erste Version: 10/2010
letzte Bearbeitung: 11/2011
Meine WeltbeglückungsphaseJugendbewegungAls ich 14 war, kam ich in eine Pfadfindergruppe, in der ich danach jahrelang sehr glücklich war. Daneben arbeitete ich in einer jugendbewegten Zeitschrift mit, die wenigstens einen Teil meines übergroßen Hungers nach geistiger Anregung stillte. Danach hätte ich am liebsten die gesamte Welt zu einem Leben bekehrt, das das jugendbewegte Fahrtenleben zum Vorbild nimmt.Jahre später wurde mir klar, daß diese Art zu leben für viele Menschen einfach nicht geeignet ist. Das hat fast nichts mit der körperlichen Leistungsfähigkeit zu tun - ich kenne einen Gruppenführer der querschnittsgelähmt ist und mit seiner Gruppe jahrelang im Rollstuhl auf Fahrt gegangen ist. Ein anderer ist mit nur einem Bein in Vietnam auf Fahrt gegangen. Es hat etwas mit dem Charakter zu tun. Nicht jedem liegt das. Insgesamt ist es so - nur ein Teil der Menschen finden die jugendbewegte Tradition für sich interessant. Die meisten von diesen wollen das nur als Urlaub oder eine Phase in der Jugend. Und ein kleiner Teil macht das dann zu seinem Lebensentwurf. Man darf den Menschen nicht diese Entscheidung abnehmen. Option und andere TherapiemethodenEtwa als ich Abitur machte, entdeckte ich Option. Ich war begeistert, denn innerhalb von kürzester Zeit schienen alle meine Probleme gelöst und ich fühlte mich viel reiner und glücklicher als mich je in diesem Leben gefühlt hatte.Daher wollte ich alle Leute, die ich kannte, auch dazu bewegen, Option-Dialoge zu machen. Die Wirkung war eher gering. Mit der Zeit wurden mir zwei Dinge klar: Welche Therapiemethode geeignet ist, hängt sehr von der eigenen Persönlichkeit ab. Meine Mutter hatte mich ja als Kind zu diversen Therapeuten geschleppt und jeder einzelne ist durch meine Therapeutentests gefallen, obwohl ich durchaus bereit gewesen wäre, jedem eine Chance zu geben. Ich wußte, sie beabsichtigten mir zu helfen, aber ich hielt sie nicht für ausreichend kompetent oder vertrauenswürdig. Was von beidem zutraf, war schwer zu entscheiden. Zweitens ist das, was ich mache - daß ich seither regelmäßig sehr viel Zeit mit der Arbeit an mir selbst verbringe - auch ein Lebensentwurf, der seine Vor- und Nachteile hat: Andere finden die Zeit anders besser verwendet. Das gilt auch für Menschen, die im Gegensatz zu mir nach den Regeln unserer Gesellschaft nicht als psychisch gesund durchgehen würden. Auch hier muß man jedem Menschen das Recht zugestehen, seine eigenen Entscheidungen selbst zu treffen. Antiautoritäre ErziehungIch bin im wesentlichen Antiautoritär erzogen worden, während die meisten Kinder meiner Generation noch ziemlich autoritär erzogen wurden. Bis ungefähr zum Ende des zweiten Grundschuljahres etwa nahm ich als Unterschiede zu anderen Eltern nur wahr, daß wir viel mehr durften, als andere Kinder und daß meine Mutter mich ungewöhnlich oft lobte, weil ich so vernünftig sei.Später kam ich zunehmend zu dem Schluß, daß andere Kinder und andere Eltern Regeln den sozialen Anstands verletzen, indem sie andere für Fehler bestrafen, von denen sie nicht wissen konnten, das es Fehler sind, weil niemand das ihnen verraten hat. Ich kam zu dem Schluß, daß sowohl die Erwachsenen als auch die Kinder anderer Familien manchmal ziemlich rücksichtslos zueinander sind. Die fremden Eltern, die wir kritisierten, haben uns aber umgekehrt auch als unerzogen wahrgenommen, obwohl wir uns bemüht haben, es ihnen recht zu machen, wenn wir bei ihnen Gäste waren. Das hing damit zusammen, daß bei uns Regeln Verhandlungssache waren und immer explizit genannt wurden und fremde Eltern oft der Ansicht waren, man dürfe nicht einmal fragen, ob bei ihnen eine bestimmte Regel gilt oder nicht und was der Sinn der Regel ist, das wäre frech. Doch - wie soll ich eine Regel richtig befolgen, wenn ich nicht weiß, wozu sie dienen soll? Später war ich ernsthaft entsetzt, daß Klassenkameraden gefährliche Dinge taten, nur weil sie verboten waren! Jetzt als Erwachsene bin ich immer noch der Ansicht, im Großen und Ganzen eine sehr gute Erziehung genossen zu haben. Ich bin sogar der Ansicht, daß antiautoritäre Erziehung die einzige Form der Erziehung ist, die Menschen mit der Fähgkeit ausstattet, sich sinnvoll in eine multikulturelle Gesellschaft einzupassen. Und wir werden nichts mehr daran ändern können, daß die ganze Erde langsam weitgehend eine multikulturelle Gesellschaft bildet. Nichtsdestotrotz mußte ich feststellen, daß nur etwa 20% der Bevölkerung die grundlegenden Fähigkeiten haben, die nötig sind, damit sie überhaupt verstehen können, wie antiautoritäre Erziehung funktioniert. Bei dem Versuch, antiautoritär zu erziehen, erziehen die restlichen 80% der Erwachsenen einfach gar nicht. Andere EntwürfeDanach begegneten mir noch diverse andere Entwürfe zur Verbesserung der Welt - diesmal hauptsächlich soziale Entwürfe. Als ich mich dann später mit meiner Hochbegabung beschäftigte, wurde mir etwas klar, das mich zutiefst erschreckte: Das was ich da befürwortet hatte, wäre zwar für viele Menschen gut - aber ICH wäre dort totunglücklich, weil ich gezwungen wäre, mit Menschen sehr eng zusammenzuleben, die sich so sehr von mir unterscheiden, daß sie mir wie Außerirdische vorkommen.SchlußfolgerungDer grundsätzliche Fehler in den alleinseligmachenden Bessere-Welt-Entwürfen, ist daß er nicht berücksichtigt, wie unterschiedlich Menschen eigentlich sind. Wir brauchen keine Welt, die für den hypothetischen Durchschnittsmenschen perfekt wäre, sondern eine Welt die so viel Vielfalt bietet, daß jeder den für ihn richtigen Lebensentwurf finden kann und eine Welt die gleichzeitig so viel Orientierung bietet, daß jeder eine gute Chance hat, das zu finden was er persönlich aus dieser Vielfalt braucht.
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615,
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Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
Lesern immer bekomme.
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