erste Version: 1/2016
letzte Bearbeitung: 1/2016

Chronik des Aufstiegs: Mittelalter und frühe Neuzeit - Der an die Kette gelegte Heilige

F701.

"Na da bin ich ja mal gespannt, was sie aus dem Paß machen!"

Vorgeschichte: F700. Kersti: D

Der Heilige erzählt:
Die Folgen meldeten sich etwa eine Woche später bei meiner Wache, als ich mich bereits in mein Zimmer zurückgezogen hatte, um meine Ruhe zu haben. Ich hörte eine höfliche Stimme murmeln, dann gab die Wache vor der Tür die Antwort, mit der sie mir signalisierte, daß sie einen Paß nicht einordnen konnte.

Ich griff nach meinen Krücken, hinkte zur Tür und sah ihm über die Schulter. Ich brauchte nur einen Blick in den Paß zu werfen, um zu wissen, daß da einiges drin stand, das ich auch nicht einordnen konnte.
"Sie haben da aber einen bemerkenswerten Paß, den ich mir gerne genauer ansehen würde. Da ich Probleme mit dem Stehen habe, würde ich sie gerne einladen, sich dafür in mein Zimmer an meinen Tisch zu setzen." lud ich ihn nach der Begrüßung ein.

Er setzte sich mit mir zusammen an den Tisch, reichte mir den Paß und sagte.
"Na da bin ich ja mal gespannt, was sie aus dem Paß machen!" meinte er.
Ich ließ mir von meiner Wache Stift und Papier bringen und begann dann auf der vorderen Seite mit dem Siegel, indem ich diverse Siegel auf das Blatt zeichnete, die an gewissen Punkten Ähnlichkeiten mit seinem Siegel hatten, aber nicht identisch waren und erklärte welches Siegel ich gezeichnet hatte, woran man es von den anderen Siegeln unterscheiden konnte. Mein Junge, der Führer meiner Wache, zeichnete zwei weitere Siegel dazu und kommentierte diese ebenfalls. Danach schätzten wir ein, mit welchem Herrscherhaus und welcher Diözese sein Orden am engsten verbunden war. Dann kommentierte ich nach und nach jedes Wort im Paß. Mein Junge machte auch einige Bemerkungen dazu, die mir ein Stück weiterhalfen. Als der Mann höflich anfragte, erlaubte ich ihm selbstverständlich, sich die Zeichnungen mit den Vergleichsiegeln selber anzusehen und er meinte, daß diese bemerkenswert genau gezeichnet seien.

Kurz gesagt gehörte der Mann einem Ritterorden an, von dem ich noch nie gehört hatte und der Paß enthielt in deutscher, lateinischer, und einer unbekannten Sprache Eintragungen. Das erklärte ich damit, daß die Eintragungen je nach Sprache für unterschiedliche Personen bestimmt seien. Die deutschen Eintragungen seien für Landsknechte und andere normale Paßkontrolleure bestimmt, die lateinischen wahrscheinlich vorwiegend für höhere Kirchenfunktionäre, hinter der dritten Schrift, die ich nicht entziffern konnte, würde ich etwas Geheimes vermuten. Laut den Eintragungen war der Ritter in seiner Organisation nicht einfaches Mitglied sondern eine Art Offizier und er hatte einige Zusatzfunktionen, die teilweise religiöser teilweise verwaltungstechnischer Natur waren. Allerdings konnte ich diese Funktionsbezeichnungen nur ungenau einordnen.

"Erst einmal danke, daß sie mir einen so tiefen Einblick verschafft haben, wie sie Pässe beurteilen. Sie haben mich dabei in zweierlei Hinsicht verlüfft. Zum ersten stand in dem Bericht den der Bischhof der örtlichen Diözese, daß sie beide Analphabeten wären."
Er hatte natürlich völlig richtig erkannt, daß ich die Siegel nur aufgezeichnet hatte, damit er wußte, wie ich so etwas beurteile. Das ist, was man auch tut um jüngeren Kontrollören zu erklären, wie ein paß einzuordnen ist.
"Das war ich vor gut einem Jahr auch noch. Der hiesige Pfarrer war jedoch so freundlich, mir lesen und schreiben beizubringen, als ich ihn darum gebeten habe und ich habe den Jungen dann darin unterrichtet."
Auf seine Frage wie das denn gekommen sei, erzählte ich von meiner ersten Begegnung mit dem Pfarrer.
"Damals war das mit dem Bibel lesen nur ein Vorwand, denn in meiner Vorstellung war die Bibel für mich damals nur das Buch, mit dem die Reichen all ihre Ungerechtigkeiten begründen. Nachdem ich jetzt tatsächlich weiß, was Jesus gesagt hat, liebe ich die Bibel."
Auf seine Frage gab ich ihm ein paar Beispiele dafür, welche Bibelgeschichten mir am besten gefielen und erklärte warum sie mich so ansprachen.

