Reinkarnationserinnerung - Mein Leben zu Jesu Zeit

K25.

Eine Unverschämtheit

Als der Johannes nach einigen Wochen das erste mal zu uns kam, rief er zuerst die Heilerin Maria zu sich und befahl mir, außer Hörweite zu warten, bis er alles Wichtige mit ihr besprochen hatte.

Ich sagte, daß ich zu der Weberin Maria ginge, um mich mit ihr ein wenig zu unterhalten. Johannes nickte nur und winkte mich beiläufig fort. Ich fragte mich, was mit ihm los war. Oder mochte er mich nicht so gerne, wie es mir erschienen war? Ich fühlte mich zurückgesetzt und riß mich dann zusammen. Ich bin kein kleines Kind mehr, das ohne die Liebe seiner Eltern nicht überleben kann, oder? Außerdem war es Johannes gutes Recht, sich selbst auszusuchen, mit wem er zuerst reden wollte, sagte ich mir. Dennoch war ich enttäuscht. Ich hatte mich so auf Johannes gefreut.

Bei Maria war ich nicht gesprächig. Das ist oft so - sie ist ein Mensch mit dem man gut schweigen und sich wohlfühlen kann. Doch sie merkte sofort, daß es diesmal einen anderen Grund hatte und fragte, bis ich ihr erklärt hatte, was los war.
"Ich habe eigentlich gar nichts erwartet. Nichts Bestimmtes. Aber ich wünschte, ich könnte jetzt bei ihm sein. Und ich komme nicht gegen meine Enttäuschung an, obwohl ich weiß, daß sie albern ist." sagte ich.
"Du solltest ihn einfach fragen, warum er zuerst mit ihr geredet hat. Vielleicht klärt das einiges für dich." sagte sie.
Ich nickte. Eine gute Idee.

"Wo hast du dich mit ihn verabredet?"
"Hier."
"Habe ich ihn zu mir eingeladen?" fragte sie ärgerlich.
"Nein. Ihr solltet euch kennenlernen." sagte ich.
"Und deshalb zwingst du mir jetzt eine Begegnung auf." stellte sie fest.
"Ja." sagte ich.
"Bin ich deine Schülerin, daß du solche Entscheidungen über mich triffst?"
"Nein. Eher umgekehrt. Aber ich kenne Johannes. Du nicht."
"Weißt du, daß du unverschämt bist?"
"Ja. Das ist ein Charakterzug von mir." antwortete ich und grinste sie jetzt so richtig unverschämt an.
Sie sah mir kurz in die Augen, stellte fest, daß ich nicht bereit war, mich zu entschuldigen und schwieg verärgert. Ich schwieg ebenfalls und blieb im Raum, obwohl ich mir sicher war, daß das ein Rausschmiß sein sollte.

Nach einer Zeit, die mir ewig erschien, kam Johannes herein und fragte sofort:
"Was ist denn hier los? Stiller Streit?"
"Ich war unverschämt." antwortete ich sofort, "Ich als Heiler habe ihr ein Gespräch mit dir verordnet."
"Wie?" fragte Johannes und lachte, "Simon mit dir erlebt man Überraschungen. Bist du nicht der höfliche junge Mann, der mich vorne und hinten bedient hat?"
"Die Rolle des Dieners war ein gutes Versteck." erklärte ich.
"Das habe ich gemerkt. Sonst hätte ich mir das auch gar nicht gefallen lassen." antwortete Johannes immer noch lachend, dann wurde er plötzlich ernst und fragte "Was ist an Maria so Besonderes, daß ich sie unbedingt kennenlernen muß?".
*Sie schätzt die Engel realistisch ein.* erklärte ich in Gedankensprache.
*Ach so. Nun. Vielleicht ist es nicht verwunderlich. Sie war längere Zeit im Himmel und ist dann auch noch die Mutter des zukünftigen Königs-Jesus. Aber das Mädchen Maria betet die Engel ja auch immer noch an, obwohl sie von ihnen überwacht wird.* meinte Johannes.
*Was die Engel angeht, habe ich einen Fehler gemacht. Lies. Beim Test warst du dabei.*
Ich gab dem Johannes die Auswertung des Intelligenztests. Er las und reichte es an Maria weiter:
"Ich würde gerne wissen, wie du diesen Text verstehen würdest."
Maria las und schlug die Hände vors Gesicht.
"Mein Gott. Womit hat er das verdient?"

