Gefallene Engel


Der Untote

FF13.

Ein angemessener Preis

Nach mehreren weiteren enttäuschenden Versuchen mit Magiern, hörte ich das Gerücht, daß es einen Mann gäbe, der Untoten das Sterben ermöglichen könne.

Vorsichtig geworden, schlich mich an den abseits gelegenen Gutshof des Mannes an, sah mich aufmerksam um und beobachte ihn mehrere Wochen lang.

Was ich sah, gefiel mir nicht sonderlich. Er hielt merkwürdige Wesen, die halb Affe halb Mensch waren in Käfigen und ließ sie schwere Sklavenarbeit leisten. Meist ging er freundlich mit ihnen um, neigte aber manchmal zu völlig unmotivierter sadistischer Grausamkeit. Bei den Bewohnern des benachbarten Dorfes galt er als ein unbeliebter, gefährlicher und sehr unheimlicher Mann, der aber jeden geschlossenen Vertrag getreulich einhielt und die Gesetze des Dorfes befolgte, sofern sein Handeln das Dorf und nicht nur den eigenen Hof betraf.

Schließlich war er es, der mich fand.

"Grüß dich, Golem."
Ich fuhr erschrocken herum und sah den Mann hinter mir, den ich monatelang, heimlich beobachtet hatte. Bevor ich mich genug wieder gefaßt hatte, daß mir eine Antwort einfiel, sagte er:
"Ich dachte mir, du findest vielleicht nie den Mut, mich anzusprechen. Deshalb habe ich dich gesucht."
Ich nickte wortlos.
"Wir können uns auch hier unterhalten, wenn du willst, aber ich würde mich lieber in die kleine Hütte mit den vier Türen setzen, um dir zu erklären, was ich anzubieten habe."
"Gut." stimmte ich zu und folgte ihm.

Ich kannte die Hütte, die nur aus einem Raum bestand und wußte, daß ihre vier Türen keinerlei Riegel oder Schloß hatten. Dennoch ging ich um sie herum und überprüfte bei jeder Tür, ob sie auch wirklich nicht verriegelt war, ehe ich es wagte, den Raum zu betreten. Auch das Innere enthielt keinerlei böse Überraschung. Ich setzte mich auf seine Aufforderung hin, während er ein Feuer im Kamin anzündete und hörte ihm aufmerksam zu, wie er mir sein Vorhaben erläuterte.
"Ich werde deinen Golemkörper in keiner Weise beschädigen, sondern einfach das Stangenimplantat abschirmen, das dich an den Körper kettet. Dadurch hast du die Sicherheit, daß du nicht plötzlich noch schlimmer dastehst als vorher. Wenn du den Halt in deinem Körper verlierst, bist du ganz normal gestorben, wie ein Mensch und wirst danach nie mehr fähig sein, einen Leichenkörper anzunehmen. Normalerweise sollte es dir dann möglich sein, den Körper eines Affenmenschenembryos zu beanspruchen und normal zur Welt zu kommen.
Das Verfahren ist einmal erprobt und funktioniert - beim ersten mal habe ich allerdings Wochen gebraucht, bis ich das Implantat gut genug abgeschirmt hatte, um wirklich zur Welt kommen zu können. Ich weiß jetzt, worauf ich achten muß und bin deshalb zuversichtlich, daß ich es auf Anhieb gut genug mache, kann aber nicht dafür garantieren. Wenn irgendein Problem auftritt, komm morgen in einer Woche um diese Zeit hierher und ich werde die Abschirmung noch einmal nacharbeiten, bis es funktioniert. Ich kann Tote sehen, deshalb dürfte es kein Problem sein, dir zu helfen. Außerdem werde ich die Abschirmung in deinem ersten Leben täglich nacharbeiten, damit sie so perfekt wie möglich ist, wenn du danach irgendwo anders als Mensch zur Welt kommst.
Nun zum Preis. In deinem ersten Leben, in dem du richtig geboren wirst, gehörst du mir. Ich erwarte von dir, daß du absolut alles tust, was ich dir befehle." erklärte er.
"Das kann ich nicht tun. Ich werde niemandem absichtlich Unrecht tun, auch nicht dafür."
"Das ist in Ordnung. Ich mache mit dir einen Vertrag und wenn ich etwas für dich tue, mußt du den Preis dafür zahlen, niemand anders. Ich werde nicht von dir verlangen, daß du Unrecht tust, aber wenn ich dir sage, daß du mir deinen Arm hinhalten sollst, damit ich ihn dir abhacken kann, dann erwarte ich, daß du widerspruchslos gehorchst. Dein erstes Leben gehört mir, und ich werde mit dir tun, was ich will, verstanden?"
Ich nickte nachdenklich.
"Ich werde aber nichts tun, was dich über dieses eine Leben hinaus schädigt. Das verspreche ich. Wir können, wenn du willst, sofort beginnen oder du kannst jederzeit auf mein Angebot zurückkommen. Du solltest aber bedenken, daß ich nicht zu den Unsterblichen zähle und daß du deshalb zu mir kommen mußt, ehe ich an Altersschwäche sterbe."
Ich nickte wieder und überdachte das Angebot. Da ich seine sadistischen Neigungen beobachtet hatte, wußte ich, daß er einen hohen Preis verlangte. Andererseits schien er sich seiner Sache sicher zu sein und ich konnte mich wohl darauf verlassen, daß er sein Bestes tun würde, seinen Teil des Vertrags zu erfüllen. Es war die Sache wert. Zumal ich den Preis nur bezahlen mußte, wenn er Erfolg hatte.

"Gut. Ich bin einverstanden. Was muß ich tun?"
"Leg dich hier auf den Tisch, damit ich arbeiten kann."
Ich fühlte mich sehr unwohl, während er arbeitete. Ich beobachtete mißtrauisch jeden Handgriff, analysierte jede Veränderung an meiner Aura, die ich nicht einordnen konnte und hatte einfach nur Angst. Es gab keinen konkreten Grund für diese Angst, außer daß ich mich in einem Maße ausgeliefert und hilflos fühlte, wie nie zuvor. Außerdem hatte ich Angst vor der Zukunft, weil ich wußte, daß nach diesem Tag nichts mehr wie vorher sein würde. Neue, unbekannte Wahrnehmungen überschwemmten mich und ängstigten mich noch viel mehr, obwohl sie nicht wirklich unangenehm waren.

Irgendwann dachte ich an den Pferch mit den Affenmenschen und war zu meinem Erstaunen sofort da.
*Komm zurück du Idiot, ich bin noch nicht fertig!* rief mich mein neuer Herr sofort zurück.
Ich gehorchte, betrachtete den Körper, den ich abgelegt hatte neugierig und plötzlich wurde mir bewußt, daß ich mich zum ersten mal, so lange ich mich erinnerte, ohne Körper wohl fühlte. Irgendwie frei und leicht. Ich hatte keine Worte für diesen angenehmen Zustand. Ich hatte gar nicht gewußt, daß man sich gut fühlen konnte. Ich kannte nur verschiedene Grade von Schmerz und, seit ich den Golem-Körper hatte, manchmal auch kurze Phasen, in denen ich keine Schmerzen hatte. Staunend schwebte ich in der Luft und konzentrierte mich auf dieses wunderbare Gefühl.

Der Herr legte den nicht mehr benötigten Golemkörper zur Seite und befahl mir:
*Leg dich wieder hin. Ich bin noch nicht fertig.*
Ich gehorchte. Er arbeitete noch Stunden, ehe er mir erlaubte, zu gehen und einen Babykörper für mich in Anspruch zu nehmen.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


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