Zuerst erschienen in Idee und Bewegung, Heft 48 (Heft 4/1999)
zuerst auf dieser Internetseite zwischen dem 01.05.2000
und dem 07.06.2000
letzte Überarbeitung: 4/2022-5/2022
letzte Bearbeitung: 5/2022
1. Geschmack, eine leistungsfähige und sehr billige chemische Analyse
Der Geschmackseindruck setzt sich aus dem Geruch und den von der Zunge geschmeckten Qualitäten und unserem Geruchssinn zusammen. Während der Geschmack das Vorhandensein wichtiger Grundnährstoffe prüft und Giftstoffe erkennt, dient der Geruchssinn dazu, möglichst jede chemische Substanz zu erkennen und zuzuordnen. Diese Informationen werden dann mit den einschlägigen Lernerfahrungen des Körpers zur chemischen Zusammensetzung von Nahrungsmitteln verglichen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen erhalten wir so eine Unmenge an Informationen über die chemische Zusammensetzung dessen, was wir probieren. Eine ebenso leistungsfähige Analyse im Chemielabor ist schwieriger, teurer und dauert länger. Aus wissenschaftlichen Gründen ist eine solche Analyse manchmal sinnvoll. Für den Alltagsgebrauch ist der Geschmack weitaus besser. Allerdings müssen wir uns erst darauf trainieren, Ungesundes als schlecht zu empfinden, besonders wenn es erfunden wurde, um unseren Geschmack in die Irre zu führen wie Süßstoff.
In der Schule hatte ich gelernt, daß wir an unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Geschmäcker schmecken, süß an der Zungenspitze, salzig vorne und sauer hinten an beiden Seiten der Zunge, bitter hinten in der Mitte der Zungenwurzel.
Genauere Messungen zeigen, daß der Geschmack viel diffuser auf der Zunge verteilt ist als diese Karte nahelegt und daß die Bereiche, mit denen wir verschiedene Geschmäcker schmecken, sich deutlich überlappen. Man kann aber, wenn man sich eine solche genauere Karte ansieht, schon feststellen, daß an den oben gezeigten Stellen der dort genannte Geschmack am stärksten durch die anderen Geschmäcker durchschmecken dürfte und das war die Aussage, die der ursprüngliche Autor, von der diese Karte abgeleitet wurde, tatsächlich gemacht hatte. Das Geschmacksempfinden ist auf der Zunge nicht ganz gleichmäßig verteilt und an diesen Stellen schmeckt der jeweilige Geschmack am stärksten durch die anderen durch.23.
Eine geringere Zahl an Geschmacksnospen gibt es am Gaumensegel (Velum palatinum, auch weicher Gaumen (Palatum molle) genannt) im Rachen (Pharynx) und auf dem Kehldeckel (Epiglottis), diese sind aber nicht in Geschmackspapillen organisiert. Wir schmecken bewußt also überwiegend aber nicht ausschließlich mit der Zunge.23.
Zelltypen und Synapsen in der Geschmacksknospe. (A) Elektronenmikroskopisches Bild einer Geschmacksknospe eines Kaninchens. Einige der Zellen haben ein helles, andere ein dunkles Zellplasma. Die Pfeile zeigen auf durchgeschnittene Nerven. Die Sterne zeigen Geschmackssinneszellen vom Typ II an.
(B) Eine Geschmacksknospe einer Maus.
Grün leuchten die Geschmackssinneszellen vom Typ II, da sie GFP exprimieren.
Geschmackssinneszellen vom Typ III leuchten rot, da sie eine synapse haben und der Neurotransmitter Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC), (auch DOPA-Decarboxylase (DDC)) mit einer Antikörperfärbung rot angefärbt wurde.
(C) Geschmacksknospe
Die Geschmackssinneszellen vom Typ I sind außen rot mit einer Antikörperfärbung gegen NTPDase2
Grün leuchten die Geschmackssinneszellen vom Typ II, da sie GFP exprimieren.
Taste buds immunostained for NTPDase2 (an ectonucleotidase associated with the plasma membrane of Type I cells) reveal the thin lamellae (red) of Type I cells. These cytoplasmic extensions wrap around other cells in the taste bud. GFP (green) indicates receptor cells as in B. Bar, 10 µm.
(D) High magnification electron micrograph of a synapse between a presynaptic taste cell and a nerve terminal (N) in a hamster taste bud. The nucleus (Nu) of the presynaptic cell is at the top, and neurotransmitter vesicles cluster near the synapse(s). The nerve profile includes mitochondria (m) and electron-dense postsynaptic densities. mt, microtubule.
