1/2012

Reinkarnationserinnerung - Niemand braucht Sklavenjungen

F137.

Die Strafe für Widerspruch

Zadek wunderte sich, als ich kam. Wie Dinia freute er sich, mich zu sehen und ich begrüßte beide mit einem Lächeln und Nicken. Dann setzte ich mich zu Dinia und nahm ihre Hand.

Ich mußte nicht lange warten, bis der Herr hereinkam und seiner Frau befahl, zu ihm ins Bett zu kommen.
"Nein bitte nicht noch einmal..." flehte sie.
"Komm, zier dich nicht. Du wirst schon lernen, deine Freude daran zu haben." sagte er und wollte sie am Arm fassen.

Ich stellte mich zwischen die beiden.
"Mach daß du da wegkommst. Das ist meine Frau!" befahl er mir, empört über meine Einmischung.

Ich schüttelte leicht den Kopf. Er gab mir eine heftige Ohrfeige. Automatisch zuckte meine Hand richtung Schwert und ich brauchte all meine Selbstbeherrschung, um die Waffe nicht zu ziehen.
"Was willst du von mir? Soll ich dich umbringen oder weshalb stehst du mir im Weg?" brüllte er mich an.

Ich schüttelte wieder den Kopf und zeigte durch Gesichtsausdruck und Körperhaltung wie hilflos ich mich fühlte, weil ich nicht sprechen konnte - doch ich wich keinen Zentimeter zur Seite und schaute ihm in die Augen. Der Herr zog sein Schwert, holte aus, schlug nach meinem Hals, fing den Hieb aber im letzten Augenblick ab. Wieder mußte ich gewaltsam den Drang unterdrücken, meine eigene Waffe zu ziehen, um den Schlag abzuwehren. Damit hätte ich zwar als ausgebildeter Kämpfer diesen Kampf gegen meinen Herrn mit ziemlicher Sicherheit gewonnen, danach wäre ich aber - verständlicherweise - hingerichtet worden. Zu vertrauen, daß er nicht zuschlägt und einfach stehenzubleiben war viel schwieriger.

In dem Augenblick öffnete sich hinter ihm die Tür, Koris kam herein und sagte:
"Herr, ich muß dich sofort sprechen. Es ist wichtig."
Ich atmete erleichtert auf.
"Du mußt nicht glauben, daß du mir deiner Unverschämtheit ungestraft durchkommst, nur weil Koris jetzt mit mir sprechen will." fuhr mich der Herr an und befahl seinen Leibwachen: "Führt ihn ab!"
Seine Drohung änderte natürlich nichts an meiner Erleichterung. Auch wenn er nach Koris Erklärung immer noch der Ansicht wäre, daß ich eine Strafe verdient habe, würde er mich dann wahrscheinlich immerhin nicht umbringen.

Die Leibwachen brachten mich nicht etwa in einen Kerker, sondern zu meinem Bett. Als ich ihnen zeigte, wie sehr mich das wunderte erklärte einer von ihnen:
"Das war Koris Befehl. Er ist wohl der Ansicht, daß alles halb so wild ist."
Ich nickte und legte mich beruhigt schlafen.

Am nächsten Morgen weckte mich Koris und erzählte mir beim Frühstück:
"Kanto, du hast mich beeindruckt. Einmal, weil du überhaupt einen Weg gefunden hast, mir mitzuteilen, daß Dinia in Lebensgefahr schwebt. Noch mehr beeindruckt hat mich aber, wie du sie vor dem Herrn geschützt hast. Ich hätte ganz sicher nicht den Mut gefunden, mich dem Herrn entgegenzustellen, ohne die Waffe zu ziehen - und das war das einzige, was hier funktionieren konnte. Leider habe ich eine schlechte Nachricht. Der Herr hat zwar eingesehen, daß du ihm damit im Grunde einen Gefallen getan hast. Er ist aber dennoch der Ansicht, daß du bestraft werden mußt."
Ich nickte ruhig. Damit hatte ich gerechnet. Koris führte mich auf den Hof, wo die anderen Kämpfer des Hauses sich in einer Doppelreihe aufgestellt hatten. Sie hatten ihre hölzernen Übungsschwerter in der Hand und sahen mich erwartungsvoll an. Ich mußte Kleidung und Waffen ablegen, dann erklärte Koris mir:
"Du mußt zwischen beiden Reihen durchgehen und wirst so lange verprügelt, bis du am andere Ende der Reihe angekommen bist. Also geh immer weiter, ganz gleich wie hart sie dich treffen. Wenn du nicht mehr gehen kannst, kannst du von mir aus krabbeln - aber halt auf keinen Fall an, hörst du?"
Ich nickte, sah mir die Reihe kurz an und ging entschlossen los. - Laufen erschien mir riskant, weil man dann leichter fällt.

