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VB86.

4 Stimmungsschwankungen sind ein primäres Symptom von ADHS, keine Folge von Widersprüchen

Inhalt

Übergeordneter Artikel:
VA263. Kersti: Haben Kinder mit ADHS eine unrealistische Selbsteinschätzung?
Voriger Abschnitt:
VB87. Kersti: 3. ADHS und Kreativität: Erfolg ist nicht einfach Zufall

Eigentlicher Artikel:
VB86.1 Kersti: Ist die Persönlichkeit von Kindern mit ADHS von Widersprüchen geprägt?
VB86.2 Kersti: Stimmungen, Störungen und unrealistische Forderungen von außen
VB86.2 Kersti: Autofahren ...
VB86.3 Kersti: Stimmungsschwankungen und das Selbstbild
VB86.3 Kersti: Ich verwechsele das, was ich in guter Stimmung über mich selbst denke nie mit meinem Selbstbild
VB86. Kersti: Quellen

 
Inhalt

1. Ist die Persönlichkeit von Kindern mit ADHS von Widersprüchen geprägt?

4. Die Persönlichkeit der Kinder ist von diesen Widersprüchen geprägt. Daher reagieren sie oft in einer unvorhersehbaren Weise. Ihre Stimmungen können ganz plötzlich umschlagen, sie brechen vor Ungeduld in Wutanfälle aus und handeln sich damit sogleich weitere Schwierigkeiten mit den Lehrern und Mitschülern ein.1.

Menschen, die wie ich die Veranlagung zu ADHS haben haben ein körperliches System das auf jede Anregung oder Störung von außen oder von innen (eigene Gedanken und Ideen) stärker reagiert als das der anderen Menschen. Deshalb gerät man mit ADHS sehr leicht kurzfristig in Gefühlszustände, die andere Menschen höchstens von schweren Depressionen oder wenn sie frisch verliebt sind kennen. Das allerdings ist nicht krankhaft: es geht ebenso schnell wieder vorüber, wie es gekommen ist und man selber weiß, wie man es anpacken muß, seine Gefühle wieder in den Normbereich zu bringen.

Starke Stimmungsschwankungen sind das, was zuerst da ist. Das was von anderen Menschen - für meine Begriffe als Betroffener unverständlicherweise - als Widersprüche wahrgenommen wird, sind die Folge dieser stark wechselnden Stimmungen.

 
Inhalt

2. Leicht störbare Stimmungen und die Wirkungen von Störungen und unrealistischen Forderungen von außen

Problematisch wird es erst, wenn ein Mensch bei dem ADHS-Kind einen solchen heftigen Gefühlszustand auslöst und dann sofort eine Reaktion verlangt, die in diesem Zustand nicht möglich ist.
Beispielgeschichte, Kersti:

Autofahren ...

In der Fahrschule hatte ich einen Fahrlehrer der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ und sich beim Fahren immer nebenher mit mir unterhielt. Für mich war es der ideale Fahrlehrer. Ich lernte dadurch, beim Fahren meine Aufmerksamkeit so zwischen Gespräch und Fahren aufzuteilen, daß ich immer so viel Aufmerksamkeit fürs Fahren übrig hatte, wie nötig. Außerdem lernte ich, Bemerkungen übers Fahren automatisch in die Kategorie "wichtig" einzuordnen, während ich jedes andere Gesprächsthema ignorierte, wenn das Fahren es erforderte. Als ich die Fahrschule abgeschlossen hatte sagten mir einige Menschen, ich würde fahren wie jemand mit viel mehr Fahrerfahrung.

