O7.1 Kersti: Wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu Nahtodeserfahrungen (Quellen hierzu)

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letzte Überarbeitung: 2/2009

O7.83

Nahtodeserfahrungen und Jenseitsreisen im Mittelalter

Totenbettvisionen wurden im frühen Mittelalter (445 n.Chr.) beschrieben und erstmals von Papst Gregor dem Großen im 6. Jahrhundert nach Christi als Beweis für die Unsterblichkeit der Seele in einer Fallsammlung zusammengestellt. 1.6, 1.8, 1.9, 1.10

Sie enthält alle Elemente der modernen Berichte, nur die Ausgestaltung variiert: Es wurden etwas häufiger negativ-dämonische Visionen berichtet, die sich dann aber zumeist in positive verwandelten; man begegnete häufiger Engeln und Heiligen als eigenen Verwandten; die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit im Lebensfilm wurde durch eine Bewährungsprobe, eine Gerichtsszenerie oder ein Lebensbuch ersetzt, und die Rückkehr in den Körper wird meist befohlen. Auch die Auswirkungen ähnelten denen der heutigen Sterbeerfahrungen, entsprachen jedoch der vorherrschenden Mentalität und Religion: Man lebte strenger nach den damaligen Heilsvorschriften der katholischen Kirche, zu deren Unterstützung man die Erlebnisse dann auch verkündete. 1.6, 1.8, 1.9

Während der Körper des Kranken wie tot daliegt, hat dieser ein Außerkörperliches Erlebnis. Seine Seele wird von dort aus oft unter dämonischen Angriffen ins Jenseits geführt. Wenn er die paradiesischen oder himmlischen Regionen werden in mittelalterlichen Berichten etwas seltener als die Straforte geschaut. Sie stellen sich dem Sterbenden meist in Form eines herrlichen Gartens oder einer wunderbaren Stadt dar. Neben Gott, der Mutter Gottes, den Heiligen und Engeln trifft er dort nur selten auf Verwandte, öfter aber auf andere gerettete Gläubige. Die Rückkehr der Seele in ihren Leib erfolgt nur unter dem Widerstand des Sehers und hat oft depressive Empfindungen zur Folge. Wenn er noch weiterlebt, dann ändert sich fast immer der weitere Lebensweg des Visionärs hin zu größerer Frömmigkeit. 1.9

Schutzengel und Heilige verteidigten den NDEr gegen die Angriffe der persönlichen Dämonen, die dem Erlebenden seine Verfehlungen vorhielten, was das mittelalterliche Gegenstück zum modernen Lebensfilm darstellt. Dabei wird das Leben des Betreffenden nicht selten aus einem Lebensbuch vorgelesen und beurteilt. 1.9

Papst Gegor schrieb im vierten Buch seiner Dialoge:

XXXVI. Kapitel: Von den Seelen, die scheinbar irrtümlich aus dem Leibe entführt werden, von der Abberufung und Wiederzurückrufung des Mönches Petrus, vom Tode und der Auferweckung des Stephanus und von dem Gesichte eines Soldaten

Gregorius. Wenn dies geschieht, Petrus, so ist es, genau genommen, kein Irrtum, sondern eine Mahnung, Denn in ihrer großen Barmherzigkeit läßt es die göttliche Güte geschehen, daß einige nach dem Hinscheiden wieder zu ihrem Leibe zurückkehren, damit sie die Höllenpeinen, an die sie nicht glaubten, wenn sie davon hörten, wenigstens fürchten, nachdem sie sie gesehen haben.