Manche von ihnen schlugen sehr hart zu. Besonders einige Schläge auf den Kopf ließen es mir schwarz vor Augen werden, doch irgendwie gelang es mir, auf den Beinen zu bleiben, bis einer mir sehr hart seitlich gegen den rechten Fuß schlug. Ich stürzte hin und versuchte sofort wieder aufzustehen, nur um gleich erneut hinzufallen, weil der Fuß mir den Dienst versagte. Also krabbelte ich weiter - und einige machten sich einen Spaß daraus, mir die Arme unter dem Leib wegzuschlagen, so daß ich noch öfter hinfiel. Weitere Schläge auf den Kopf ließen mir die Augen zuschwellen und machten mich so benommen, daß ich bald nicht mehr wußte, welches die richtige Richtung war. Eine Ewigkeit ging das so weiter. Dann wurde mir nach einem weiteren Schlag auf den Kopf schwarz vor Augen und ich dachte: *doch nicht geschafft*.

Ich erwachte in einem wertvoll eingerichteten Raum und dachte mir, daß ich jetzt wahrscheinlich tot und im Himmel bin. Dann wurde mir bewußt, daß ich immer noch Schmerzen hatte und ein blaues Auge - was es mir dann doch ziemlich wahrscheinlich erscheinen ließ, daß ich noch lebe. Ich hob meinen Kopf und wußte augenblicklich, daß ich garantiert noch lebe. Im Himmel hat man bestimmt nicht solche Kopfschmerzen. Ganz bestimmt nicht. Ich wimmerte, dann hörte ich Schritte. Dinia kniete neben mir nieder und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich lächelte ihr zu nicht weil ich mich nach Lächeln fühlte - wahrhaftig nicht - sondern weil es die einzige Möglichkeit war, wie ich sie begrüßen konnte. Jetzt erkannte ich auch das Zimmer wieder. Es war ihr Zimmer.

Ich hob den Arm, um ihre Hand zu berühren und auch diese kleine Bewegung führte zu heftigen Schmerzen, bei denen ich mir nicht so ganz im Klaren war, ob es eher von Muskelkater oder von Verletzungen kam. Wahrscheinlich beides - jedenfalls sah der Arm erschreckend aus: Grün und blau, blutverkrustet und mindestens doppelt so dick wie normal.
"Die Hebamme sagt, du mußt viel trinken." erklärte Dinia mir und steckte mir einen Strohhalm in den Mund.

Gehorsam saugte ich die gekühlte Flüssigkeit aus dem Becher, obwohl mir die Stelle, wo die Zunge gewesen war, immer noch heftige Schmerzen bereitete. Danach bemühte ich mich, keine Bewegung mehr zu machen, weil ich mir absolut sicher war, daß ich sonst noch mehr Körperteile entdecken würde, die mir ekelhaft wehtaten. Leider sollte sich diese Befürchtung in den nächsten Stunden und Tagen bestätigen, denn vollkommen unbeweglich kann man eben doch nicht liegen bleiben.

Noch viel schlimmer waren die Besuche der Hebamme. Keine meiner Wunden war schwer, die meisten nur Kratzer und oberflächliche Schrammen. Da sie jedoch den gesamten Körper bedeckten, waren sie insgesamt sehr gefährlich und mußten sorgfältig saubergehalten werden. Die Hebamme entfernte täglich die Verbände, und wusch jede Schramme mit abgekochtem Kräutertee aus. Ich bemühte mich, stillzuhalten, drehte die Arme und Beine hin, wie sie es mir sagte, und wünschte mir eigentlich nur ich könnte sofort sterben, um diesen Schmerzen zu entgehen. Aber ich starb nicht.

Hätte ich wirklich Selbstmord begehen wollen, hätte sich wahrscheinlich eine Gelegenheit gefunden. Doch Dinia war da und hielt meine Hände, wenn ich mir die Lippen blutig biß, um nicht vor Schmerzen zu schreien, während die Hebamme mir die Wunden auswusch. Dinia flößte mir mehrfach täglich Wasser oder dünne Suppe mit einem Strohalm ein. Sie schob mir die Bettpfanne unter, wenn ich einmal mußte und saß den ganzen Tag an meinem Bett. Nachts schlief sie mit mir im selben Zimmer und Zadek, ihr anderer stummer Leibwächter, saß an meinem Bett und hielt mir die Hand. Drei mal täglich besuchte mich Koris, mein Vorgesetzter und schaute, wie es mir ging.

Ich glaube ohne ihre Liebe und Fürsorge wäre ich aus reiner Verzweiflung gestorben. So aber faßte ich langsam wieder Mut und wurde gesund. Außerdem erzählte mir Koris, daß es dem Herrn sehr leid täte, was er Dinia angetan hatte und daß er in Zukunft auf den Rat der Hebamme hören würde. Er wäre auch damit einverstanden, daß ich weiterhin Dinias Leibwächter bin und ich könne mir in Zukunft aussuchen, ob ich lieber bei ihr oder lieber im Schlafsaal der Leibwache schlafen wolle. Dinia wollte, daß ich tue, was ich will. Und das war die Nachricht, die mir zeigte, daß sie mich wirklich mochte, statt mich nur zu benutzen um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


F138. Kersti: Fortsetzung: Lesen und Schreiben
F136. Kersti: Voriges: Sprachlosigkeit
FI11. Kersti: Niemand braucht Sklavenjungen
VA106. Kersti: Reinkarnation
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
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