kind. Wie willst du gegen mich
ankommen?" fragte er verblüfft.
Mir war eingeschärft worden, daß ich nicht sagen durfte,
daß er nicht kämpfen könne, weil das unhöflich sei.
Also sagte ich es andersherum:
"Die Kampfausbildung unseres Dorfes ist wesentlich besser als jede
andere bekannte Kampfausbildung. Deshalb werde ich damit sicher keine
Probleme haben." erklärte ich.
"Na, wenn du meinst."
Er lächelte aber ich konnte spüren, daß er es nicht so ganz
glauben mochte. Kurz erklärte ich ihm die Regeln und sagte, daß
er sich nicht allzuviele Sorgen um mich machen solle, er würde mich
sowieso nicht treffen.
Er glaubte es mir nicht. Bis er die ersten paar Male meine flache Klinge abbekommen hatte, ohne mich auch nur zu berühren. Dann erst begann er ernsthaft zu kämpfen. Dennoch habe ich ihn in der Stunde, die er mir zugeteilt war, nach Strich und Faden verprügelt. Mehr Übung durfte man Leuten von außerhalb nicht zumuten, weil sie so etwas innerlich nicht verkraften.
Der Mann reiste am nächsten Tag ab, obwohl er eigentlich eine Woche bleiben wollte. So etwas kam öfter vor. Aber manche blieben auch wirklich so lange, wie sie vorgehabt hatten. Ein Mann von außerhalb war sogar schon anderthalb Jahre da. - Und lagsam gestanden wir ihm zu, daß er tatsächlich kämpfen konnte - wenn auch nicht sonderlich gut. Er machte aber auch die vollen Übungszeiten mit.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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