Merkwürdige Erfahrungen

E7.

"Hiermit beschließe ich feierlich, daß es nicht regnet"

Es begann auf einer Wanderung von Bärental nach Witzenhausen. Bärental ist ein kleines Dorf südlich von Dresden, also im Südosten der ehemaligen DDR. Witzenhausen liegt nahe der ehemaligen Zonengrenze zwischen Göttingen und Kassel also ziemlich genau in der Mitte von Deutschland. Die Wanderung machte ich während meiner Lehre zur Bauzeichnerin im Urlaub kurz nach dem Fall der Mauer, das ist jetzt ungefähr zehn Jahre her.

Es war Ostern. Am anfang war es sehr kalt, so daß ich oft nur deshalb weiterlief, weill ich sonst völlig ausgekühlt wäre. An zwei Tagen hat es unterwegs geschneit. Beide Male habe ich zufälligerweise in einem Haus übernachtet. In der zweiten Hälfte der Wanderung - den Rennsteig entlang - hat es ziemlich viel geregnet.

Eines Tages war es wieder ziemlich regnerisch. Laut Karte war keine Hütte in erreichbarer Nähe. Im Zelt schlafen erschien mir auch nicht besser. Mich ins Poncho einwickeln, hatte sich bei meinen vorhergehenden Versuchen als nutzlos erwiesen: Ich brauche zwei Nächte, um den Schlafsack klatschnaß zu schwitzen, wenn die Feuchtigkeit nicht nach außen verdunsten kann.

Es wurde immer später und ich fand keinen akzeptablen Unterschlupf. Als es schließlich zu dunkel war, um noch die Karte zu lesen nieselte es nur noch, aber die Luft roch nach Regen und der Himmel war mit schweren Regenwolken bedeckt. Es würde also vermutlich bald wieder anfangen zu regnen. Da verlor ich die Geduld mit dem Wetter. Ich beschloss, daß das Wetter machen konnte, was es wollte - ich würde jedenfalls jetzt schlafen. Ich legte das Poncho als Feuchtigkeitsschutz auf den Boden, rollte den Schlafsack aus, legte Rucksack und Guitarre daneben und deckte sie mit einer Falte des Ponchos zu. (Ein Poncho ist eine Plane, etwa 2m*1,5m groß mit einer Kapuze in der Mitte. Tagsüber wirde es als Regenumhang über dem Gepäck getragen.) Da ich einfach Spaß an Unfug habe, stellte ich mich nebem mein Lager, hob theatralisch die Hände und sagte: "Und hiermit beschließe ich feierlich, daß es nicht regnet." Ich lachte über mich selbst, kroch in den Schlafsack und schlief ein. Am nächsten Morgen war der Schlafsack immer noch trocken. Zufall. Dachte ich.

Einige Tage fand ich eine Hütte oder es regnete nicht - dann war es wieder so weit, daß ich schlicht die Geduld mit dem Wetter und nicht vorhandenen Hütten verlor. Nun die Sache mit dem beschließen, daß es nicht regnet, hatte ja funktioniert. Auch wenn es eigentlich nur Zufall war. Also konnte ich es ja noch mal machen. Etwas zum Lachen braucht der Mensch schließlich. Es regnete auch in dieser Nacht nicht.

Bei der nächsten Wanderung kam ich auf diese Idee zurück, als das Wetter mal wieder regnerisch war. Nachdem es zwischen zehn oder zwanzig mal ohne Ausnahme funktioniert hatte, kam ich langsam ins Grübeln. Diese Beschlüsse waren ja erstaunlich zuverlässig wirksam.

Nachdem das einige Jahre anstandslos funktioniert hat, heiratete ich - und aus rätselhaften Gründen geht es plötzlich nicht mehr.

Kersti


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