Die Abberufung und Wiederzurückrufung des Mönches Petrus

So erzählte mir öfters ein illyrischer Mönch, der hier zu Rom mit mir im Kloster war, er habe damals, als er noch Einsiedler war, erfahren, daß ein Mönch, Petrus, aus Spanien gebürtig, der sich mit ihm in der Evasa genannten weitläufigen Einöde aufhielt, einer Krankheit erlag, bevor er zu ihm in die Einöde kam; so hat es ihm der Mönch Petrus selbst erzählt; aber mit einem Mal wurde er wieder ins Leben zurückversetzt, und da bezeugte er, er habe die Höllenstrafen und unzählige Flammenherde gesehen; ja auch einige Große dieser Welt sah er, wie er berichtete, in den Flammen schweben. Schon sollte auch er in diese versenkt werden, als plötzlich ein Engel in glänzendem Gewände erschien und verbot, ihn ins Feuer zu werfen, und zu ihm sprach: ?Geh? und siehe wohl zu, wie du von nun an leben mußt!? Nach diesen Worten strömte wieder Wärme in seine Glieder und er erwachte vom Schlaf des ewigen Todes und erzählte alles, was sich um ihn zugetragen hatte. Von da an tötete er sich so sehr mit Fasten und Nachtwachen ab, daß schon sein Wandel verkündete, er habe die Höllenqualen gesehen und sei von Furcht vor ihnen durchdrungen worden, wenn auch seine Zunge davon geschwiegen hätte. Durch des allmächtigen Gottes wunderbare Liebesfülle geschah es bei seinem Tode, daß er nicht dem Tode verfiel.

Die Auferweckung des Stephanus

Aber da das Menschenherz gar hart ist, so ist sogar die Voraugenführung der Strafen nicht für alle gleich nützlich. So erzählte mir der erlauchte Stephanus, den du selbst gut gekannt hast, öfters von sich selbst, daß er an einer Krankheit gestorben sei, als er sich wegen eines Geschäftes in Konstantinopel befand. Man sandte nach Arzt und Salbenhändler, um den Leichnam zu öffnen und einzubalsamieren; da man sie aber nicht finden konnte, blieb der Leichnam für die folgende Nacht unbeerdigt. Stephanus aber wurde in die Hölle geführt und sah Dinge, an die er früher niemals glaubte, wenn er auch davon gehört hatte. Als man ihn zum Richter, der den Vorsitz führte, brachte, nahm ihn dieser nicht an, sondern sagte: ?Ich habe nicht diesen, sondern den Schmied Stephanus kommen lassen.? Augenblicklich wurde er wieder mit dem Leibe vereinigt, der Schmied Stephanus dagegen, der neben ihm wohnte, starb in derselben Stunde. So erwies sich als wahr, was er gehört hatte, indem der Tod des Stephanus die Sache bestätigte.

