"Was möchtest du von mir wissen?" fragte ich sie.
"Hast du denn keine Angst vor mir?" fragte
die Untote erstaunt.
"Nein. Ich war selber lange genug untot. Ich
weiß, wie das ist."
"Kann er wirklich machen, daß ich richtig
sterben und richtig geboren werden kann?"
"Ja. Das kann er. Bei mir hat er es auch getan
und du siehst, daß ich richtig lebe. Raidis ist
kein guter Mensch und im Dorf sehr unbeliebt, aber er
hält seine Verträge ein, darauf
kannst du dich verlassen. Er tut mehr für
dich, als er dir verspricht und verlangt weniger
von dir, als er dir androht. Obwohl er
wirklich nicht nett ist."
"Aber er ist ein Sadist!"
"Ja. Und er wird seinen Sadismus an dir
auslassen. Trotzdem ist es das tausendfach
wert. Selbst wenn ich nur dieses eine Leben
hätte. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie
schön leben ist."
Die Untote schlich noch tagelang um das Gut herum, ehe sie sich schließlich entschloß, sich auf den Handel einzulassen. Ich freute mich sehr, als ich davon erfuhr.
Die Schwangere Halbmenschenfrau wunderte sich sehr, daß ich mich gerade für ihre Schwangerschaft so interessierte und ihren Bauch so begeistert streichelte - schließlich war meine wirlich sehr liebe Mutter ja auch schwanger - aber das konnte ich ihr nicht erklären. Sie war nicht intelligent genug und ihr fehlte die nötige Erfahrung, um es zu verstehen.
Später nahm ich das Baby auf die Arme, wann immer sie es mir erlaubte und wartete ungeduldig auf die Zeit, wo das Kind, das einmal eine Untote gewesen war, sprechen lernen würde.
Die ehemalige Untote wurde meine engste Freundin in meinem ersten Leben. Ihr konnte ich alles erzählen, sie verstand mich, teilte das ungläubige Staunen darüber, daß das Leben so wunderbar ist, mit mir. Und sie war nie unfreundlich zu mir, ganz im Gegensatz zum Herrn, der mich ja irgendwie auch verstand.
Als wir älter wurden teilten wir das Lager miteinander und hofften, daß gerade rechtzeitig ein anderer Untoter aufkreuzen würde, um als unser Kind zur Welt zu kommen. Als sie etwa 14 und ich neunzehneinhalb war, kam tatsächlich ein neuer Untoter - und sie war alt genug, daß sie schwanger werden konnten, so daß er die Gelegenheit nutzte, in ihrem Körper heranzuwachen.
Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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