Eines Tages meldete sich die gefleckte Katze bei mir und teilte mir telepathisch mit, daß der Klinikleiter die Räume betreten hatte, in denen wir lebten und uns frei bewegen konnten. Ich ging dahin wo er, wie die anderen Katzen mir mitteilten, war. All meine Wut über die Operation in der sie mich kastriert hatten, so daß ich keine Hoffnung hatte, jemals Kinder bekommen zu können, darüber daß sie mir Zähne und Krallen herausoperiert hatten, darüber, daß in dem halben Jahr das ich schon hier lebte drei meiner engsten Freunde unter den Katzen bei einer Reinigung der Kanäle ermordet worden waren, darüber, daß ich mich mit jedem Tag schlechter fühlte, all meine Wut erwachte. Mein Schwanz peitschte zornig hin und her und ich schlich mich an dieses Ungeziefer, das sich für einen Menschen hielt, an. Ich war nicht der einzige. Jede einzelne Katze im Krankenhaus näherte ich auf leisen Raubtierpfoten der ahnungslosen Beute. Schließlich hatten wir ihn umzingelt.
In dem Augenblick betrat der Alte mit seiner Katze den Raum, in dem sich
der Klinikleiter befand. Geistig strahlte er Besänftigung und den
strengen Befehl ab, nicht anzugreifen. Die alte Katze unterstützte
den Befehl eindringlich. Laut aber sagte er zu dem Klinikleiter:
"Herr, ich möchte sie dringend bitten, diese Räume zu
verlassen. Jede einzelne Katze der Klinik hat sich an sie angeschlichen
und würde ihnen am Liebsten die Augen auskratzen. Ich weiß
nicht, wie lange ich sie noch zurückhalten kann. Wenn sie mit
mir sprechen wollen, rufen sie mich bitte heraus oder tun sie das per
Telefon."
"Ich habe keine Katze gesehen." antwortete der Klinikleiter
verächtlich und dachte, daß wir sowieso zu dumm seien, um zu
wissen, wer hier die Entscheidungen trifft.
"Herr, wenn Sie die Katzen sehen, ist es zu spät. Eine jagende
Katze zeigt sich ihrer Beute erst, wenn sie bereit ist
zuzuschlagen." antwortete der Alte.
Plötzlich ertönte eine Stimme aus einem Deckenlautsprecher:
"Herr Eradon, verlassen sie bitte sofort die Klinikräume. Sie
sind tatsächlich von den Katzen umzingelt."
Darauf floh der Mann. Nur deshalb wurde nichts aus unserem wütenden
Angriff, obwohl wir Katzen wußten, daß der Alte damit recht
gehabt hatten, daß er es verhindert hatte. Dann wäre wieder
alles so schlimm geworden, wie es vor drei Jahren gewesen war, als wir
Katzen Tag und Nacht mit einem Eisengestell unbeweglich in aufrechter
Haltung gehalten wurden, damit wir uns nicht wehren und nicht weglaufen
konnten und weil die Arbeit der Heiler so am bequemsten zu
bewältigen war. Es wäre ein wirklich gutes Gefühl
gewesen, wenn wir den Klinikleiter für seine Untaten hätten
bestrafen können.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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