erste Version: 1/2019
letzte Bearbeitung: 1/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1201.

Wissen sie, wenn man sich an so etwas erinnert, fühlt man sich wieder wie der Erwachsene, der das erlebt hat

Vorgeschichte: F1200. Khar: Riko zu erklären, wie man so etwas behandelt und wo es herkommt, war natürlich schwieriger, denn ihm fehlte dazu eine ganze Menge Grundlagenwissen sowohl über spirituelle Dinge als auch über Psychologie und erst recht wo beides zusammenkam

Riko erzählt:
Die Kinder - um mal wieder dieses unpassende Wort zu verwenden - waren wirklich komisch. Da ich durch die täglichen Gespräche beim Abendessen Ehon und Khar am besten kannte, befragte ich sie zu all den Dingen, die mir seltsam vorkamen. Ziemlich bald stellte ich fest, daß Khars Lieblingssatz zu meinen Fragen war:
"Das ist aber schwierig zu erklären!" und dann beantwortete er nicht einfach meine Frage sondern machte Ausflüge zu den seltsamsten Themen.

Beispielsweise fragte er mich einmal, ob ich wüßte daß mein Schutzengel zu Erzengel Michael gehört. Und während er weiterredete meinte er dann plötzlich er könne Michi - womit er den Erzengel meinte - ja einfach mal rufen und dann hatte ich plötzlich das Gefühl vor etwas Heiligen zu stehen und begann vor Rührung zu weinen. Als dann der Erzengel wieder gegangen war, war mir das sofort peinlich außerdem fragte ich mich, ob er Michael irgendwie gezwungen hätte zu kommen.
"Nein, nein. Ich habe ihn nur einfach gefragt, ob der kommt, weil dein Schutzengel meinte, es wäre gut für dich, wenn dir bewußter würde, wessen geistiger Führung du dich anvertraust. Dafür bräuchtest du aber jemandem mit dem du nachher darüber reden kannst. Deshalb wollte er ihn nicht selber rufen sondern, daß ich das mache, wenn ich da bin." erklärte er.
Danach führte ich ein längeres Gespräch mit ihm über alle möglichen spirituellen Erfahrungen, die ich in meinem Leben bisher so gemacht hatte. Ich fand es sehr seltsam wie alltäglich und banal die Analogien waren, die er benutzte, wenn er mir erklärte, wie er die Geistige Welt verstand.

Ein andernmal fragte er mich, was ich über Reinkarnation wußte. Das war natürlich eine Theorie, über die ich nur flüchtig gehört hatte. Daraufhin erzählte er mir, daß er als kleiner Junge in das Ordenshaus gekommen war und Khiris hatte ihn als Karon wiedererkannt. Karon hatte ich einmal auf einem internationalen Treffen des Ordens kennengelernt und danach gelegentlich Briefe mit ihm ausgetauscht. Ich hatte an diesem Briefwechsel immer Spaß gehabt, weil er ständig mit irgendwelchen wirklich abstrusen Theorien ankam, die er irgendwo aufgegabelt hatte und die er dann auch noch so begründen konnte, daß man sie fast für wahr halten konnte. Die meisten waren für mich nur Gedankenspiele geblieben, weil ich sie nicht wirklich hatte überprüfen können. Khar konnte mir mehrere dieser Briefe fast wörtlich wiedergeben und fragte mich, was ich mir denn gedacht hatte, als ich die Briefe bekommen hatte. Ich weiß nicht, ob Karon sich Durchschläge seiner Briefe gemacht hat, halte das aber schon für unwahrscheinlich, schließlich war das nur persönliche Korrespondenz, die nicht besonders wichtig war. Ganz sicher wären solche Briefe aber nicht auf der Flucht mitgenommen worden, weil sie dazu einfach zu unwichtig waren. Daher konnte Khar nichts über den Inhalt der Briefe erfahren haben, weil er zu jung war, um sie gesehen zu haben.

Neugierig, wie ich war, fragte ich ihn, ob er sich erinnern könnte, wie er damals gestorben war.
"Sie haben mich zu Tode gefoltert." begann er, wobei sein Gesichtsausdruck sofort viel düster wurde.
Das war so ungefähr das, was wir damals vermutet hatten, auch wenn keine Einzelheiten zu erfahren gewesen waren. Dann erzählte er mir, daß er sich damals gefragt hatte, ob die russische Armee den Orden absichtlich nicht darüber informiert hatte, wann die Franzosen in die Stadt kommen. Er hatte das dann Tharon bei seiner ersten Begegnung in diesem Leben gefragt der ihm diesen Verdacht bestätigt hatte.
"Wie alt warst du denn bei dieser Begegnung?" fragte ich.
"Vier Jahre." antwortete er.
Mir schlug die Vorstellung, daß ein vierjähriger Junge sich mit einem Erwachsenen über so furchtbare Dinge unterhält, auf den Magen. Er sah meinen Gesichtsausdruck und wirkte wieder amusiert. Dann erklärte er mir:
"Wissen sie, wenn man sich an so etwas erinnert, fühlt man sich wieder wie der Erwachsene, der das erlebt hat. Mir war damals recht schnell klar, daß sie mich umbringen würden, aber irgendwie hat das nichts daran geändert, daß ich mich in Gott geborgen gefühlt habe und deshalb bin ich damit ganz gut zurecht gekommen."
Ich fragte dann genauer nach und als ich hörte, wie sie ihn behandelt hatten fragte ich ihn, wie man sich in einer solchen Situation in Gott geborgen fühlen kann.
"Das hat damit zu tun, daß man weiß, daß sie das, was wirklich wesentlich ist, nicht berühren können. Ich bin ja schon öfter gestorben und auch mehrfach zu Tode gefoltert worden und ich bin immer noch ich selbst. Es hat auch damit zu tun, daß die Liebe nicht verschwindet, wenn Menschen sich grausam verhalten. So eine Liebe wie sie gefühlt haben, als ich Erzengel Michael gerufen habe, kann ich immer im Hintergrund von allem spüren und das hilft mir sehr, wenn das Leben gerade schwierig ist." erklärte er.