Von dem Gesichte eines Soldaten

Als vor drei Jahren die Pest überaus heftig wütete und diese Stadt entvölkerte, wobei man sogar mit leiblichem Auge Pfeile vom Himmel kommen und die Leute töten sah, wie du dich erinnerst, starb auch dieser Stephanus. Es wurde aber auch ein Soldat ebenfalls in unserer Stadt von der Pest befallen und kam dem Tode nahe. Er verschied und lag tot da, kehrte aber bald wieder zurück und erzählte, was mit ihm geschehen war. Er sagte - und dies ist damals noch vielen bekannt geworden -, es sei eine Brücke da gewesen, unter welcher ein schwarzer, düsterer Strom dahinfloß, der einen Nebel von unerträglichem Geruch ausdünstete. Jenseits der Brücke waren freundliche, grünende Wiesen voll von wohlriechenden Blumen, und dort schien der Sammelpunkt von weißgekleideten Menschen zu sein. Ein solcher Wohlgeruch herrschte an jenem Orte, daß die Menschen, die dort wohnten, ganz davon durchdrungen waren. Ein jeder hatte dort seine Wohnung, die ganz von strahlendem Licht durchflutet war. Dort wurde gerade ein wunderbar herrliches Haus gebaut, zu dem goldene Ziegelsteine verwendet wurden; aber er konnte nicht erfahren, für wen es bestimmt war. Auch an dem Ufer des Stromes standen Wohnungen; die einen wurden von dem aufsteigenden übelriechenden Nebel berührt, die andern dagegen berührte der vom Strome aufsteigende abscheuliche Geruch nicht. Auf der Brücke aber mußte man die Probe bestehen; wenn ein Ungerechter über sie gehen wollte, fiel er in den düstern, übelriechenden Fluß, während die Gerechten, denen keine Schuld ein Hindernis in den Weg legte, sicheren und unbehinderten Schrittes zu den freundlichen Gestaden gelangten. So, sagte er, habe er auch den Kirchenvogt Petrus, der vor vier Jahren gestorben ist, tief unten an einem abscheulichen Ort, mit einer schweren und großen Kette gefesselt und niedergedrückt gesehen. Als er fragte, warum das also wäre, hat er Dinge vernommen, an die wir uns gar gut erinnern; haben wir ihn ja doch in diesem geistlichen Hause wohl gekannt. Es wurde ihm nämlich gesagt: Dies leidet er deshalb, weil er, so oft er eine Strafe zu vollziehen hatte, seinen Dienst mehr aus grausamer Lust, die Leute zu quälen, als aus Gehorsam leistete. Daß dies der Fall war, weiß jeder, der ihn gekannt hat. Er behauptete auch, einen fremden Priester dort gesehen zu haben, der, als er zur Brücke kam, sie ebenso mutig überschritt, als er rein auf Erden gelebt hatte. Er beteuerte, auf dieser Brücke auch den erwähnten Stephanus erkannt zu haben. Als dieser die Brücke überschreiten wollte, strauchelte sein Fuß, und er fiel mit dem halben Körper außerhalb der Brücke und wurde von einigen furchtbaren Männern, die aus dem Fluß heraufstiegen, an den Hüften abwärts, hingegen von einigen weißgekleideten, wunderschönen Männern an den Armen aufwärts gezogen. Während dieses Kampfes, wobei ihn die guten Geister aufwärts, die bösen abwärts zogen, kehrte derjenige, der dieses sah, zum Leibe zurück und wußte nicht, was mit Stephanus weiter geschehen sei. Daraus läßt sich hinsichtlich des Lebens des Stephanus erkennen, daß in ihm Fleischessünden gegen die Werke der Barmherzigkeit stritten. Denn da er an den Hüften abwärts, an den Armen aufwärts gezogen wurde, so erhellt daraus, daß er zwar gerne Almosen gegeben, aber den Fleischessünden, die ihn abwärts zogen, nicht vollkommen Widerstand geleistet hat. Was aber bei jener Prüfung durch den verborgenen Schiedsrichter obsiegte, ist uns und dem, der es gesehen hat und zurückgerufen wurde, verborgen. Das jedoch steht fest, daß jener Stephanus, nachdem er, wie oben erzählt, die Hölle gesehen und zum Leibe zurückgekehrt war, sein Leben durchaus nicht vollkommen besserte, da er nach vielen Jahren noch in einem Kampfe zwischen Leben und Tod vom Leibe schied. Daraus sieht man, daß der Anblick der Höllenstrafen den einen zur Rettung, den andern zum Zeugnis wider sie gereicht. Jene sollten das Böse sehen, vor dem sie sich in acht nehmen mußten, diese aber um so ärgere Strafe empfangen, weil sie die Höllenstrafe nicht meiden wollten, obwohl sie diese sahen und kennen lernten. 3.4

Papst Gregors Deutung der Geschichten:

XXXVII. Kapitel: Was das bedeutet, daß auf jenen schönen Gefilden ein Haus gebaut wurde; und von Deusdedit, dessen Haus an einem Sabbat errichtet wurde; und von der Strafe der Sodomiter

Gregorius. Welcher vernünftige Mann wird aber auch das darunter verstehen? Vielmehr wird durch das Geschaute angezeigt, was derjenige auf Erden für Werke tat, für den diese Wohnung bereitet wird, mag er nun sein, wer er will. Denn wer durch reichliches Almosen den Lohn des ewigen Lichtes sich verdient, der baut sich ohne Zweifel seine Wohnung mit Gold. Ich habe nämlich vorher vergessen, zu sagen, daß nach der Erzählung des Soldaten, der dies sah, Greise und Jünglinge, Mädchen und Knaben die goldenen Steine zum Bau des Hauses herbeitrugen. Daraus erkennt man, daß diejenigen, denen er hier Gutes erwies, dort als seine Bauleute erschienen.