Geschmacksknospen enthalten 50–100 Geschmackssinneszellen27.. Jede dieser Geschmackssinneszellen enthält nur einen Typ von Geschmacksrezeptoren ist also auf einen einzigen Geschmack spezialisiert.15.
Geschmackssinneszellen vom Typ I sind etwa die Hälfte der Zellen in einer Geschmacksknospe. Sie haben sehr komplexe Zellkerne, sind spindelfärmig mit vielen feinen Fortsätzen und sind Astrozyten in vielerlei Hinsicht ähnlich. Am dem Ende, das in die Geschmackspore reicht, haben sie viele Microvilli. Sie nehmen salzigen Gechmack wahr.6., 13. Sie arbeiten mit einem CALHM1/3-Kanal der ATP aus der Zelle ausschleust und dadurch Nervenfortsätze, die mit der Zelle in Kontakt stehen, aktiviert.24.
Geschmackssinneszellen vom Typ II haben einen relativen runden und glatten Kern und eine glatte Spindelform, deren Spitze in einem einzelnen Microvillus ausläuft. Typ 2 Zellen arbeiten mit G-Protein-Gekoppelten Rezeptoren, ähnlich dem Sehfarbstoff Rhodopsin.
O7.19.2.2.3.2.2
Rhodopsin mit Retinal - ein G-Protein gekoppelter Rezeptor, der Licht erkennen kann
Rezeptoren der Geschmackssinneszellen vom Typ 2 gibt es für vier verschiedene Geschmäcker: süß, bitter, umami und fettig. Transient receptor potential cation channel subfamily M member 4 und 5 (TRPM4 und TRPM5) spielt eine Rolle bei der signalübertragung33., 34.. Die Zellen benutzen CALHM1 ATP-Kanäle um die Nervenzellen zu aktivieren27., 28..
Geschmackssinneszellen vom Typ III sind schlanke lange Zellen, die in einen einzelnen Mikrovillus auslaufen, die Kerne sind länglich und leicht eingekerbt. Sie besitzen den H+Kanal OTOP1, der zu Wahrnehmung des sauren Geschmacks dient.4. Sie haben normale Synapsen mit Nervenzellen27..
Type III cells have conventional synapses, express voltage-gated Ca2+ channels (VGCCs) and synaptic proteins such as SNAP-25, and detect sour stimuli (13–15).34.
Geschmackssinneszellen vom Typ IV sind unausgereifte Geschmackssinneszellen, die die sich innerhalb von ein paar Tagen zu ausgereiften Zellen der anderen drei Typen entwickeln. Sie wurden früher Basalzellen genannt.
Der Geruchssinn hat die Aufgabe möglichst jede wichtige chemische Substanz wahrzunehmen und von möglichst jeder anderen chemischen Substanz zu unterscheiden, damit wir lernen können, welche chemischen Substanzen uns nutzen und welche uns schaden. Wie das Immunsystem hat unser Geruchssinn damit die Aufgabe, viele biologische Substanzen zu unterscheiden, die sich im Verlauf der Evolution ändern, weil neue Organismen neue biologische Substanzen kreieren, die gesund oder giftig sein können, auf nützliche oder schädliche Dinge, Tiere und Pflanzen oder Umstände hinweisen können. Deshalb sind Immunsystem und Geruchssin zwei Bereiche, in denen die dafür zuständigen Gene eine hohe Variabilität aufweisen.2.
Im Darm wurden alle Geschmacksrezeptoren festgestellt, die auch im Mund vorhanden sind. Der Darm kann also alles schmecken, was wir bewußt schmecken und uns daher sehr differenzierte Rückmeldungen geben, was benötigt wird. Geschmackssinneszellen gibt es nicht nur im Verdauungssystem, sondern man findet sie an den verscheidensten Stellen im Körper, wo sie sehr unterschiedliche Funktionen haben. Bei Mäusen wurde der Süßrezeptor im Gehirn8., Bitterrezeptoren in der Lunge14., der Kanal der im Mund als Salzrezeptor dient wird auch in der Niere gefunden24.
Geschmackssinneszellen von Typ 1 sind etwa die Hälfte der Zellen in einer Geschmacksknospe. Sie haben sehr komplexe Zellkerne, sind spindelförmig mit vielen feinen Fortsätzen und sind Astrozyten in vielerlei Hinsicht ähnlich. Am dem Ende, das in die Geschmackspore reicht, haben sie viele Microvilli.6., 13.
Der epitheliale Natriumkanal (kurz: ENaC von engl.: epithelial Na channel) ist der Rezeptor, mit dem wir Natriumionen wahrnehmen, also die eine Hälfte des Salzes, das ja chemisch Natriumchlorid (NaCl) ist. Dieser Rezeptor ist der mit dem wir Salz als etwas attraktives, leckeres wahrnehmen, wenn nicht zu viel davon im essen ist. Er ist nur im vorderen Teil der Zunge zu finden, wo wir Salz schecken.24.
