erste Version: 12/2008
letzte Bearbeitung: 7/2012
Vorgeschichte:
FF93.
"Sie haben Thi'ah'na entführt"
Thi'ah'nah erzählt:
Bevor einer der beiden Pläne zur Ausführungsreife gelangte, kam das Raumschiff, das mich zu Sethiah brachte, bei ihr an. Sie befahlen mir, mich schön zu machen - glücklicherweise waren sie auch bei mir zuhause eingebrochen und mir standen deshalb meine eigenen Sachen dafür zur Verfügung. Sie befahlen mir, meine Harfe mitzunehmen. Ich tat wie befohlen, denn ich wußte, daß Dunkle einen bestrafen, wenn man nicht gehorcht. Aber ich hatte Angst, denn während meiner Zeit auf dem Schiff war es mir nie gelungen, zu singen. Jedes Mal, wenn ich das versucht hatte, war ich in Tränen ausgebrochen.
Rätselhafterweise schien das C'her gar keine Sorgen zu machen. Es schien ihn auch nicht im Geringsten zu überraschen. Er sagte mir, jedesmal wenn ich Angst bekam, nur ganz optimistisch:
"Mach Dir keine Sorgen Thi'ah'na. Entweder können wir Dich befreien, oder Sethia wird dich gegen C'her'an tauschen."
Ich konnte den Optimismus nicht teilen, denn ich wußte doch, daß Sethiah den Austausch längst abgelehnt hatte, weil sie meinte, ich sei viel wertvoller, als C'her'an. Sie hatte C'her deshalb richtig ausgelacht!
Und - zu meinem Entsetzen konnte ich wieder nur weinen, als Sethia von mir verlangte, für sie zu singen. Ich fürchtete, sie würde mich jetzt schrecklich bestrafen, doch sie drohte mir nur und befahl mir, mir das Heulen abzugewöhnen, denn wenn mir das nicht innerhalb der nächsten Woche gelänge, würde sie mich foltern.
Es war mir schleierhaft, warum C'her das keinerlei Sorgen machte. Ich hatte fast das Gefühl, als sei er der Ansicht, alles liefe nach Plan. Er tröstete mich so gut er konnte und wiederholte immer wieder, daß ich mir keine Sorgen machen solle. Und natürlich gelang es mir nicht, diese Anweisung zu befolgen, als ich merkte, daß Sethia in dieser Woche mit jedem Tag gemeinere Bemerkungen machte.
Ich wußte, daß C'her das Schiff, das mich abholen sollte, an demselben Tag in Gang gesetzt hatte, an dem er mich kontaktiert hatte. Und ich bekam mit, wie auch der Plan zu meiner gewaltsamen Befreiung Fortschritte machte. Freilich viel langsamere. Leider wußte ich auch, daß beides deutlich länger dauern würde als eine Woche. Und ich hatte furchtbare Angst.
In der zweiten Woche tat Sethia ständig Dinge, die mich furchtbar erschreckten und lachte dann jedesmal, wenn ich vor Angst schrie. Und sie lachte mich aus, wenn ich verzweifelt versuchte, auf meiner Harfe zu spielen und doch wieder nur weinen konnte.
Und dann irgendwann stand C'her'an in der Tür meiner Räume. Der Künstler lächelte mir zu und sagte:
"Sethia hat dem Austausch zugestimmt."
Ich sah ihn fassungslos an. Wie war das möglich? Ehe ich meine Frage aussprechen konnte, dachte er mir zu, daß ich meinen Mund halten solle, C'her'lu würde mir auf dem Heimweg alles erklären. Laut sagte er:
"Von jetzt ab werde ich nur noch für Sethia arbeiten, aber auf dem Weg hierher habe ich etwas für dich gemacht." Dann packte er etwas aus, schüttelte es ein wenig und hielt ein Ding aus Stangen, Fäden und kleinen Gegenständen, die sich im Kreis drehen, in der Hand. Es hatte etwas dunklere Farben als einer unserer Künstler gewählt hätte - aber es war wunderschön. Ich brach - wieder einmal - in Tränen aus. Diesmal aus Rührung.
C'her'lu nahm mich in die Arme und führte mich zu dem Schiff, das mich fortbringen würde. Ich drückte das wieder eingepackte Mobile an mich, ging mit ihm, aber fürchtete mich davor, wieder Wochen in einem düsteren Schiff zu verbringen, wie es die Dunklen lieben. Und blieb fassungslos stehen, als ich den hellen, in Pastellfarben gehaltenen Anstrich sah, mit dem das Schiff versehen war. Und es war schön! Richtig schön.
"Das ist ein Geschenk von C'her'an. Ich habe ihn nur ein wenig beraten, welche
Farben Dir am besten gefallen würden." sagte C'her'lu.
C'her'lu ließ mich eine Weile staunen, dann führte er mich in das Schiff und wies den Piloten an, loszufliegen.
C'her'an hatte das ganze Schiff von innen gestaltet. Und jeder Raum war auf andere Weise wunderschön. Ich fragte mich, wie er mich so sehr lieben konnte, daß er sich zuerst zum Austausch für mich anbietet und dann auch noch so etwas Schönes für mich macht.
Als wir unterwegs waren, fragte ich C'her'lu, warum Sethia mich denn gegen C'her'an getauscht hatte.
"Weil Du die ganze Zeit geweint hast, du Dummchen!" antwortete C'her'lu und in seiner Antwort schwang so viel Liebe mit, daß sie mich nicht verletzte.
"Aber sie hätte mich foltern können!" protestierte ich.
"Das hätte sie nie getan, Thi'ah'na. Sethiah hat einmal selber beinahe durch Foltern ihre Kunst verloren und sie wußte deshalb, daß sie damit das Gegenteil von dem erreicht hätte, was sie wollte." erklärte mir C'her'lu.
