erste Version: 10/2018
letzte Bearbeitung: 10/2018

Chronik des Aufstiegs: Weimarer Republik und Drittes Reich - Die Pforten der Hölle - Aufstieg aus der Hölle

F1150.

Es gab noch andere Dinge als Milch und Brot, die man essen kann. Beispielsweise verschiedenen wilde Kräuter, Käfer, Raupen, Vogeleier und junge Vögel, aber es reichte nie

Vorgeschichte: F11. Kersti: D

Khiris erzählt:
Meine früheste Erinnerung ist, daß meine Mutter, die mich auf dem Arm hielt, mir eine Ohrfeige gab und sagte:
"Wenn du mich beißt, bekommst du keine Milch mehr."
Ich sah sie erschrocken an, denn ich hatte richtig großen Hunger. An dem Tag bekam ich die Brust wirklich nicht mehr. Tatsächlich hatte ich immer Hunger, denn das bißchen Brot, das meine Eltern mir gaben, reichte auch zusammen mit der Milch aus den Brüsten meiner Mutter nicht, um jemals richtig satt zu werden. Es gab noch andere Dinge als Milch und Brot, die man essen kann. Beispielsweise verschiedenen wilde Kräuter, Käfer, Raupen, Vogeleier und junge Vögel, aber es reichte nie. Ich war immer auf der Suche nach etwas zu essen.

Ich weiß nicht, wie alt ich damals war, aber ich weiß, daß ich vor dieser Ohrfeige gar nicht begriffen hatte, daß meine Mutter das nicht will. Sie schimpfte zwar immer mit mir, aber das tat sie eben immer. Sie schimpfte wenn ich krank war, weil ich krank war, wenn ich gesund war, weil ich zu laut lachte, wenn ich nichts aß, weil das nicht geht, wenn ich zu viel aß, weil die anderen dann zu wenig kriegen - eben immer. Ich dachte daß sie immer mit mir schimpft weil sie mich mag und daß die anderen Leute weniger mit mir schimpfen, weil sie mich weniger mögen. Ich bekam noch öfter Ohrfeigen, weil ich beim an der Brust trinken biß, aber ich bemühte mich vorsichtiger zu trinken, weil es dann an dem Tag keine Milch mehr gab. Trotzdem gab sie mir immer am nächsten Tag wieder die Brust.

Es gab nur eine Zeit am Tag, wenn meine Mutter nicht schimpfte und das war, wenn sie aus einem alten Märchenbuch Märchen vorlas. Von den drei Märchen, die da drin standen, gefiel mir das von Schneewittchen und den sieben Zwergen am Besten, denn Schneewittchen war lieb zu den sieben Zwergen. Ich stellte mir immer vor, daß meine Mutter Schneewittchen ist und ich einer von den sieben Zwergen und weil wir eben sieben Zwerge sind, hatte ich in dem Märchen auch Freunde.

Die anderen Kinder waren immer böse zu mir und sagten, daß Zwerge wie ich nicht mitspielen dürfen.

Auch die Erwachsenen waren immer böse zu mir und sagten, daß ich ein Monster bin, das besser nach der Geburt auf den Misthaufen geschmissen worden wäre. Aber meine Mutter warf mich nicht auf den Misthaufen, also war ich vielleicht doch nicht Abfall.

Kersti

Fortsetzung:
F1151. Khiris: Und wenn ein Ungezogen in den Keller kommt, wird es wieder ein Brav und darf wieder raus. Ein Brav ist ein Monster, das im Keller war