Eines Abends setzte ich mich wieder für eine Wache neben den Drachen. Ich muß wohl eingeschlafen sein, denn am nächten Morgen weckte mich Daeraith und befahl mir barsch zu frühstücken. Der Drache wachte bei diesen Worten auf, entdeckte seine Reiterin und watschelte auf sie zu. Sie kniete nieder und nahm ihn in die Arme. Ich beobachtete diese so normale Geste ungläubig.
Mir wurde bewußt, daß ich immer noch von diesem Frieden umhüllt war, den ich am Abend geschaffen hatte. Irgendwie war es mir gelungen, dem Kleinen trotz des Schlafes den Schutz zu geben, den seine wunde Seele gebraucht hatte. Und nun war Daeraith da, um zu übernehmen und der kleine Drache war damit offensichtlich vollkommen zufrieden.
Wir fünf bisher aufgewachten Drachenreiter frühstückten
gemeinsam und freuten uns daran, daß auch der junge Drache Appetit
hatte. Dann fragte Phaerith, ob das Drachenei, das am anderen Ende der Stadt
gelegt worden war, von den Feinden gefunden worden sei und ob ein Reiter
für es bereitstehe.
"Ich weiß es nicht. Ich werde den Gefängnisleiter
fragen." antwortete ich.
Ich winkte ihnen, mir zu folgen und ging zum Büro des
Gefängnisleiters.
Er sah sichtlich irritiert auf, als nun nicht etwa einer sondern gleich
fünf seiner Gefangenen ungeniert ins Büro traten. Ich
grüßte ihn freundlich und fragte, ob wir ihm ein paar Fragen
stellen dürften.
"Ja." antwortete er.
"Gibt es außer Dhaera noch andere lebende Drachen auf diesem
Planeten?"
Er ging an seinen Computer und rief die entsprechenden Dateien ab. Ein zwei
Meter langer Drache lebte im städtischen Zoo. Sein Reiter war bei ihm.
Das Ei war auch gefunden worden. Offensichtlich wurde es nur bebrütet
und sichergestellt, daß der kleine Drache, sobald er schlüpfte,
nicht entkommen könnte.
"Er braucht sobald er schlüpft einen Reiter." sagte ich.
"Aber warum?"
"Weil ein Drache seinem Reiter immer gehorcht und nur über seinen
Reiter zu beherrschen ist." sagte ich.
"Das ist doch Blödsinn. Drachenreiter sind Drachensklaven."
widersprach der Gefängnisleiter.
"Das ist die rechtliche Situation aber nicht die Wahrheit."
widersprach ich und fuhr fort: "Eines ist merkwürdig an Drachen,
die einen Reiter haben. Sie mögen es, wenn man im Befehlston mit ihnen
spricht. Und wenn der Befehl vernünftig ist und nicht unzumutbar,
führen sie ihn auch aus. Nicht aus Unterwerfung heraus, nicht aus
Angst, sondern mit einem Lachen und weil sie Spaß daran haben, ihrem
Menschen einen Gefallen zu tun. Drachen, die Reiter haben, sind viel
ausgeglichener und zufriedener als diejenigen, die keine Reiter haben. Und
das war eigentlich der Grund, warum wir Drachenreiter geglaubt hatten,
daß es ein guter Gedanke wäre, unseren Freunden im Falle einer
Eroberung ein Leben in Gefangenschaft zu ermöglichen. Solange sie
einen Reiter haben, sich sonnen, fliegen dürfen und ihre Intelligenz
gebraucht wird, werden sie glücklich sein. Es sei denn natürlich,
ständig würden Drachen zu Tode gefoltert. Drachen sind nicht
wirklich für Freiheit geschaffen und nur mit Menschen als Reiter sind
sie wirklich zufrieden."
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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