"Zieh dich aus und leg dich auf die Behandlungsliege." sagte Tojinia.
Ich gehorchte und wurde dort festgeschnallt wie immer.
"Heute lernst du, was Schmerzen sind." teilte mir Tojinia mit, befestigte
einige bunte Drähte an meinem Körper und legte einen Hebel um.
Rasende Schmerzen jagten durch meinen Körper. Stundenlang. Bis ich
die Besinnung verlor.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich immer noch auf
der Behandlungsliege. Die Schmerzen hatten nur unwesentlich nachgelassen.
Ein fremder Engel war da und beobachtete die
Kontrollen der technischen Geräte. Dann erst ging mir auf, daß
ich mich in einem anderen Raum befand. Durch eine durchsichtige Wand
konnte ich riesige Sterne vor einem samtschwarzen Himmel sehen.
"Wo bin ich?" fragte ich.
"Im Himmel." antwortete er und sah mir aufmerksam in die Augen. Ich
erwiderte seinen Blick.
"Mein Gott. Du bist ja noch ein Kind." sagte er schockiert.
"Und?" fragte ich.
"Mein Gott, jetzt foltern wir schon Kinder."
Ihm kamen die Tränen.
Ich fand das albern:
"Ja. Und du beteiligst dich daran."
"Nein, ich achte doch nur darauf, daß du gesund bleibst." erwiderte
er verunsichert.
"Kann das zu dauerhaften Gesundheitsschäden führen?" fragte
ich.
"Es kann dich umbringen." meinte er.
Sie würden mich nicht umbringen, denn einen Toten kann man nicht mehr
dazu zwingen zu gehorchen.
"Das sind zwei verschiedene Fragen. Es gibt Dinge, die dazu führen
können, daß das Herz aufhört zu schlagen, ohne daß
sie zu Dauerschäden führen können, falls das Herz nicht
aussetzt. Und es gibt Dinge, die können einen praktisch nicht
umbringen, dennoch machen sie einen für den Rest des Lebens zum
Krüppel." erklärte ich.
"Es kann dir auch für den Rest deines Lebens Dauerschmerzen bescheren
oder dich dauerhaft lähmen, weil es die Nervenfasern
beschädigen kann." antwortete er.
Ich nickte. Das hieß, daß ich solche Foltern besser nicht
unnötigerweise herausfordern sollte. In dem Augenblick kam Tojinia
herein, erkundigte sich, ob ich gesund sei, der Engel bejahte das und sie
legte erneut den Hebel um, der die Foltermaschine in Gang setzte. Ich
verlor durch die Schmerzen bald wieder das Bewußtsein.
Als ich das nächste Mal wieder aufwachte war nur Tojinia da. Ich blieb unbeweglich liegen, dennoch entnahmsie den Anzeigen ihrer Geräte, daß ich wach sein mußte und setzte das Foltergerät wieder in Gang.
Das darauffolgende Mal war wieder der andere Engel da. Ich fragte:
"Wie heißt du?"
Er drehte sich zu mir um und fragte erstaunt:
"Du bist schon wach?"
"Ja. Wie heißt du?" wiederholte ich meine Frage.
"Torion."
"Was meinst du, wie lange sie das noch machen?" fragte ich.
"Nicht so lange. Dein Körper zeigt schon die ersten
Ausfallerscheinungen." antwortete er.
"Warum beteiligst du dich an so etwas? Es ist doch vollkommen gegen deine
Grundsätze." fragte ich.
"Ich habe eine Familie zu ernähren."
"Willst du deine Familie wirklich durch Foltern ernähren?" fragte ich
zurück.
Er weinte: "Nein."
"Warum tust du es dann? Du setzt deinem Handeln keine Grenzen. Deshalb
können deine Vorgesetzten dich zu allem bringen. Auch zu Dingen, die
du dir bis jetzt noch nicht vorstellen kannst. Oder hättest du es
dir vor Kurzem vorstellen können, ein Kind zu foltern?"
"Nein. Du hast Grund mich zu hassen."
"Das mag sein. Aber ich hasse dich nicht. Ich warne dich nur, wohin dein
weiterer Weg dich führen wird, wenn du dich nicht besinnst."
"Ich bin mir sicher, auch bei euch Engeln gibt es mehr als eine
Möglichkeit, eine Familie zu ernähren und von diesen
Möglichkeiten ist auch mehr als eine moralisch tragbar. Mit dem was
du da gerade tust, zerstörst du am Ende nur dich selbst."
"Du hast hier nichts zu schaffen. Wenn du dich nicht schnell weigerst,
werden sie dich noch zu viel übleren Dingen bringen, als tatenlos
dabeizustehen, wenn andere mich foltern. Euer Herr, der Mann, mit dem ich
in deiner Gegenwart gesprochen habe, ist ein Verbrecher. Er versucht den
Willen jedes Menschen zu brechen, den er in die Finger bekommt. Und
Tojinia ist seine willige Handlangerin."
"Genau dasselbe hat mir Karaha gesagt. Und daß sie sie damals dazu
gebracht haben, ein Kind zu foltern und dieses Kind hat ihr den besten
Ratschlag seines Lebens gegeben. Den, sich zu weigern." erzählte
er.
"Das Kind war ich. Karaha ist eine gute Freundin von mir. Ich würde
mein Leben in ihre Hände legen." sagte ich.
"Warum? Sie hat dich gefoltert."
"Sie würde es aber nie wieder tun."
Tojinia kam herein, sah mich triumphierend an und sagte boshaft:
"Ich habe dich erwischt: du hat versucht Torion dazu zu bringen,
daß er auffört zu foltern. Jetzt endlich darf ich dich
bestrafen!"
Da fiel mir auf, daß das Triumphgefühl an der falschen Stelle
auftauchte. Sie freute sich nicht, mich foltern zu müssen - im
Gegenteil. Ihr hatte gefallen, daß ich die Pläne der Engel
vereitelte. Sie hatte mir nicht ausversehen alles erzählt, was ich
wissen wollte, sondern absichtlich. Ich lächelte und sagte ihr
ernst:
"Tojinia, dein Haß zerstört nicht deine Feinde sondern
dich. Um deiner selbst willen solltest du lernen, darüber
hinauszuwachsen."
Sie starrte mich zuerst verwirrt an, dann begriff sie, daß ich sie
durchschaut hatte und schimpfte schließlich demonstrativ mit dem
Engel, weil er mich nicht gefoltert hatte. Er weigerte sich, dergleichen
jemals wieder zu tun."
Ich fragte mich, ob er schon einmal einen Menschen gefoltert hatte. Da fragte mich Tojinia:
"Was hast du nur mit Torion gemacht? Er weigert sich, weiter hier zu arbeiten."
"Ich habe mich nur ein wenig mit ihm unterhalten. Darf ich das nicht?" fragte ich.
"Nein. Du darfst dich überhaupt nicht mit Engeln unterhalten. Wie
fühlt sich dein Körper an?"
Ich sagte nichts.
"He, ich habe dir eine Frage gestellt!"
Ich schwieg.
Tojinia setzte die Foltermaschine in Gang und ich verlor die Besinnung.
Als ich beim nächsten Gespräch immer noch nicht antwortete,
fragte sie schließlich, warum ich nicht reden würde.
"Wieso? Du hast mir doch gesagt, daß ich mich überhaupt nicht
mit Engeln unterhalten darf!" sagte ich mit einem unschuldigen
Gesichtsausdruck.
"Ab jetzt beantwortest du unsere Fragen wieder, klar?"
Ich nickte. Und sie folterte mich wieder.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615,
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