erste Version: 12/2018
letzte Bearbeitung: 12/2018

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1144.

Miriam zog ein entsetztes Gesicht, bei diesen Worten, holte tief Luft und ließ eine Schimpfkanonade über ungezogene Jungen, die ihre kindischen Ideen ohne jede Vernunft verbreiten wollen, los

Vorgeschichte: F1143. Tharon: Da Khar, egal ob ich abwesend, zu krank oder tot sein würde, immer wieder die magische Leitung zufallen würde, berief ich ihn in den Rat

Tharon erzählt:
Nach der Sitzung ging ich zu Miriam, der Vorgesetzten der 18-jährigen Anna und nahm Khar mit, damit er lernte, wie man solche Dinge regelt. Schon als wir den Raum betraten, fragte die ältere Dame:
"Und wie hat Anna sich geschlagen?"
"Sie hat mir erklärt, daß alles, was ich machen will, zu unkonventionell ist." meinte Khar in einem Ton, der ziemlich deutlich zeigte, wie wenig ihm das geschmeckt hatte.
Miriam wirkte sofort amusiert.
"Und - hast du verstanden warum man nicht zu schnell zu viele unkonventionelle Dinge einführen darf?" fragte sie.
"Wahrscheinlich nur, damit alte verknöcherte Strukturen auf ewig erhalten bleiben und damit jeder, der arbeitet, vor Langeweile stirbt." gab Khar zurück. Meine Güte, man merkt, daß er langsam in die Pubertät kommt!
Miriam zog ein entsetztes Gesicht, bei diesen Worten, holte tief Luft und ließ eine Schimpfkanonade über ungezogene Jungen, die ihre kindischen Ideen ohne jede Vernunft verbreiten wollen, los.
Khar hörte sich das an, grinste spitzbübisch und meinte:
"Nein, ich habe schon verstanden, daß das was damit zu tun hat, wie schnell normale Menschen lernen können. Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum einen alle um die Intelligenz beneiden, wenn das einzige, was man davon wirklich hat, ist, daß man ständig allem Dinge erklären muß, die man selber schon beim lernen sterbenslangweilig gefunden hat, weil sie eigentlich von vorneherein selbstverständlich gewesen wären, ohne daß sie jemand erklärt."
Miriam holte tief Luft, um zu der nächsten Tirade anzusetzen.
"Miriam!" unterbrach ich sie.
"Was ist?" fragte sie ärgerlich zurück.
"Du nimmst nicht zu Kenntnis, daß es eine massive Überforderung für einen Jugendlichen ist, wenn er sich 24 Stunden pro Tag an ein Niveau anpassen soll, was er sich nicht einmal wirklich vorstellen kann. Selbst ich bin davon als Erwachsener noch regelmäßig sehr frustriert." antwortete ich.

Jetzt ging sie nicht mehr auf Khar sondern auf mich mit einer erneuten Schimpftirade los, bei der ich mich wieder wie der kleine Junge fühlte, dessen Lehrerin sie einmal gewesen war. Ich rief mir nachdrücklich in Erinnerung, daß ich jetzt nicht mehr drei Jahre war, sondern fast fünfzig und daß ich deshalb weder in Tränen ausbrechen, noch einen Wutanfall bekommen mußte. Mir war auch erst als Erwachsener klar geworden, was genau sie falsch gemacht hatte. Als Kind hatte ich lediglich das Gefühl gehabt, daß sie etwas von mir verlangt, das doch eigentlich gar nicht geht. Ich hatte ständig geglaubt, nicht gut genug zu sein, nachdem meine Eltern ermordet worden waren und mich deshalb nicht mehr dagegen verteidigen konnten. Natürlich war damals auch alles drüber und drunter gegangen, Khiris versuchte Vaterstelle an mir zu vertreten, wofür er nicht besonders begabt war, besonders wenn es um soziale Probleme beispielsweise zwischen einem Kind und einer Lehrerin ging. Er meinte irgendwann ernsthaft, ich solle sie doch hauen, dann würde sie vielleicht merken, wie gemein sie ist. Ich probierte es natürlich nicht aus, dann hätte sie mich nur noch unmöglicher gefunden.

Ich hängte mich in dieser Zeit immer enger an Rios und aß häufig mit Rios Eltern zusammen, die sehr viel verständnisvoller mit mir umgingen als meine Lehrerin und immer sagten, daß sie verstehen würden, daß das schwierig ist, ich müßte es aber trotzdem lernen. Jahre später war ich auf eine Stelle in einem pädagogischen Buch gestoßen, in der die Entwicklungsschritte beim erlernen des Lehrens1. beschrieben waren. Darin war ganz klar zu lesen, daß ein Kind erst mit 14 die Reife entwickelt, die nötig ist, um auf den Entwicklungsstand Jüngerer bewußt Rücksicht zu nehmen. Jüngere Kinder scheitern unabhängig von ihrer Intelligenz immer, wenn man von ihnen erwartet, daß sie das tun. Sie sind also offensichtlich noch nicht in der Lage das zu lernen.

Jedenfalls würde ich nicht zulassen, daß sie mit Khar dasselbe macht, was sie mit mir gemacht hatte. Ich setzte ihr deshalb haarklein auseinander, warum das, was sie damals verlangt hatte, für ein Kind nicht zu schaffen war, warum ein Jugendlicher dafür viel Unterstützung braucht und warum es selbst für einen Erwachsenen sehr anstrengend ist. Während ich das tat und sie uneinsichtig blieb, redete ich mich zunehmend in Rage.
"Tharon hör auf!" mischte sich Khar ein.
Ich unterbrach mich.
"Du machst gerade denselben Fehler, den du ihr vorgeworfen hat. Miriam hat nicht verstanden, was du ihr zu erklären versuchst. Dann muß man nicht immer lauter werden, sondern anders erklären." sagte er.
Der Spruch hätte von Rios kommen können. Und Khar hatte recht. Ich hatte die Beherrschung verloren. Andererseits fragte ich mich, warum ich mich ständig beherrschen sollte und Miriam dieses Miststück es für völlig unnötig hält, auch nur ein Mindestmaß an Anstand zu wahren.

Kersti

Fortsetzung:
F1145. Khar: "Wissen sie, ich habe keine Ahnung, welches Mikroskop normale Leute benutzen, um die ganzen Gedankenschritte zu sehen, die sie in einem Problem zu erkennen meinen"