Der P2X2-Rezeptor setzt sich aus drei gleichen Teilen zusammen, die im Bild violett, grün und rot gezeichnet sind, es handelt sich also um einen proteinkomplex. A stellt den Rezeptor von außen, B durchgeschnitten um den Verlauf der Pore durch den Kanal zu zeigen, links ist der Kanal geschlossen, rechts offen. Wo "lateral portals" steht, gelangt das Ion von der Seite aus in die Pore, das ist ungefähr das wo im unteren Bild "extrazellular" für "Außerhalb der Zelle" steht. Alles was über diesem wort steht, ist außerhalb der Zelle. Nur der kleinste Teil unterhalb des Wortes "extrazellular" befindet sich in der Zellmembran und das unterste Ende innerhalb der Zelle.
Zudem meldet der Geschmack an den Körper, welches Nahrungsmittel jetzt kommt. Wenn diese Meldung falsch ist, kann das zu Problemen führen. Bei Süßstoffen wird an den Körper gemeldet, daß jetzt Zucker kommt, die Bauchspeicheldrüse schüttet Insulin aus, der Zuckerspiegel sinkt, es kommt kein Zucker sondern etwas unverdauliches, wir haben einen zu niedrigen Zuckerspiegel wegen Insulinausschüttung und bekommen Hunger. Daher wirken Süßstoffe appetitanregend.
VB29.2.4
Der süße Geschmack oder warum Süßstoffe manche Leute dick machen können
Im Darm wird dann aber doch noch erkannt, daß es sich bei Süßstoffen nicht um Zucker handelt und Menschen wie Mäuse ziehen deshalb letztlich Zucker vor. Für die Unterscheidung von Glukose und Zucker Glukose transporter and der kalziumabhängige ATP-Kanal verantwortlich
VB218.6.4.2
Der ATP-sensitive Kaliumkanal - ein Beispiel für einen Proteinkomplex
VB29.2
Entgleisungen des Stoffwechsels: Zucker und Weißmehl als Suchtmittel
Durch den Glucose-Transporter 2 (GLUT2, beige, im linken Rand der Zelle) gelangt Glukose (rote Sechsecke) in die Zelle und wird durch Glukokinase zu Glukose-6-Phosphat umgewandelt.
Durch den Krebs-Zyklus (grüner Kreis) in den Mitochondrien wird diese Energie verwendet, um aus ADP ATP (rote Sterne) herzustellen.
Das ATP verschließt den ATP-sensitiven Kaliumkanal (oben, grün), so daß sich K+-Ionen in der Zelle ansammeln und die Zelle depolarisieren.
Dies öffnet den spannungsgesteuerten Kalziumkanal (beige, im rechten Rand der Zelle), so daß Ca2+-Ionen (graue Punkte) in die Zelle einströmen, die wiederum bewirken daß die mit Insulin (orangene Punkte) gefüllten Vesikel (graue Kreise) Insulin aus der Zelle ausschütten.
Der T1R2 & T1R3 Süßgeschmacksrezeptor wird auch im Darm exprimiert. Der Natrium/Glucose-Cotransporter 1 (SGLT1) dient im Darm zur Unterscheidung zwischen Zucker und Süßstoff und diese Wahrnehmung wird über den Vagus-Nerv ans Gehirn weitergeleitet.11.
Auch Fett ist eine eigene Geschmacksrichtung5.
CD36, FFAR4, FFAR2, GPR84 and KCNA2 sind Rezeptoren für Fettgeschmack beim Menschen 7.
Die Zellen benutzen CALHM1, ATP-Kanäle um die Nervenzellen zu aktivieren.31.
transient receptor potential channel type M5 (TRPM5) spielt eine rolle32.
Außerdem ist unser Geschmack mit unseren körperlichen Bedürfnissen und früheren Erfahrungen mit Essen so rückgekoppelt, daß wir das als lecker empfinden, was uns gerade gut tut6..
V9.
Auf den eigenen Körper hören
↑Bild V0043.JPG:
Deutsch beschrifteter Ausschnitt aus File:1402 The Tongue.jpg von OpenStax Anatomy and Physiology
Vielen Dank, daß Du das Bild unter CC BY 4.0 hochgeladen hast! Thank you very much!
Emily R. Liman:
Salty Taste: From Transduction to Transmitter Release, Hold the Calcium. In: BZ458. Neuron, Volume 106, Issue 5, 3 June 2020, Pages 709-711 (Volltext)
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615,
https://www.kersti.de/,
Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
Lesern immer bekomme.