Hier in unserer Nähe wohnte ein frommer Mann namens Deusdedit, der ein Schuhmacher war. Ein anderer hatte das Gesicht, daß dessen Haus gebaut werde, aber man sah die Bauleute nur am Samstag daran arbeiten. Er forschte dann später in dem Leben dieses Mannes nach und erfuhr, daß er alles, was er an den einzelnen Arbeitstagen an Nahrung und Kleidung erübrigte, am Samstag zur Kirche des heiligen Petrus trug und dort den Armen austeilte. Entnimm daraus, daß an seinem Hause nicht ohne Grund an den Samstagen gebaut wurde.

Petrus. Über diesen Punkt bin ich hinreichend zufrieden gestellt; aber ich bitte dich, wie erklären wir es, daß einige Wohnungen von dem übelriechenden Nebel erreicht wurden, andere dagegen nicht? Und was bedeutet es, daß er eine Brücke, und was, daß er einen Strom gesehen hat?
Gregorius. Aus dem Bild, Petrus, wird uns die Bedeutung einer Sache klar. Er sah die Gerechten über [S. 241] eine Brücke an den Ort der Freude wallen, weil der Weg sehr schmal ist, der zum Leben führt.1 Einen übelriechenden Strom sah er, weil hier auf Erden täglich die Fäulnis des Lasters dem Abgrunde zuströmt. Die Wohnungen der einen wurden von dem übelriechenden Nebel erreicht, die der andern nicht, weil es viele gibt, die zwar schon viel Gutes tun, aber in ihren Gedanken noch an fleischlichen Gelüsten Gefallen haben. Es ist ganz gerecht, daß sich dort über jene ein übelriechender Nebel lagert, die hier die Fäulnis des Fleisches ergötzt. Deshalb sah der heilige Job, daß die Fleischeslust mit widerwärtigem Gerüche verbunden sei, indem er von dem Wollüstigen und Unzüchtigen das Urteil fällte: ?Seine Süßigkeit sind Würmer.? Die aber ihr Herz vollkommen vor aller Fleischeslust bewahren, deren Wohnstätten werden erklärlicherweise von dem übelriechenden Nebel nicht berührt. Dabei ist zu beachten, daß der üble Geruch und der Nebel als dasselbe erscheinen, weil die Fleischeslust den Geist verdunkelt, der mit ihr behaftet ist, so daß er den Glanz des wahren Lichtes nicht sieht, sondern durch die von unten stammende Lust gegen oben hin blind wird.
Petrus. Läßt sich das wohl durch das Ansehen der Heiligen Schrift beweisen, daß die Fleischessünden durch üblen Geruch bestraft werden?
Gregorius. Allerdings; denn nach dem Zeugnis der Genesis wissen wir, daß der Herr Feuer und Schwefel über die Sodomiter regnen ließ,3 so daß sie das Feuer in Brand setzte und der Schwefelgeruch tötete. Denn weil sie von unerlaubter Liebe zum verweslichen Fleische entbrannten, fielen sie dem Feuer und dem Verwesungsgeruch anheim, damit sie in ihrer Pein erkennen sollten, wie sie sich durch ihre Lust an dem üblen Geruch dem ewigen Tode überliefert hätten.
Petrus. Ich gestehe, es bleibt mir zu den Zweifeln, die ich hatte, nichts mehr zu fragen übrig.

Kersti


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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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