Reinkarnationserinnerung - Mein Leben zu Jesu Zeit

K16.

Unterschiedliche Sichtweisen

Am übernächsten Morgen verließ ich zusammen mit meinem Vater die Burg, die für Jahre meine Heimat gewesen war. Er hatte wieder einen Esel des Dorfes dabei und wollte mich reiten lassen. Ich lehnte ab, weil das nicht den Regeln entsprochen hätte. Ein gesunder Jesus sollte zu Fuß gehen und andere reiten lassen. Also stieg er auf und ich führte das Tier. Lange beobachtete er mich schweigend, wie ich ging, wie ich mich bewegte, wie ich mich gab. Schließlich fragte er leise:
"Sag mal, bist du mir eigentlich immer noch böse, daß ich dich damals hierhergeschickt habe?"
"Nein. Wenn ich geahnt hätte, daß ich Arid hier kennenlerne, hätte ich selbst so entschieden."
"Du hast eine kleinen Freund hier gefunden?"
"Nein. Jesus Arid. Mein Lehrmeister. Er ist der einzige Erwachsene, dessen Urteilsvermögen ich traue."
"Du meinst diesen Feigling, der damals aus der Sklaverei geflohen ist?"
"Das war die erste Geschichte, die er mir über sich selbst erzählt hat."
"Ich glaube nicht, daß es Feigheit war. Er war eher der Ansicht, daß die Regel, daß wir Sklaverei akzeptieren sollen, nicht für die Situation gemacht war, in der er steckte. Jesus Arid setzt sich öfters über Regeln hinweg. Öfter als die meisten. Und meist schafft er sich damit Schwierigkeiten, hilft aber anderen.
"Außerdem ist er ein unmöglicher Mensch."
"Kennst du ihn?" fragte ich.
"Ja. Ich bin hier aufgewachsen. Er ist der ekelhafteste Mensch, den ich kenne. Er hackt doch auf allen herum!"
"Das sehe ich anders. Bisher war alles, was er mir ins Gesicht gesagt hat, wahr - und es hat mir weitergeholfen im Leben, auch wenn es unbequem war."
"Du magst diese Ekel wirklich?" fragt mein Vater erstaunt.
"Ja."
"Das kann ich nicht verstehen."
Ich lächelte:
"Wie unterschiedlich man doch einen Menschen sehen kann."
Mein Vater verlor bald die Lust am Reiten. Also gingen wir beide nebenher und das Tier trug nur das Gepäck meines Vaters. Meine wenigen Habseligkeiten trug ich selber.
"Ich frage mich immer noch, wie ich dazu komme, einen Sohn zu haben, der so großartig lernt, daß das halbe Land über ihn redet und mit vierzehn die Einweihung macht und sie auch noch besteht!"
"Redet das halbe Land über mich?" fragte ich erstaunt.
"Ja."
"Haben die denn nichts besseres zu tun?" fragte ich desinteressiert und stellte dann fest: "Das hast du übrigends den Engeln zu verdanken."
"Aber ich dachte, du traust denen nicht."
"Eben. Mit dem Schwert sind sie nicht zu besiegen. Ich dachte, Wissen gibt mir vielleicht die Macht, mit ihnen fertig zu werden."
"Die Engel wissen doch viel mehr als wir."
"Das stimmt nicht. Sie wissen nur andere Dinge als wir. Über manche Bereiche unseres Alltags wissen sie weniger als ein Kleinkind. Außerdem sind sie keine Eingeweihten."
"Wirst du immer noch so viel von Engeln besucht?"
"Ja."
"Haben dich die anderen deshalb bevorzugt?"
"Ich habe ihnen nicht davon erzählt. Außer Arid. Aber der bevorzugt sowieso niemanden. Nein. Ich habe einfach nur hart gearbeitet."
"Und was wirst du jetzt tun?"
"Ich werde nach Hause zurückkehren und der Johannes wird meine weitere Ausbildung übernehmen. Arid hat ihn darum gebeten."
"Und der Johannes tut, was ihm Arid sagt?"
"Ja. Johannes war Arids Schüler."
"Wie kommt dieses Ekel zu so berühmten Schülern?" fragte mein Vater.
"Arid hat mir dafür eine sehr gute Erklärung gegeben." und ich gab meinem Vater die Worte wieder, mit denen Arid mir erklärt hatte, warum seine Schüler nahezu alle die Einweihung machten, während die Schüler der anderen Lehrmeister sich meist für ein anderes Leben entschieden. Als mein Vater hörte, daß Arid sich selbst als keinen angenehmen Menschen bezeichnete, mußte er lachen und meinte:
"Zu Selbsterkenntnis ist er wenigstens fähig."
Ich lachte ebenfalls:
"Allerdings. Das verlangt er ja auch ständig von seinen Schülern."
"Du, kanntest du eigentlich den alten Johannes, als er noch gesund war?"fragte ich meinen Vater.
"Ich habe ihn ein paar mal gesehen. aber ich habe mich nicht gewagt, ihn anzusprechen. Er war doch so ein heiliger Mann." antwortete mein Vater.
"Ich habe ihn jeden Abend besucht, wenn er zuhause war und er hat mir alles beigebracht, was er wußte. Er kann nämlich mit meinen Gedanken reden und ich kann das auch. Der Johannes war ein ganz lieber Mensch. Ich finde es so schade, daß die anderen Menschen das nicht gemerkt haben und über ihn lachten." sagte ich.
"Aber am Ende war doch nichts mehr mit ihm anzufangen. Er war einfach nur ein schwachsinniger Krüppel."
"Nein. Der Johannes war nicht schwachsinnig. Es hat ihm nur keiner außer mir und Arid zugehört. Er ist der klügste Lehrer, den ich hatte. Aber als sein Sohn endlich alt genug war, um das Amt des Johannes zu übernehmen, da wollte er einfach nicht mehr leben. Er hat Zeit seines Lebens zu viele Schmerzen gehabt."
Am Abend kamen wir am Essenerhaus in Jerusalem an. Wir baten wie üblich um Einlaß und mein Vater hörte auch auf meine Bitte, daß er in meiner Gesellschaft nicht mit meinem Können angeben sollte und auch nicht sagen sollte welcher Simon ich war. Ich mag es nicht, wenn die Leute zu mir aufschauen.