Auf dem Rückflug versuchte ich mehrfach auf meiner Harfe zu spielen und zu singen - aber jedesmal brach ich bei dem Versuch in Tränen aus und konnte nicht wieder aufhören zu weinen. Langsam fürchtete ich, daß ich nie wieder würde singen können. Und das war das Schrecklichste, was ich mir vorstellen konnte.
Zuerst flog ich mit dem Schiff zu der Schwarzen Burg, die C'her war. C'her hatte darum gebeten und ich hatte darin eine solche Sehnsucht gespürt, daß ich es nicht hatte ablehnen können. Trotzdem fand ich die schwarze Burg in ihrer Düsterkeit sehr bedrückend. Sie strahlte eine unheimliche Schwere und viel zu viel Leid aus. Ich fragte mich, warum sie so furchtbar schwarz geworden war.
C'her'lu führte mich in eine Schwarz-Weiß gekachelte Halle, in der ein riesiger furchterregend schwarzer Wurm war. Von Luzifer wußte ich, daß das die Orakelhalle war.
Der Wurm musterte mich mit Augen, die größer waren als ich, dann sagte er:
"Zuerst mußt Du begreifen, daß du frei bist. Ganz gleich welche Antwort du mir gibst,
du darfst gehen wohin immer du willst und tun was du dir wünscht.
Ich werde dich zu nichts zwingen und nichts von dir verlangen,
was du nicht freiwillig tun würdest."
"Ich weiß." sagte ich und weinte, weil er mich spüren ließ, wie sehr er mich liebte.
"Am liebsten würde ich dich immer bei mir behalten und deinen Liedern lauschen,
aber ich weiß, dann würde dir die Dunkelheit hier das Herz brechen.
Aber vielleicht kannst du mir wenigstens einmal etwas vorspielen?"
In dieser Bitte schwang eine überwältigende Sehnsucht mit. Und ich weinte. Weil ich nicht mehr singen konnte und weil ich seine Sehnsucht nicht erfüllen konnte. C'her hüllte sich in seine wärmende Liebe ein und ließ mich ausweinen.
"Ich kann nicht mehr singen. Immer wenn ich es versuche, muß ich weinen." erklärte ich, sobald ich mich einigermaßen gefangen hatte.
"Das habe ich befürchtet. Es ist ein bekanntes Problem, daß Künstler oft ihre Kunst verlieren, wenn sie mehr Leid erleben, als ihr Herz erträgt. Es tut mir leid, daß ich Dich nicht schneller befreien konnte." antwortete der Wurm.
Als ich wieder zu weinen begann, wartete er geduldig, bis ich mich genug gefangen hatte, um ihm zuhören zu können. Dann erklärte er:
"Es gibt eine Lösung für dein Problem. Du hast versucht, deine alten fröhlichen Lieder zu singen, nicht wahr?"
Ich bestätigte das. Und sie hatten dann so falsch geklungen,
daß ich nie über die ersten drei Noten hinauskam.
"Wenn du ein Lied über Deine Tränen schreibst, Lichtengel, wirst du es auch
singen können. Damit Du nicht mitten drin die Hoffnung verlierst, gebe ich
dir die Erinnerung eines anderen Künstlers, der denselben Weg gegangen ist
und damit am Ende Erfolg hatte."
Der Schwarze Wurm reichte mir einen schwarzen Kristall und schon ein flüchtiger Blick in die Aufzeichnung ließ mich zusammenzucken wegen dem Leid, das darin gespeichert war. Ich glaubte nicht, daß ich mir den Kristall anschauen würde.
"Hast du dir schon überlegt, wo du hinfliegen willst?" fragte mich der Schwarze Wurm.
"Ich weiß es nicht!" sagte ich "Am Liebsten würde ich hier bleiben!"
"Ich glaube nicht, daß das die Entscheidung ist, mit der du letztlich am glücklichsten sein wirst." antwortete mir der Wurm.
"Aber Thi hat mich verraten! Sie wollte mir nicht helfen." protestierte ich.
"Thi konnte dir nicht helfen. Sie hat weder die nötige Erfahrung
noch die nötige Macht, um etwas für dich zu tun." wies mich C'her streng zurecht.
"Aber sie wollte dir sagen, daß sie nicht will, daß du mir hilfst!"
protestierte ich.
"Na welch ein Glück, daß ich ihr keine Gelegenheit gab das auszusprechen."
kommentierte C'her'lu grinsend.
Womit er mir meinen Verdacht bestätigte, daß er genau gewußt hatte, was Thi ihm hatte an den Kopf werfen wollen. Und daß er nicht einmal wütend darüber war.
"Bevor du eine Entscheidung triffst, laß uns gemeinsam die Alternativen abwägen."
befahl C'her.
Diesmal tat ich mit C'her, was ich bisher immer nur mit Thi dem hellen Anteil der Gruppenseele gemacht hatte. Ich verschmolz mit ihm und betrat dann den Gruppenseelengeist. Wir bauten meine Erinnerungen und Ideen mit denen C'hers und mit C'her'lus neuen Erfahrungen zusammen. Dann untersuchten wir gemeinsam mögliche Handlungsalternativen, bis sich ein Plan ergab, der uns gut erschien. Schließlich entschieden wir, welche Erinnerungen C'her'lu und ich mitnehmen wollten, wenn wir wieder getrennte Wege gingen, und was C'her nicht behalten durfte, weil es Geheimwissen des Hellen Anteils war.
Fortsetzung:
FF50.
Lieder statt Tränen
alternative Fortsetzung über C'her'ans weiteres Schicksal:
FF55.
Helle und dunkle Kunst
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615,
https://www.kersti.de/,
Kersti_@gmx.de
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