Als Mitglied der Garde machte ich mehrere Schlachten mit. Obwohl ich mich so zurückhielt, daß sichergestellt war, daß ich keine Verletzung abbekam, beeindruckte ich den Herrführer so sehr, daß er mir den Befehl über eine seiner Einheiten geben wollte. Ich lehnte zu seiner Verärgerung ab, da meine Pflicht, die Kinder heil nach Hause zurückzubringen, damit nicht zu vereinbaren gewesen wäre.
Einige Wochen gab es wenig zu essen, da die Bauern, von denen Proviant verlangt wurde, selbst nichts mehr hatten - es war Frühjahr. Wir Kinder griffen auf eigene Vorräte von Zuhause zurück. Danach wurde das Heer in mehreren aufeinanderfolgenden Schlachten besiegt. Alles fiel auseinander. Die Garde war anderswo beschäftigt, versuchte das demoralisierte Heer zusammenzuhalten.
Ich schickte die Kinder einzeln zu einem Treffpunkt außerhalb des
Lagers, packte den Rest des Getreides von zu Hause - es war im doppelten
Boden des unseres Wagens versteckt gewesen - auf das Kriegerpferd von
Zuhause und das große Pferd, das ich als Mitglied der Garde bekommen
hatte und ritt aus dem Lager. Unterwegs begegnete ich dem Gardehauptmann
mit dreien seiner Männer. Er zog mein Schwert und befahl mir, zum
Wagen zurückzukehren.
"Wir sind für das Heer nicht wirklich wichtig. Niemand wird uns
vermissen. Zuhause werden wir gebraucht. Willst du mich wirklich
aufhalten, Karon?" fragte ich.
Minutenlang standen wir uns Aug in Aug gegenüber. Dann senkte er
seinen Blick und sagte: "Geh nur."
Das Bauernmädchen Tibira hatte den Arzt mit zum Treffpunkt gebracht,
der sich damals um Elara gekümmert hatte. Ich hatte ihm gesagt,
daß er mit seinem Können bei und sicher willkommen sein
würde.
Dann ritten wir heim. Wir brauchten ein halbes Jahr, bis wir
schließlich den Weg zum Dorf hinaufliefen. Ich wunderte mich,
daß uns von der Wache niemand entgegengeschickt wurde. Dann lief mir
Schara entgegen, warf sich vor Freude weinend in meine Arme und sagte:
"Ich dachte du bist tot!"
Ich lächelte: "Sehe ich so tot aus?"
"Nein." und ein Lächeln voll tiefer Freude erhellte ihr
Gesicht.
"Was ist los. Wo sind die anderen?" fragte ich.
"Im Felsennest. Wir konnten das Dorf nicht halten."
Mein Blick wanderte in weite Ferne. Ich hatte gehofft, daß wenigstens zu Hause alles beim Alten sei. Ich hatte geträumt, einfach heimkehren zu können, mich bei meiner Mutter auszuheulen und mein altes Leben weiterzuleben. Mich ein wenig entspannen zu können. Statt dessen warten auch hier beinahe mehr Pflichten auf mich, als ich bewältigen kann.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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