"Das zweite, was mich verblüfft hat, ist, wie viele Siegel sie kennen. Sie haben Beispiele aus halb Europa gezeichnet. Überhaupt habe ich mich immer gefragt, warum Landsknechtsheere Analphabeten zur Paßkontrolle einsetzen, obwohl die die wesentlichen Informationen im Paß doch nicht lesen können."
"Dann unterschätzen sie vermutlich, wie viele Informationen man aus einem Paß ziehen kann, selbst wenn man nicht lesen kann. Ihr Paß ist da allerdings kein gutes Beispiel, weil er für mich so komisch ausgesehen hätte, daß ich Sie sofort höflich aufgefordert hätte, mich bitte zu meinem Vorgesetzten zu begleiten, ohne viel mehr darüber sagen zu können, als das Siegel hergibt. Und mein Vorgesetzter konnte natürlich lesen und schreiben."
Der Mann zog einen zweiten Paß aus der Tasche und fragte mich, wie ich den denn beurteilen würde. Ich warf einen Blick darauf und war verblüfft. Ein Wanderbuch einer Schreinerinnung, das ebenfalls auf seinen Namen ausgestellt war.
"Sie müssen wissen, ich beherrsche dieses Handwerk tatsächlich und habe auch wirklich ein Gesellenstück angefertigt, das von der Innung beurteilt wurde. Auch ist nichts, was darin steht, wirklich gelogen, aber ich habe sehr viel weniger Zeit mit der Arbeit verbracht, als die Beurteilungen vermuten lassen und war tatsächlich gleichzeitig der Auftraggeber für die Arbeiten, für die ich beurteilt wurde. Ich habe das, was mir Spaß macht, selbst erledigt, aber den größten Teil der Arbeit als Lohnarbeit vergeben. Diese beiden Einträge sind eine Ausnahme, da habe ich tatsächlich wie ein normaler Geselle eine Stelle angetreten und voll in dem Beruf gearbeitet." erklärte er mir.
Ich nahm den Paß in die Hand und zeigte ihm, auf was ich, als ich noch nicht lesen konnte, geachtet hätte und warum ich zu dem Schluß gekommen wäre, daß er ein unbescholtener Handwerksgeselle wäre, sofern sein sonstiger Aufzug dazu gepaßt hätte. Im Wesentlichen hätte ich die Zahl und die Reihenfolge der Einträge als normal beurteilt, die Siegel unter den Einträgen als Innungssiegel der jeweiligen Stadt erkannt und festgestellt, daß weder von der Polizei noch von Gerichten Einträge vorhanden waren. Als ich die Einträge durchlas, kam ich zu demselben Schluß. An diesem Wanderbuch war nichts auffällig und die beiden Einträge, wo er tatsächlich als Geselle gearbeitet hatte, beurteilten ihn nicht wesentlich anders, als die Einträge, wo er Auftraggeber war.

Er zog noch einem dritten Paß aus der Tasche und meinte, daß das der Paß wäre, den er normalerweise vorzeigt, während er unterwegs ist. Dieser war von einem allgemein bekannten Ritterorden ausgestellt und ordnete ihm einen Rang zu, der nur geringfügig über dem eines normalen Ritters lag. Ich erklärte ihm, daß ich ihn als Mitglied dieses Ordens eingeordnet hätte und ihn tatsächlich ungefähr in diesem Rang zugeordnet hätte, weil die Zeile, wo der Rang angegeben war beschriftet war aber kein persönliches Siegel vorhanden war. Der Rang wäre niedrig genug, daß ich ihn deswegen nicht meinen Vorgesetzten gemeldet hätte aber hoch genug, um ihm eine höfliche Behandlung zu sichern und daher, wenn er trotz Pferd unauffällig bleiben wolle, gut ausgesucht.

Der letzte Satz entlockte dem Mann ein Lächeln und die Bemerkung, daß ich das schon ganz richtig erkannt hätte.

Er bedankte sich für diesen interessanten Einblick in meine frühere Arbeit und meinte ich hätte auch damit recht gehabt, daß er unterschätzt hätte, wie viel ein Mensch der nicht lesen kann, an einem solchen Paß erkennen kann. Allerdings sei er auch überzeugt, daß viele der Kontrolleure, die ihm schon begegnet seien, nicht halb so viel davon verstanden hätten, wie wir beiden. Damit lag er zweiffellos richtig, erklärte ich ihm, denn meine Vorgesetzten waren immer sehr zufrieden damit gewesen, wie gut ich darin war, die Leute herauszupicken, die sie selber sehen wollten und wie sicher sie sich sein konnten, daß ich nicht die falschen Leute durch unhöfliches Benehmen verärgerte. Jemanden der lesen und schreiben kann unter den Landsknechten zu finden, war aber beinahe ausgeschlossen und die wenigen, die es gab, brauchte man als höhere Offiziere und Schreiber. Mein Hauptmann hatte begonnen, mir lesen und schreiben beizubringen, aber bevor er damit weit kommen konnte, war mir das Bein weggeschossen worden, so daß ich dann die nächste Gelegenheit beim Pfarrer nutzte, um es richtig zu lernen.

Danach erklärte der Ritter mir, daß er aus zwei Gründen hier war. Einerseits aus persönlicher Neugier, da der Abt des Klosters, wo mein Freund über mich hatte berichten sollen, einen Bericht über mich geschrieben hatte. Das hätte geklungen, als wäre ich ein sehr interessanter Mensch, den anzuschauen sich lohnen würde. Andererseits hätte der Inquisitor aber auch einen bösen Brief über mich geschrieben und er würde deshalb eine offizielle Untersuchung machen. Ich sollte mir aber keine Sorgen machen. Bis jetzt hätte ich auf ihn einen sehr positiven Eindruck gemacht.

Nun, das hatte er auf mich auch. Daher machte ich mir tatsächlich keine Sorgen. Sollte ich irgendetwas tun, das mir Ärger mit der Kirche einbringen könnte, würde er mich wahrscheinlich eher warnen, daß ich damit etwas vorsichtiger sein soll, statt mich bei der Kirche zu verpetzen.

Kersti

Fortsetzung:
F702. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben

EGI. Kersti: Erinnerungen aus diesem Leben, aus früheren Leben und aus feinstofflichen Welten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
FI22. Kersti: Inhalt: Der an die Kette gelegte Heilige

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.
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