Reinkarnationserinnerung - Helden leiden länger

FB19.

Attentat

Zehn Mann begleiteten den König in Zivil durch die Stadt. Zehn andere warteten verkleidet im Gasthaus. Ich begleitete ihn durch die Stadt, brachte die Anderen zu dem zweiten Haus, wo sie auf uns warten und die Umgebung beobachten sollten und ging dann selber ins Gasthaus. Ich sah mich um. Zumindest bis jetzt schien dort alles in Ordnung zu sein. Es hatte schon öfter solche Besprechungen von Königen auf neutralem Boden gegeben, wenn nicht genug Vertrauen zwischen den Parteien herrschte, daß einer den anderen auf seinem Eigenen Land besucht hätte. Das letzte hatte mit einem Friedensvertrag geendet - und ich hatte festgestellt, daß damals auch die gegnerische Seite zu diesem "Gespräch unter vier Augen" wie sie es genannt hatten, zehn Bewaffnete in Zivil mitgebracht hatte.

Der König unterhielt sich leise mit einem Fremden. Ich setzte mich an den Tisch neben dem des Königs und kam dort mit einem Fremden ins Gespräch. Ich bekam nahezu nichts von dem Gespräch meines Königs mit. Plötzlich erklang ein scharfer Befehl und mein Gegenüber sprang auf und zog sein Schwert. Ich schlug ihm den Kopf ab und fuhr herum. Zehn weitere Männer stürmten auf den König zu. Hinter ihnen waren meine Gardisten. Sie hatten sich nicht den besten Platz ausgesucht. Darüber würden wir nachher reden müssen.

Ich stellte mich vor den König und kämpfte. Das verschaffte meinen Männern die Zeit, sie einzuholen und von hinten anzugreifen, so daß ein Teil der Feinde sich umdrehen mußten, um sich zu verteidigen. Mein König hatte ihren Anführer längst erschlagen. Die Feinde hatten es immer noch vor allem auf den König abgesehen und griffen mich an, weil ich im Weg stand. Ich erschlug drei weitere von ihnen, wurde aber immer weiter zurückgedrängt, gegen einen der schweren Tische. Dann traf mich sein Schwert in den Bauchraum und schnitt hinunter zwischen die Beine. Ein rasender Schmerz verriet mir, daß Penis und Hoden getroffen waren und raubte mir für einen Augenblick die Fassung. Lange genug, daß ich das Schwert aus den Händen verlor. Glücklicherweise hatte ich meinen Gegner vorher schon getötet, sonst wäre ich tot gewesen. Wir brachen gleichzeitig zusammen und er fiel über mich. Auch das war ein Glück, denn damit war ich aus den Augen der Feinde heraus.

Bis es mir gelang, mit meinem einzigen Arm den Gegner von mir herunterzuschieben, waren die Feinde längst tot und besiegt. Ich ignorierte die Schmerzen, richtete mich auf die Knie auf und sah mich um. Mir wurde schwarz vor Augen und ich begriff, daß ich schon beinahe zu viel Blut verloren hatte. Wenn die Blutung nicht sofort gestill würde, würde ich innerhalb von Minuten sterben.

Ich sah wie der Arzt mit den anderen Gardisten zur Tür hereinkam und rief ihn zu mir. Dann ließ, ich mich wieder zurück auf den Boden sinken und hielt still, während er meine Verletzung mit immer düsterer werdendem Gesicht untersuchte und die Blutung stillte. Das viele Blut war aus meinem Penis gekommen, den der Schwerthieb abgeschnitten hatte.

"Ich werde sterben, nicht wahr?" sagte ich.
"Vermutlich." antwortete er.
Es wirkte beruhigend auf mich, meine schlimmste Befürchtung bestätigt zu bekommen. Das war schon immer so gewesen. Es hielt meine überschäumende Fantasie in Schach, die mir in solchen Situationen immer hunderte von schrecklichen Alternativen, was noch alles passieren könnte, vor Augen führte.

Der Arzt beendete seine Arbeit. Nachdenklich sah er den verletzten Gardehauptmann an.
*Er muß bestialische Schmerzen haben.* dachte er.

Er hatte schon andere Männer mit Bauchwunden behandelt, und wenn sie überleben sollten, dann mußte die Wunde sehr sorgfältig gereinigt werden. Die meisten hatten vor Schmerzen laut geschrien, wenn er das tat. Wenn er es nicht getan hätte, dann hätte er sich jede Behandlung sparen und die Verletzten gleich abstechen können, um ihnen weitere Schmerzen zu ersparen. Korith aber war still geblieben. Der Arzt hatte sich so sehr auf seine Arbeit konzentriert - aus der Gewohnheit heraus, Schmerzensschreie zu ignorieren, weil er den armen Männern dies Schmerzen sowieso nicht hätte ersparen können, hatte er jegliche Reaktion von Korith auf die Behandlung ignoriert und war sich nicht sicher, ob er überhaupt ein Zeichen von Schmerz gezeigt hatte. Der Arzt sah Korith jetzt ins Gesicht. Es waren Tränenspuren zu sehen, die helle Rinnen in das getrocknete Blut gezeichnet hatten. Es war nicht Koriths Blut sondern das seines Gegners, der über ihm zusammengebrochen war. Das Gesicht wenigstens war nicht verletzt.

"Ich werde sterben, nicht wahr?" sagte Korith.
Das Gesicht des Gardehauptmanns war ruhig und neugierig. Nicht gerade das, was man von einem Mann erwartet, der über seinen eigenen Tod redet.
"Vermutlich."
Es war absolut irritierend, daß der Mann daraufhin einschlief, als wäre das irgendwie beruhigend. Wollte er sterben? Er mußte wissen, daß der letzte Schwerthieb ihn kastriert hatte. Die Schmerzen, die das hervorrief waren unmißverständlich. Warum hatte er nicht danach gefragt? Wollte er deshalb sterben?

Und wenn es so war...

Bei seiner letzten Verletzung hatte sich der Gardehaupmann beinahe furchterregend vernünftig verhalten. Er war kein Mensch, der besonders auf den Arzt hörte - aber ganz offensichtlich hatte er sorgfältig darauf geachtet, sich nicht zu überfordern. Jeden zur Ordnung gerufen, der während seiner Krankheit über die Stränge geschlagen hatte.

Mit einem Schmunzeln erinnerte sich der Arzt daran, wie kleinlaut der König sich bei ihm entschuldigt hatte.

Aber im Grunde mußte es auch für den Gardehauptmann ein harter Schlag gewesen sein, seinen Arm verloren zu haben. Der Arzt hatte ihn einmal danach gefragt und die Antwort war sachlich gewesen, zu sachlich, dachte der Arzt. Oder war er wirklich so mühelos damit fertig geworden, wie es schien? Wenn er an diese eigenmächtige Gesetzesänderung dachte - "Notfalls kettet ihr ihn an" hatte er zu den Gardisten gesagt - dann bezweifelte der Arzt das.

Und was wäre, wenn Korith plötzlich den Beschluß fassen würde, nicht mehr vernünftig zu sein? Korith war klug, verdammt eigensinnig und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte ihn niemand daran hindern. Wenn Korith beschließen würde, unvernünftig zu sein - dann würde er es so klug anstellen, daß keiner ihn rechtzeitig durchschauen würde, schloß der Arzt.

Kersti


FB20. Kersti: Fortsetzung: Lebensgefährliche Hochzeit
FB18. Kersti: Voriges: Du bist ein merkwürdiger Mensch
FBI. Kersti: Inhaltsübersicht: Helden leiden länger
FB1. Kersti: Zum Anfang: Das Attentat
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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