"Du hast recht Simon. Eine ungewöhnliche Frau." sagte Johannes, "Maria, du hast doch im Helios-Tempel eine Einweihung gemacht."
"Zwei." antwortete Maria.
"Dann sind unsere Listen unvollständig. Bist du bereit, eine dritte zu machen?"
"Warum ich?" fragte Maria.
*Ich bin es leid, nur Idioten im Rat zu haben.* wechselte Johannes in die Gedankensprache.
*Wie, nur Idioten?* fragte Maria fassungslos.
*Die Engel betreiben eine Politik, bei der jedem klarsichtigen Menschen auffallen muß, daß sie unser Volk in den Untergang führt. Die Mitglieder des Hochgeweihten Rates kann man schütteln, sie sind nicht bereit, diese Wahrheit zu sehen. Lieber glauben sie daran, daß die Engel schon mit ihren Raumschiffen kommen werden, um uns vor unserer eigenen Dummheit zu retten.* erklärte Johannes.
Maria konnte es nicht fassen.

"Johannes. Maria hat mir eine Frage verordnet: Warum wolltest du zuerst mit Maria sprechen?"
"Bist du jetzt beleidigt?"
"Nein. Ich fühlte mich zurückgesetzt. Ich habe mich deshalb über mich selbst gewundert."
"Maria fühlt sich zu Recht mißachtet. Sie ist hier die erfahrene Heilerin. Besser als Jesus Tios es je war. Dennoch erhältst du alle Bewunderung."
"Wie sieht sie mich?"
"Du bist ein unerfahrener Junge, der auf Karmel jeden Klimperkram gelernt hat und jetzt mit diesem Wissen um sich wirft, aber nichts Vernünftiges zustandebringt." antwortete Johannes.
"Sie hat recht. Ich verliere den Überblick. Wenn ich will, daß meine Arbeit von Nutzen ist, muß ich mich ihr unterordnen." antwortete ich.
Johannes nickte.
"Tust du das auch?" fragte er.
"Beim ersten mal, als wir zu Zeloten gerufen wurden, hatte ich es noch nicht begriffen. Beim zweiten mal habe ich mich bemüht. Es ist schwierig. Statt Befehle zu geben, hackt Maria auf mir herum." erklärte ich.
"Sie hat zu wenig Selbstbewußtsein, um deine Unterordnung als selbstverständlich hinzunehmen. Deshalb ziehe ich sie so offensichtlich vor. Du kannst damit umgehen, wenn man dich ungerecht behandelt und zurücksetzt. Du hast ein beinahe unangreifbares Selbstbewußtsein."
"Johannes, dir gegenüber bin ich da verletzlich." sagte ich.
"Warum? Die Meinung des versammelten Lehrerkollegiums hat dich nicht interessiert, wenn du von etwas überzeugt warst."
"Tja, Johannes. Du bist halt etwas Besonderes. Warum weiß ich auch nicht. Aber dir vertraue ich bedingungslos."
Johannes betrachtete mich lange nachdenklich. Ich erwiderte ruhig seinen Blick und wartete entspannt, auf das Ergebnis seiner Überlegungen. Er teilte sie mir nicht mit, verließ nur nach einer Stunde des friedlichen Schweigens das Zimmer.

"Er ist ein seltsamer Mensch." sagte Maria, sobald er den Raum verlassen hatte.
"Bist du mir immer noch böse, daß ich ihn hierhergeholt habe?"
"Nein. Du hattest recht."
Ich nickte und sagte:
"Du hast die Auswertung genauso verstanden wie ich. Die Heilerin Maria hat etwas ganz anderes hineininterpretiert."
"Das kann ich mir denken. Aber was wirst du nun machen?"
"Es durchstehen, Maria. Nicht umsonst haben wir in Karmel für solche Gelegenheiten das richtige Unterrichtsfach: Geistiger Kampf, die Fähigkeit, mit Folter fertigzuwerden. Wenn sie mich foltern wollen, muß ich mich damit abfinden. Sie haben die Macht dazu."
"Der Johannes hält viel von dir. Du hast mit deinen Worten den Grund für meinen Ärger genau auf den Punkt gebracht. Er hat keinen Augenblick angenommen, daß es um meine geistige Gesundheit gehen könnte. Er ist davon ausgegangen, daß du ihm einen wichtigen Menschen vorstellen willst und er hat sich auf dein Urteil verlassen. Wie lange kennt ihr euch?" sagte Maria.
"Ich habe ihn bisher vier mal gesehen, bevor wir von Jerusalem nach hier aufgebrochen sind."
"Ihr redet miteinander, als würdet ihr euch ein ganzes Leben kennen. Ihr sprecht nur in Andeutungen." stellte Maria fest.
"Ich fühle mich auch, als würde ich ihn schon seit Ewigkeiten kennen." antwortete ich.

Bevor Johannes am nächsten Tag das Dorf verließ, sagte er mir noch:
"Ach übrigends Simon, bring der kleinen Maria so viel wie irgend möglich von diesem Klimperkram, den du in Karmel gelernt hast, bei. Maria hat das Zeug dazu, die beste Heilerin der Essener zu werden. Deshalb sollte sie die Möglichkeit dazu geboten bekommen, auch wenn ich eine Frau nicht nach Karmel schicken kann."
Ich nickte.

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