erste Version: 1/2016
letzte Bearbeitung: 3/2016

Chronik des Aufstiegs: Mittelalter und frühe Neuzeit - Der an die Kette gelegte Heilige

F702.

Wahrscheinlich gab es deshalb so viele Geschichten über die Engelsgeduld der Heiligen, weil diese wirklich eine Engelsgeduld brauchten, um von diesem ganzen Scheiß nicht wahnsinnig zu werden!

Vorgeschichte: F701. Kersti: D

Der Heilige erzählt:
Am nächsten Morgen kam der Ritter mit den drei Pässen mit seinem Pferd vorbei. Er erklärte, er würde einen Ausritt machen und das Pferd dann zu den Pferden der Stadtwache auf die Weide stellen, damit es nicht den ganzen Tag im Stall stehen mußte. Auch der Pfarrer hatte ihm angeboten, daß er sein Pferd zu dessen Pferd stellen dürfe. Als ich ihn fragte, wo es denn gestern war erklärte er, daß er sich selbstverständlich zuerst darum gekümmert hätte, daß sein Pferd versorgt sei. Das gefiel mir. Ich erzählte, wie der andere Inquisitor mit seinem Tier umgegangen war.

Als er nach einer Weile wieder auftauchte war der tägliche Heiligenzirkus wieder in vollem Gange. Der Ritter setzte sich an einen Tisch, bestellte sich etwas zu trinken, das offensichtlich teuer war und bedankte sich lächelnd bei der Bedienung, als sie es brachte. Überhaupt schien er zu jedem freundlich zu sein, mit dem er es zu tun hatte. Er gab verschiedenen Straßenjungen ein Stückchen von seinem Kuchen ab - nicht viel, nur gerade so zum probieren, aber natürlich wollten dann alle einen Bissen, so daß er sich zusätzlichen Kuchen bringen ließ. Dabei blieb er offensichtlich die ganze Zeit freundlich und gut gelaunt, obwohl die Kinder frech wie immer waren und er aufpassen mußte, damit sie nicht zu viel Blödsinn anstellten.

Er unterhielt sich auch mit anderen anwesenden Personen und schien viel mit ihnen zu lachen. Da er meinem Wächter zu verstehen gegeben hatte, daß er gerne unter vier Augen mit mir reden wollte, erzählte ich meine Geschichte für die Kinder diesmal etwas früher und zog mich dann mit ihm in mein Zimmer zurück.

Er fragte meinen Wächter, wie viele Brötchen er für die Kinder gekauft hätte.
"17" antwortete der kurz angebunden.
"Und wie viele sind noch übrig?"
"Genau drei für unser Abendessen." antwortete ich.
"Du hast aber 54 Brötchen an die Kinder verteilt." sagte der Ritter mit den drei Pässen.
"Siehst du!" meinte mein Junge triumphierend.
Ich funkelte ihn wütend an.
"Du wirkst ja fast, als würdest du dich für deine Wunder schämen!" meinte der Ritter.
"Schämen nein, aber wenn sie dich auf dem Marktplatz anketten würden ..." ich zählte diverse andere Dinge die mir zu dem Thema einfielen auf "... und dir dein Bein abhacken wollten, nur weil sie dich für einen Heiligen halten, der Wunder tut, dann würdest du auch etwas komisch reagieren wenn der Eindruck entsteht, daß mal wieder ein Wunder geschehen sein könnte. Ich frage mich, warum man nicht einfach mal in Ruhe was Gutes für die Menschheit tun kann, ohne daß sie völlig anfangen zu spinnen!"
Mir fiel auf, daß ich mich ziemlich in Rage geredet hatte und die Liste der Dinge, über die ich mich aufgeregt hatte, war wirklich erschreckend lang. Leider führt sich über die Ungerechtigkeiten der Welt aufregen erfahrungsgemäß nicht dazu, daß sich an den Ungerechtigkeiten der Welt etwas ändert. Daher gebe ich mir gewöhnlich Mühe, mich nicht in so etwas hineinzusteigern. Andererseits muß man sich da wirklich Mühe geben ... Wahrscheinlich gab es deshalb so viele Geschichten über die Engelsgeduld der Heiligen, weil diese wirklich eine Engelsgeduld brauchten, um von diesem ganzen Scheiß nicht wahnsinnig zu werden!

Der Ritter wollte genauer wissen, wie denn diese Heiligengeschichte abgelaufen war und ließ sich das alles in den folgenden Tagen sehr genau erzählen. Er interessierte sich auch für meine Kindheit und meinte, es wäre erstaunlich, daß ich nach diesen üblen Kindheitserfahrungen so ein friedlicher und liebevoller Mensch geworden sei. Ich hatte meine Kindheitserfahrungen als vergleichsweise gut eingeordnet, weil es den meisten Kinderbandenmitgliedern und Landsknechtskollegen, die ich kennengelernt hatte, noch schlechter ergangen war. Doch nachdem mir der Ritter erzählt hatte, wie er aufgewachsen war und mir erklärt hatte, was er für eine normale Kindheit hielt, war mir klar, wie er zu seinem Urteil einer schrecklichen Kindheit kam. Es ist halt immer eine Frage, womit man es vergleicht.

Aber wie auch immer - es wäre ja noch schöner, wenn ich mir von meinen Kindheitserfahrungen vorschreiben lassen würde, wie ich denke und handele!

Der Ritter mit den drei Pässen war offensichtlich vernünftiger als die meisten Menschen, denn er verbot den Leuten in der Stadt, mich anzuketten und redete mit den wichtigsten von ihnen über ihre anderen schlechten Angewohnheiten, was bei manchen von ihnen sogar zu einer Besserung führte. Er schien mich auch zu mögen, denn er schrieb mir in den folgenden Jahren regelmäßig Briefe, schien sich über meine Antworten zu freuen und besuchte mich manchmal, wenn er in die Nähe kam.

Kersti

Fortsetzung:
F703. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben

EGI. Kersti: Erinnerungen aus diesem Leben, aus früheren Leben und aus feinstofflichen Welten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
FI22. Kersti: Inhalt: Der an die Kette gelegte Heilige

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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