Als ich einmal mit meinem Vater zusammen fuhr, fuhr er mich mitten in einer kurvigen Strecke an, ich dürfe die Kurve nicht schneiden. Ich zuckte heftig zusammen, weil es eine Anweisung übers fahren war - und in einem so scharfen Tonfall gesprochen, daß ich fast in Tränen ausbrach. Bei jedem anderen Thema hätte derselbe Tonfall nicht so auf mich gewirkt, weil ich es automatisch als nicht zum Thema "Autofahren" gehörig und deshalb unwichtig einsortiert und es deshalb ausgeblendet hätte. Ich weiß nicht, ob ich in der ersten Kurve wirklich merklich geschnitten hatte - ich glaube es eigentlich nicht. Doch in der nächsten Kurve war es mir noch nicht wieder gelungen, meine Gefühle genug unter Kontrolle zu bekommen, um mich konzentrieren zu können und diesmal schnitt ich die Kurve richtig, denn ich konnte es in dem Gefühlszustand nicht besser. Mein Vater brüllte mich noch lauter an, mit dem Ergebnis, daß ich noch schlechter fuhr, denn ich war inzwischen in einer Stimmung wo ich am liebsten geheult hätte. Ich versuchte irgendwie meine Konzentration zusammenzuhalten, denn in diesem kurvigen Stück konnte ich unmöglich irgendwo anhalten. Doch in jeder Kurve wurde sein Tonfall heftiger, und als ich endlich an einer Stelle war, wo ich anhalten konnte, war ich völlig in Tränen aufgelöst und hielt meinem Vater eine Standpauke, daß er mit mir beim Autofahren nicht übers Autofahren reden soll, weil er mir damit die nötige Konzentration raubte. "Über jedes andere Thema darfst Du reden, aber nicht über Autofahren!" sagte ich und weigerte mich weiterzufahren, weil ich viel zu sehr in Tränen aufgelöst war, um noch sicher fahren zu können.

Nach einigen weiteren Versuchen an anderen Tagen weigerte ich mich strikt, Auto zu fahren, wenn mein Vater mit im Auto sitzt.

Dazu muß man wissen, daß mein Vater sicherlich Erfahrung damit hatte, unerfahrenen Autofahrern Anweisungen zu geben. Die meisten dürften mit seiner Art kein Problem gehabt haben und dieses lautere und schärfere Sprechen auch gebraucht haben, um eine Anweisung als Anweisung zu erkennen und tatsächlich darauf zu reagieren. Daß es für mich zu laut war, lag daran daß ich mich selbst dazu erzogen hatte, alles was sich aufs Autofahren bezieht in meinem Kopf so zu verstärken, daß ich es ganz sicher nicht überhöre. Und ein schärferes und lauteres Sprechen, das dann in meinem Kopf noch einmal verstärkt wird, hat im Endeffekt eine unerträgliche Lautstärke IN meinem Kopf.

 
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3. Stimmungsschwankungen und das Selbstbild

Bei allen Menschen, nicht nur bei denen mit ADHS wird die Art wie man sich selbst in einem bestimmten Augenblick sieht, erheblich durch die Gefühle mitbestimmt. Da Menschen mit ADHS extremere Gefühlsschwankungen haben, die schneller ablaufen als bei normalen Menschen, ist dieser Effekt bei ihnen auch deutlicher zu beobachten.

Beispielgeschichte, Kersti:

Ich verwechsele das, was ich in guter Stimmung über mich selbst denke nie mit meinem Selbstbild

Wenn ich glücklich bin, denke ich nur an die positiven Aspekte meines Selbstbildes, wenn ich mich schlecht fühle nur an die negativen. Ich weiß durchaus noch, daß es die andere Hälfte auch gibt, aber ich rede nicht darüber und denke kaum darüber nach. Und wenn ich negativ über mich denke, folgere ich daraus: Aha, ich bin mal wieder deprimiert. Wenn ich gut über mich denke, folgere ich daraus: aha, ich bin mal wieder euphorisch. Ich verwechsele diese Schwankungen dessen, was im Vordergrund meines Bewußtseins ist, aber nicht mit meinem Selbstbild, denn davon sind sie jeweils nur Bruchstücke. Mein Selbstbild ist, was herauskommt wenn man die negativen und positiven Gedanken zu einem Gesamtbild zusammenfügt. Ich kann es nie vollständig sehen, dazu ist es zu groß und komplex, aber ich bin mir stets bewußt, daß es größer ist als der Ausschnitt, den ich betrachte.

