O7.1 Kersti: Wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu Nahtodeserfahrungen (Quellen hierzu)
O7.10 Kersti: Psychologie der Nahtodeserfahrung

ausgegliedert aus O7.10: 1/2009
letzte Überarbeitung: 1/2009

O7.73

Delirium im Vergleich zur Nahtodeserfahrung

Die meisten Todesnähe-Erlebnisse treten ein, wenn das Gehirn nicht mehr genug lebenswichtigen Sauerstoff bekommt. Deshalb sehen viele Beobachter darin den Zustand schwerer Bewußtseinstrübung, den man gemeinhin "Delir" nennt. Viele verschiedenartige schwere Erkrankungen gehen mit Delirien einher. Man versteht darunter ein akutes chemisches Ungleichgewicht im Gehirnstoffwechsel, das normalerweise ohne psychische Schädigung des Patienten reversibel ist. 3.1 S.127

Patienten im Delir sind desorientiert und in der Wahrnehmung ihrer Umwelt beeinträchtigt. Sie leiden häufig unter alptraumartigen Halluzinationen, in denen Tiere, oft auch Insekten, vorkommen. Das Denken verläuft sprunghaft, ungeordnet und ohne Ziel. Delirante Patienten können sich nicht konzentrieren und fallen, wenn man sie nicht in ein Gespräch verwickelt, leicht in halluzinatorische Zustände zurück. Die Patienten schauen ihren Sinnestäuschungen scheinbar unbeteiligt zu, als ob sie sich in einiger Entfernung auf einer Filmleinwand abspielten. 3.1 S.127-128

Die Patienten, die ein Delirium erlebt haben, erwähnen weder Ausleibigkeitserfahrungen, Erinnerungspanorama oder starke, alles durchdringende Liebe noch irgendeines der übrigen Merkmale eines Nahtodeserlebnisses. Sie erleben es nicht als spirituellen Wendepunkt, als Vision, die ihnen einen neuen Lebenssinn, Freude und moralische Führung oder gar einen spirituellen Wandlungsprozeß bringt. Die Trugbilder des Delirs werden niemals in so glühenden Farben geschildert wie ein Todesnähe-Erlebnis. 3.1 S.128-129

Wenn das Delir abgeklungen ist, behalten die Patienten normalerweise nur nebelhafte Erinnerungen zurück und schildern das Erlebte in unzusammenhängenden Bruchstücken. Das Delir erscheint ihnen als bedrückender Ausnahmezustand, den sie nur zu gerne hinter sich lassen und den sie als von einen "schlechten Trip" beschreiben. 3.1 S.128-129

Alfred Salomon schildert ein Erlebnis, das die Folge einer schweren Vergiftung durch Harnstoffe war.

Delirium: Wölfe, Wölfe...

Es ist schon ein paar Jahre her. Die Operation war unvermeidbar. Nephrektomie: die rechte Niere mußte heraus. Am dritten Tag nach der Operation kam es zur Krise. Die mir verbliebene Niere schaffte das nunmehr doppelte Pensum nicht. Im Blut reicherten sich Gifte an. Urämie, sagte der Arzt. Doch davon hörte ich erst später. Damals hatte ich abgeschaltet. Nur wenn der jähe Schmerz einer Injektion mich weckte, war ich für Sekunden da.

Sonst war ich allein. Auf einer endlos weiten Steppe. Braundürres Gras bis zum fernen Horizont. Darüber ein fahler Himmel mit jagenden Wolken. Und dann kam es über die letzten Hügel: Gelbe Wölfe in dichter Front! Welle hinter Welle, wogende Rücken, trommelnde Läufe. Auf mich zu! Ich hörte meine Zähne knirschen. Ich sah mich selbst: wie ich niederkniete, mich fest einstemmte. Laß dich nicht umreißen! Die Bestien - Jetzt sind sie da! Geifernder Schaum und bleckende Zähne. Ganz dicht vor meinen Augen. Ich packte zu, in jagender Angst, mit beiden Händen. Und griff ins Leere.

Der nächste, übernächste: Ich sah die giftgelben Augen. Ich hörte das Hecheln und Heulen. Ich griff, packte zu und - faßte ins Leere. Immer wieder, immer wieder.

Ich sah, wie die gelbe Woge sich vor mir teilte; wie flockende Felle mich streiften, geifernde Rachen schnappten. Vorbei, vorbei!

Und wieder eine neue Welle wogender Leiber - Kampf ohne Ende - Seltsam, daß mitten in diesem Rasen mein Verstand sich meldete, nüchtern die Lage analysierte: Bitte, mein Lieber, es sind nur Halluzinationen! Dein fieberflammendes Hirn gaukelt dir das alles vor. Greif nur hin! Und du faßt durch.

Plötzlich erfüllte mich Ruhe. Ich hatte den Spuk begriffen. Zupacken! Und die Wölfe werden zum leeren Wahn.

Tage danach, als alles vorüber war, berichtete man mir: "Stundenlang haben Sie mit den Händen ins Leere gegriffen. Es war nicht mehr mitanzusehen." Als ich sagte, warum ich's tat, sah mich der Arzt ernst an: "Sie waren ganz hart an der Grenze." Ich war an der Grenze. Ich weiß nicht, ob auch andere, die an die Grenze geführt werden, die gelben Wölfe sehen. Ich weiß nicht, ob auch sie zupacken und den Wahn begreifen. Es könnte sein, daß einer sich zur Flucht wendet. Und unter die Wölfe gerät. Ist das dann - der Tod? Ich hatte damals mein Haus bestellt: gebeichtet, das Abendmahl genommen. Ich war bereit, die Grenze zu überschreiten. Der Tod war mir das andere Ufer. Ich kann nur hoffen, daß ich auch bereit bin, wenn wieder die gelben Wölfe kommen. Sie werden kommen. 9.2 S.30-32

Kersti


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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.
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