Ich hatte ihn dann gefragt, ob er meinte, daß der Glaube an Reinkarnation mit dem Christentum zu vereinbaren sei. Er meinte, ich wüßte doch, wie groß die typische Universitätsbibliothek sei und daß da trotzdem nicht alles Wissen zu finden sei, das irgendwozu wichtig sei. Das war natürlich eine Binsenweisheit. Er meinte dann, daß die Bibel zwar ein dickes Buch sei, aber das typsche Evangelium sei schon viel weniger dick. Daher hätte der Autor darin nicht alles niederschreiben können, was er - oder gar Jesus - wußte, sondern nur die Dinge, die er als zentral betrachtet. Wenn dort ein Thema nicht ausführlich behandelt sei, wie die Medizin oder die Biologie, dann sei sie eben keine zentrale religiöse Frage, sondern einfach eine Wissensfrage. Und zu der Frage ob es Reinkarnation gibt oder nicht hätte er jedenfalls keine ausführliche Abhandlung in der Bibel gefunden, daher sei es eine Wissensfrage, mit der man sich besser mit wissenschaftlichen Methoden befaßt als zu glauben, was man sich einbildet, Jesus hätte einem befohlen, das zu glauben - was Jesus natürlich nicht gemacht hat, denn für ihn gäbe es laut Bibel nur eine zentrale Frage nämlich die, ob man liebt oder nicht, das hätte er ganz deutlich gesagt. Und ja, damit hat Khar recht.

Schließlich erklärte er mir, daß er deshalb so viel wußte, weil er sich noch an die Bücher erinnern konnte, die er in früheren Leben gelesen hatte und sich auch an seine Erfahrungen und sein Wissen aus den Geistigen Welten erinnern könnte - und natürlich sei die Vorstellung von Himmel und Hölle einfach eine Vereinfachung der realen Verhältnisse, die viel komplexer wären. Nur müßte man das normalerweise gar nicht genauer wissen, weil die meisten Menschen ja auf die Welt gekommen waren, um einfach ein ganz normales Leben auf der Erde zu leben. Für eine solchen Lebensplan würde ein vereinfachtes Bild mit Himmel und Hölle völlig ausreichen.

Nach und nach wurde mir dann klar, warum all meine Fragen so schwierig zu beantworten waren - Khar war in einem Maße in geheimes Wissen eingeweiht - ich hatte gar nicht gewußt, daß es so etwas überhaupt auf der Welt gibt. Und während er darüber redete, versorgte er mich ganz beiläufig mit praktischen Erfahrungen dazu, so daß ich die Wahrheit seiner Aussagen nicht von der Hand weisen konnte. Es war einfach deshalb schwierig, mir das alles zu erklären, weil mir zu jeder Frage, die ich stellte, Verständnisgrundlagen für die Antwort fehlten, die er für zutreffend hielt. Daher gab er mir zunächst sozusagen die Antwort für die Kindergartenkinder, um mir dann nach und nach die Grundlagen für die nach seinem augenblicklichen Wissen richtige Antwort zu vermitteln, von dem er immer sagte, sie wäre noch längst nicht der Weisheit letzter Schluß. Ich kam nach und nach zu dem Schluß, daß er tatsächlich ein Heiliger ist. Trotzdem würde ich natürlich nicht anfangen ihn anzubeten, denn wie er selbst sagt, sind auch Heilige nur Menschen und ich käme mir echt albern vor, wenn ich vor einem Jugendlichen auf die Knie fallen und ihn anbeten wollte, statt von ihm zu lernen, was ich lernen kann.

Trotzdem habe ich ihn schon nach wenigen Tagen gefragt, ob wir uns nicht gegenseitig duzen könnten, denn ich hatte ihn die ganze Zeit geduzt, weil er noch so jung war während er mich aufgrund meines Alters gesiezt hatte. Wenn ich mir ansah mit was für einem Menschen ich es zu tun hatte, kam mir das einfach unangemesen vor.

Kersti

Fortsetzung:
F1202. Khar: Rios kam wieder auf die Beine, doch er hatte ständig schwere Kopfschmerzen, die einfach nicht weggehen wollten, egal was wir versuchten