erste Version: 11/2018
letzte Bearbeitung: 11/2018

Chronik des Aufstiegs: Weimarer Republik und Drittes Reich - Die Pforten der Hölle - Aufstieg aus der Hölle

F1159.

"Ich habe, als du fünfzehn warst, ziemlich viel waffenlosen Kampf trainiert, weil ich nie in die Verlegenheit kommen wollte, daß ich vor Dir Angst habe." meine Karon

Vorgeschichte: F1158. Khiris: Die wenigen Blätter der Akte die sich auf die Zeit, bevor ich zu den Schwarzen Rittern kam, bezogen, waren da verwirrend

Kiris erzählt:
Bei den Schwarzen Rittern zogen Jugendliche oft schon ein Zimmer außerhalb der Wohnung der Eltern. Das lag natürlich daran, daß sie innerhalb der Ordensgebäude durchaus behütet genug waren, daß daraus kaum Probleme entstehen konnten.

Als die Ritter zu dem Schluß kamen, daß ich genug Sozialverhalten gelernt hatte, um unter Aufsicht in die normale Kinderbetreuung zu gehen, fragte mich Karon, ob ich zusammen mit ihm in eine eigene Wohnung ziehen wollte. Da ich in dem Alter nie nein sagte, wenn jemand, den ich als Erwachsenen einordnete, etwas mit mir zu tun haben wollte, sagte ich natürlich ja. Daher war Karon derjenige, der zu dem ich eine Beziehung aufbaute, wie zu einem Vater. Er hat mich auch offiziell adoptiert, was er durfte, weil er bereits zum Ritter geschlagen war und damit ordensintern als erwachsen galt.

Als er mit 15 ein Jahr in einem anderen Ordenshaus ging, um dort eine Fortbildung zu machen, begleitete ich ihn dorthin, weil ich als sein Sohn galt. Er setzte auf diese Fortbildung dann noch einen Doktortitel drauf, so daß wir letztlich fünf Jahre dort blieben. Danach kehrte er mit seiner deutlich jüngeren Freundin, die als fünfzehnjährige bei uns eine Fortbildung machen sollte und mir wieder zu unserem Haus zurück.

Da die Freundin nur etwa fünf Jahre älter war als ich, ähnelte meine Beziehung zu ihr eher der, die man gewöhnlich zu einer älteren Schwester hat, inklusive meiner Eifersucht, die anfangs so schlimm war, daß die beiden darauf achteten, Zärtlichkeiten möglichst nicht in meiner Gegenwart auszutauschen. Während ich älter wurde, ließ das nach, weil ich mich zunehmend selbstständiger fühlte.

Als die beiden heirateten, fragte Karon mich, ob ich Lust hätte, in ein eigenes Zimmer zu ziehen. Ich war zu dem Zeitpunkt fünfzehn und eindeutig viel rebellischer, als er es je gewesen war und mir kam ein Zimmer, wo er mir nicht in meine Angelegenheiten reinreden konnte, wie ich das sah, zu dem Zeitpunkt großartig vor.

Daß ein paar Monate später Karons Sohn Tharon zur Welt kam, brachte ich damit nicht in Verbindung. Schließlich mochte ich das Kind und wäre nie auf den Gedanken gekommen, mich als Gefahr für den Sohn des Mannes, den ich als Vater empfand, zu sehen. Tharon war doch mein geliebter kleiner Bruder! In meiner Akte stand aber, daß Karon gewollt hatte, daß ich in ein eigenes Zimmer ziehe, weil er sich Sorgen um sein Kind gemacht hatte.