Zurück zu obigen Buch:
2. Manchmal verstricken sie sich in eine Traumwelt und entwickeln unrealistische Fantasien von den eigenen Fähigkeiten. Sie halten sich für Supermann und träumen davon, erfolgreich zu sein, ohne daß sie wüßten, welche konkreten Schritte sie voranbringen könnten.

Dieser Satz ist witzig, weil auf den beiden Seiten vor dem zitierten Textstück ausführlich über die Selbstzweifel der Kinder mit ADHS geschrieben wurde. Und es ist ja von denselben Kindern die Rede. Da ich mich selber kenne, und weiß wie ich in positiver und negativer Stimmung über mich selbst rede, würde ich diese Träumereien niemals als das Selbstbild des Kindes betrachten.

Wenn ich mit Menschen rede, ziehe ich erst Rückschlüsse auf ihr Selbstbild, nachdem ich sie in positiver und negativer Stimmung erlebt habe und ihre Aussagen zu beiden Zeiten miteinander in Beziehungen gesetzt habe. Alles andere erschiene mir unrealistisch.

Allerdings dauert es bei Menschen mit ADHS länger als bei anderen, bis sie alle ihre Gedanken über sich selbst in ein großes Gesamtselbstbild integrieren können, weil es wegen der größeren Extreme, die sie regelmäßig in ihrem Denken erleben mehr und unterschiedlicheres zu integrieren gibt und sie dadurch mehr Arbeit haben.
V257. Kersti: Leben in zwei getrennten Welten

Das allerdings wird sich nach und nach bessern: Als ich ein Kind war, begann die wissenschaftliche Forschung über ADHS gerade und erst jetzt beginnt sie einigermaßen fundierte Ergebnisse auszuwerfen.

Kersti

Übergeordneter Artikel:
VA263. Kersti: Haben Kinder mit ADHS eine unrealistische Selbsteinschätzung?

