Blind sein ist ein bewältigbares Problem
Eine schreckliche Vorstellung, nicht wahr?
Und doch ist diese Vorstellung nicht ganz richtig: Zwar könnte
jeder von uns problemlos Hobbys und andere Beschäftigungen
aufzählen, denen er so nicht nachgehen könnte, wenn er
blind wäre, doch das Leben von Blinden ist normalerweise
genauso erfüllt wie unseres, denn in jedem Lebensbereich
gibt es genug Betätigungsmöglichkeiten, denen auch
Blinde nachgehen können:
- Künstlerisch: Töpfern, Bildhauerei,
schnitzen, schmieden...
- Musik: praktisch alles, nur die Notenschrift für
Blinde ist umständlicher, so daß die meisten Blinden
Lieder vom hören lernen.
- Sport: Reiten, Skilanglauf (die Loipe ist vorgespurt),
Judo...
- Haushalt: für jede im Haushalt notwendige Arbeit
gibt es Spezialtechniken für Blinde.
- Lesen: Es gibt für blinde die Blindenschrift und
spezielle Hörbibliotheken die Kassetten mit auf Band gelesenen
Büchern verschicken.
- Computer: Es gibt spezielle Vorleseprogramme, die
sowohl eingescannte Texte als auch den Bildschirminhalt des Computers
vorlesen, so daß es gut möglich ist, mit dem
Computer zu arbeiten.
- Verkehr: Öffentliche Verkehrsmittel und
Blindenstocktechniken reichen normalerweise aus, um sich
selbstständig in vertrauter Umgebung zurechtzufinden.
Durchschnittlich kann man sagen, daß Blinde etwa in allen
Lebensbereichen ein drittel mehr Arbeit haben, wenn sie dasselbe
erreichen wollen wie Sehende. Das an sich ist für
sie aber meist kein Grund unglücklich zu sein. - Der Arbeitsaufwand
liegt durchaus noch in dem Bereich, den Menschen problemlos
bewältigen können, sofern sie einen Beruf ergreifen, wo sie
etwa denselben Aufwand betreiben müssen wie Sehende.
Schwierig sind die nicht Behinderten
Die wirklichen Probleme entstehen im sozialen Bereich.
Im Umgang mit Behinderten gibt es drei Hauptfehler:
- Bevorzugung an unsinnigen Stellen: Wenn jemand weil
er blind ist beim Essen ein Stück Kuchen mehr bekommt, so
löst das kein Problem, das mit der Blindheit zusammenhängen
könnte - es schafft aber neue soziale Probleme - beispielsweise
Neid.
- Abwertung: wenn jemand einen Blinden so behandelt als
wäre er gleichzeitig noch taub, schwachsinnig und ein Kleinkind,
macht er dem Blinden die Sache nur unnötig schwer.
- Unerfüllbare Forderungen stellen
- Sich gleich gar nichts mehr trauen
So geht man mit Behinderten um
- Fehler machen ist normal: Kaum einer von uns hat
eine Spezialausbildung im Umgang mit Behinderungen oder einen
im persönlichen Bekanntenkreis, der gerade die Behinderung
hat, die uns auf der Straße begegnet. Deshalb wird jeder
von uns von Zeit zu Zeit etwas richtig Dummes machen, wenn er mit
einem Behinderten umgeht. - Wenn es rechtzeitig auffällt sagt
man das vielleicht und lacht gemeinsam darüber - aber es ist
kein Grund sich darüber aufzuregen, es gehört einfach
dazu. Damit das Zusammenleben funktioniert, müssen wir gar
nicht perfekt sein.
- Behinderungen sind für die Betroffenen anstrengend und
manchmal auch frustrierend - aber zumeist keine schreckliche
Katastrophe, die das ganze Leben in etwas Grauenhaftes
verwandelt. Deshalb ist lachen und mit der Behinderung
spielen und dumme Fragen stellen erlaubt. - Ja es hilft sogar sehr,
einander zu verstehen. Mal den Rollstuhl ausleihen, um zu probieren
ob man es auch alles so gut hinbekommt, die Blindenschrift als
Geheimschrift verwenden, ausprobieren wie man selber mit
verbundenen Augen zurechtkommt, hilft uns sehr, eventuelle
Probleme richtig einschätzen zu lernen.
- Der Behinderte ist der Fachmann: Sehr
sinnvoll ist es, den Behinderten als Fachmann für seine eigene
Behinderung zu behandeln und entsprechend um Ratschäge für das
eigene Verhalten zu bitten. - Das ist er nämlich. Er wurde zumindest hier in Deutschland
normalerweise von gut ausgebildeten Fachleuten darin ausgebildet,
jedes mit seiner Behinderung zusammenhängende Problem optimal zu
lösen. Deshalb kann man meist davon ausgehen, daß er recht
hat, wenn er eine Aussage darüber macht, was mit seiner Behinderung
möglich oder unmöglich ist, auch wenn es dem unbedarften Laien
auf den ersten Blick nicht einsehbar erscheint.
- Dumme Fragen stellen ist erlaubt: Behinderungen
führen zwangsläufig dazu, daß der Behinderte einen
ziemlich ungewöhnlichen Schatz an Lebenserfahrungen hat und deshalb
manchmal ungewöhnlich bis unverständlich reagiert, Dinge
weiß, auf die ein normaler Mensch nie kommen würde oder Dinge
nicht weiß, die jeder normale Mensch weiß. Oft kann er aber
durchaus erklären, warum das so ist.
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