Ich ging also zu Karon und fragte ihn, warum er so etwas Schlimmes über mich gedacht hatte. Ich hätte doch meinem kleinen Brüderchen nie etwas getan.
"Ich weiß, daß du Kindern nicht absichtlich etwas zuleide getan hast. Du hast es aber nicht gemerkt, wenn du mit ihnen so wild gespielt hast, daß sie Angst bekommen haben oder wenn du zu fest zugepackt hast. Ich habe auch gewußt, daß ich dir zu dem Zeitpunkt noch nicht hätte erklären können, was du genau falsch machst, eben weil du es selber noch nicht gemerkt hast. Da du selber als Kind so schlimm behandelt wurdest, hast du einfach zu viel von deinen Ängsten und Schmerzen verdrängt und konntest deshalb nicht nachvollziehen, wenn andere sie gefühlt haben." erklärte er mir.
Dann ging er mit mir in den Sportraum und machte mich auf einen bestimmten anderen Jungen aufmerksam, den solle ich mal beobachten. Ich konnte aber nicht tatenlos zusehen. sondern sagte dem Jugendlichen, daß der andere Junge, mit dem er gerauft hatte, Angst hat und daß er bitte vorsichtiger sein sollte.
"So warst du, als du fünfzehn warst." sagte Karon mir, als ich mich wieder neben ihn stellte.
"Echt?" fragte ich. Das konnte ich mir gar nicht vorstellen.
"Erinnerst du dich noch, wie oft wir dir damals gesagt haben, daß du vorsichtiger sein sollst und daß du nicht so wild spielen sollst?" fragte er.
Daran erinnerte ich mich noch. Ich hatte aber nicht verstanden, was sie wollten.
"War ich wirklich so schlimm?" fragte ich.
"Der Junge ist ziemlich genau auf deinem damaligen Stand. Du weißt doch, daß Gleichaltrige nie mit dir trainieren wollten."
Ja, daran konnte ich mich auch noch erinnern. Ich hatte damals nur nicht begriffen, was ich eigentlich falsch machte und warum sie alle so gemein zu mir waren.
"War ich wirklich so?" fragte ich noch einmal.
"Ja. Ich habe damals ziemlich viel waffenlosen Kampf trainiert, weil ich nie in die Verlegenheit kommen wollte, daß ich vor Dir Angst habe. Daß du jetzt überhaupt siehst, was das Problem ist, zeigt, wie viel du inzwischen dazugelernt hast." meinte er.
Daran, daß er so viel trainiert hatte, konnte ich mich auch noch erinnern. Ich hatte ihn bewundert, weil er so gut kämpfen konnte, aber nicht wirklich begriffen, warum er es tat. Ich hatte damals häufig mit ihm kämpfen trainiert und das geliebt. Plötzlich wurde mir klar, daß er das aus Liebe zu mir gemacht hatte. Ich drückte seine Hand und er drückte mich an sich.

Vor etwa einem Jahr waren mir die Kampfübungen mit meinem Ziehvater plötzlich unwichtiger geworden. Ich hatte da auch eine Freundin gefunden, die aus einem anderen Ordenshaus zu uns gekommen war und bei mir bleiben wollte. Wir dachten auch über Hochzeit nach, dazu war es aber noch zu früh. Genau in der Zeit, wo ich die Kampfübungen plötzlich als weniger wichtig empfunden hatte, hatte in der Akte gestanden, daß man an mehreren Beispielen erkannt hätte, daß meine Liebesfähigkeit einen neuen Stand erreicht hätte.

Ich fragte Karon, ob ich immer noch so Fehler mache.
"Wann habe ich dich das erste mal gebeten, ganz alleine auf Tharon aufzupassen?" fragte mich Karon.
"Vor etwa einem Jahr." sagte ich.
"Das hätte ich nicht getan, wenn ich Angst haben müßte, daß du es nicht merkst, wenn du ihm wehtust." meinte er.

Als ich noch jünger war, hatte ich all meine Fehler gar nicht sehen können, aber wenn ich es recht überlege, dann konnte ich an meinem jüngeren Ich keine positiven Eigenschaften erkennen, mit denen ich so etwas getan haben könnte, wie mir seine Liebe verdienen. Ich hätte überhaupt nicht gewußt, was ich hätte tun müssen, damit irgendjemand mich nett hätte finden können. Und dann war Karon angekommen, hatte sich das unmöglichste Kind aus einem Kinderheim angesehen - also mich - und er hatte mir einfach seine Liebe geschenkt. Einfach so. Und weil er das getan hatte, war ich jetzt jemand völlig anderes, den auch normale Menschen als liebenswert erkennen konnten. Wahrscheinlich war ich noch längst nicht perfekt und hatte noch diverse Macken, die ich noch nicht als solche erkennen konnte, aber ich hatte etwas zu geben.

Kersti

Fortsetzung:
F1160. Khiris: Als ich am Morgen erwachte und mich an diesen Traum von der Hölle erinnerte, erwachte ein tiefes Grauen in mir