Quelle

V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
V10. Kersti: Bilde ich mir meine übersinnlichen Fähigkeiten nur ein?
V13. Kersti: Ich würde mir nie die Mühe machen, etwas zu kritisieren, was ich schlecht finde
V15. Kersti: Was ist Toleranz?
V17. Kersti: Brief über angemessenen Umgang mit Verleumdungen
V26. Kersti: Option-Fragen
V40. Kersti: Als käme ich von einem anderen Stern
V41. Kersti: Das Gewicht einer Gabe
V92. Kersti: ...als hätte ihnen jemand das Denken verboten!
V93. Kersti: Fantasyersatz und die Scheißwahrheit...
V94. Kersti: Eine Sammlung sämtlicher denkbarer Verrücktheiten
V107. Kersti: Der Unterschied zwischen konstruktiver und freundlicher Kritik
V108. Kersti: Kritik: Was betreffen mich die Fehler anderer Leute?
V111. Kersti: Warum ich "gut" mit "vernünftig" gleichsetzte
V112. Kersti: Telepatie: Jemand, der mich versteht
V166. Kersti: Außenseiter: Das Opfer ist schuld?
V167. Kersti: 17-jährige Gruppenführer verhindern Ausgrenzung wirksamer als Lehrer
V168. Kersti: Meckerrunde
V220. Kersti: Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Methoden, Karten zu legen
V221. Kersti: Abschirmen - das wichtigste, was jeder lernen muß, der auf die höheren Sinne zurückgreift
V222. Kersti: Die L.Kin Schule
V223. Kersti: Option - was mir einmal sehr geholfen hat
V237. Kersti: Was ist ein Gedankenkristall
V238. Kersti: Welche Vorteile haben Gedankenkristalle
V239. Kersti: Sprachliches Denken
V240. Kersti: Intuition
V241. Kersti: Vernetztes Denken wird nur bei inaktiver Gehirnrinde bewußt
V242. Kersti: Legasthenie und vernetztes Denken
V277. Kersti: Das Prinzip der Narrenfreiheit
V312. Kersti: Manchmal wünschte ich mir, ich hätte wenigstens in irgendeinem Bereich eine durchschnittliche Begabung
V313. Kersti: Einserzeugnis als Gefahrenzeichen
VA35. Kersti: Ich kenne keine Langeweile
VA47. Kersti: Die verdrängte Wahrheit ist immer schlimmer, als die Deckerinnerung hinter der wir sie verstecken
VA48. Kersti: Direkte Zensur - indirekte Zensur - Gedankenzensur
VA50. Kersti: Denken verboten Schilder...
VA51. Kersti: Es gibt drei Typen von Vorgesetzten
VA53. Kersti: Sind Schläge oder nicht Schläge in der Erziehung wirklich so wichtig?
VA61. Kersti: Kritikfähigkeit hat zwei Seiten
VA80. Kersti: Wie komme ich zu meinen merkwürdigen Fähigkeiten?
VA98. Kersti: Tonskala - Skala der Gefühle
VA100. Kersti: Empathen
VA166. Kersti: Eine Schule für Indigokinder?
VA174. Kersti: Wie man sich von fremden Gedanken und Gefühlen abschirmt
VA189. Kersti: Schule: Auslese oder Berufsfindungshilfe
VA190. Kersti: Der Wert der Empathie
VA194. Kersti: Sind Esoteriker verrückt?
VA197. Kersti: Entwicklungs- psychologische Trennung zwischen materieller Realität, Fantasie und Geistigen Welten
VA231. Kersti: Wenn man zu anders ist, besteht das halbe Leben aus Mißverständnissen - und die andere Hälfte aus Einsamkeit
VA237. Kersti: Das Dimensionen- verständnis- problem
VA238. Kersti: Ist ADHS eine Krankheit?
VA241. Kersti: Verdrängungs- mechanismen
VA242. Kersti: Blindenschrift
VA243. Kersti: Unbewußte schwarze Magie
VA246. Kersti: Der Unterschied zwischen Argumenten, Argumentationstricks und persönlichen Angriffen
VA250. Kersti: Meditation als Werkzeug von Therapie und Aufstieg
VA254. Kersti: ADHS: Du kannst ja, wenn Du willst!
VA255. Kersti: Das Geschlossene-Anstalt-Phänomen
VA256. Kersti: Werden Indigokinder irrtümlicherweise auf ADHS behandelt?
VA260. Kersti: Leben mit der Fähigkeit zu vernetztem Denken
VA263. Kersti: Haben Kinder mit ADHS eine unrealistische Selbsteinschätzung?
VA264. Kersti: ADHS: Schwäche oder Dominanz der rechten Hirnhälfte?
VA265. Kersti: ADHS: Ein wenig ausgeprägtes Bestrafungs- und Motivationssystem im Gehirn?
VA267. Kersti: Die Spanne zwischen Dogmatismus, Kreativität und Chaos - oder - Ist Ritalin bei ADHS Doping?
VA268. Kersti: Warum mich Bücher über ADHS oft wütend machen
VA271. Kersti: Unterschiedliche Menschen brauchen unterschiedliche Weltbilder
VA272. Kersti: Wenn meine Beispiele alle von mir handeln - heißt das etwa, daß ich selbstbezogen bin?
VA274. Kersti: Sprachverwirrung durch ADHS-Wahrnehmung oder Langweilige Routineaufgaben sind nicht langweilig
VA281. Kersti: Anmerkungen zur Ritalinwirkung
VA283. Kersti: Sehr hohe Soziale Kompetenz von Kindern als Hindernis für das Verständnis des Sozialverhaltens weniger kompetenter Menschen
VA286. Kersti: Wie finde ich heraus, was das richtige Niveau für einen hochbegabten Schüler ist?
VA289. Kersti: Kurze Zusammenfassung der Methode "The Work" nach Byron Katie
VA290. Kersti: Magische Hochbegabung
VA315. Kersti: Hochbegabung: Warum ich nicht wahllos jeden sozialen Kontakt pflege
VA317. Kersti: 1. Aurensehen als Synästhesie

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