Ein grundanständiger Engel

Nach dem Abendessen sah ich mich um. Ich suchte den Engel und erkannte ihn an seiner etwas anderen Gesichtsform. Fremden fällt der Unterschied nicht auf. Die Engel sehen alle sehr einheitlich aus, so daß es leicht ist, zu erraten, wer der Engel im Haus ist. Ein hochgewachsener blonder Mann oder eine normal große blonde Frau mit einem ganz bestimmten typischen Gesichtsschnitt.

"Du bist hier der diensttuende Engel?" fragte ich.
"Ja." bestätigte er.
"Können wir uns ein wenig unterhalten?"
"Bei mir oben können wir in Ruhe reden." sagte er.
Ich folgte ihm wortlos in den mit großen Mengen der Engeltechnik ausgestatteten Funkraum. Bei meinem Eintritt fing ein Gerät an zu piepsen.
"Du trägst einen Sender." sagte der Engel.
"Ich weiß." antwortete ich.
Der Engel drückte ein paar Knöpfe, ein Bildschirm füllte sich mit einer mir unbekannten Schrift. Er las es durch.
"Weißt du, daß du als Gefolgsmann des Königs-Jesus vorgesehen bist?"
"Ja. Kannst du mir diese Schrift beibringen?" fragte ich.
"Nein. Neugierig bist du gar nicht, wie?"
"Nein - ich hab nur einen großen Wissensdurst. Ist es nicht merkwürdig, daß ich Schrift und Sprache unserer mächtigsten Feinde - der Schlangen in der Hölle - kenne, aber die unserer Verbündeten, der Engel, nicht?"
"Hier wird übrigends vor dir gewarnt. Du würdest alle Engel aushorchen."
Ich lachte:
"Das ist doch gar nicht wahr! Ich frage ihnen nur Löcher in den Bauch."
"Was dasselbe in Grün ist."
"Sag mal, ist es bei eurem Volk eigentlich üblich, daß erwachsene Männer zehnjährigen Jungen sexuelle Angebote machen?" fragte ich.
"Nein. Wie kommst du denn auf den abartigen Gedanken?"
Interessant. Er war ehrlich entsetzt. Ich hatte einen grundanständigen Engel gefunden. Allerdings war er zu naiv, um sich vorstellen zu können, daß andere Angehörige seines Volkes so häßliche Dinge taten, wie ich es erlebt hatte.
"Der Diensttuende Engel auf Karmel hat mich, als ich zehn war, zu sich gerufen und mir einen solchen Antrag gemacht. Ich habe abgelehnt. Meines Wissens stellt er an Kinder dieses Alters mit schöner Regelmäßigkeit diese Anträge und sie werden ebenso regelmäßig abgelehnt. Damit macht er euer Volk vor uns lächerlich. Anstelle eures Herrn würde ich den Mann von seinem Posten abberufen, auch wenn niemand das von ihm fordert. Unser Orden hat nichts dagegen, wenn ihr euch lächerlich macht." erklärte ich ruhig.

Prüfung im Tempel Jerusalems

Die Überprüfung im Haupttempel Jerusalems war so einfach und uninterressant, wie Arid mir gesagt hatte. Ich wurde getrennt von den anderen angehenden Schriftgelehrten geprüft, die in meinen Augen so lächerliche Fehler machten, daß ich beinahe in Versuchung gekommen wäre, ihnen vorzusagen. Die Prüfer wollten mich mit allen Regeln der Kunst dazu verleiten, einen Fehler zu machen. Dennoch war die symbolische Bedeutung der Fliesenmuster für mich interessanter als ihre Fragen.

Wegen der Langeweile war ich kurz davor, eine Diskussion mit ihnen über die Deutung historischer Schriften anzufangen. Sie mit ihrer geringen Bildung hätten dem nichts entgegenzusetzen gehabt. Ich zwang mich jedoch, einfach nur die Inhalte der überprüften Schriften nahezu wörtlich wiederzugeben, statt ihnen Vorträge über den historischen und gesellschaftlichen Hintergrund zu halten, in dem diese Texte entstanden waren. So ging die Prüfung am Schnellsten zuende.

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