erste Version: 5/2019
letzte Bearbeitung: 5/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1300.

"Wir müssen sowieso mit dem Käfigwagen dorthin. Dann kann ich auch mit." argumentierte ich

Vorgeschichte: F1306. Darko: Als ich den Mann reinkommen sah, den Ehon mitbrachte, erstarrte ich

Khar erzählt:
Die Jugendlichen die mich nach der Gefangenschaft betreut hatten, gingen ganz normal mit mir um, weil sie sich in der Zeit, als ich nicht bei Bewußtsein war, an meinen Anblick gewöhnt hatten. Sobald ich die ersten Kontakte mit Außenstehenden hatte - das waren zuerst die neuen potentiellen Schüler, die Ehon ausgewählt hatte - zeigte sich, daß ich ein Problem hatte. Wenn sie mich gesehen hatten, erstarrten die Leute vor Schock und waren erst einmal völlig hölzern und gar nicht ansprechbar. Ich kam dann ziemlich schnell zu dem Schluß daß gegen dieses Problem nur eines half: Die Leute die Fragen stellen lassen, die ihnen auf der Zunge liegen und die sie sich nicht auszusprechen wagen und sie beantworten. Danach kann man wieder mit ihnen reden. Es war wirklich nervig, daß jeder erst mal so reagierte und zunächst etwas Therapie brauchte, damit man wieder etwas mit ihm anfangen kann. Man sollte meinen, wenn ich gefoltert wurde, habe ich damit ein Problem und nicht die Leute mit denen ich rede! Aber nein, die anderen verfallen alle in Schockstarre und ich muß sie dann therapieren.

Kurz nachdem ich Dirk, zusammen mit Ehon nach Rußland geschickt hatte, kam Kanush in den Dämonenkäfig, in dem ich noch war und sagte mir, daß Ehon nicht von dieser Reise zurückgekehrt war. Ich fragte, wo Ehon dann sonst war und er meinte, daß er das doch gerade von mir wissen wollte. Ich ließ mir von ihm Karten bringen und forschte feinstofflich nach, aber ohne Ehon zu finden. Ich machte mir Sorgen, denn das hieß, daß er irgendwo war, wo ich ihn nicht ohne Weiteres finden konnte. Das war ein sehr schlechtes Zeichen.

Einige Tage später kam Kanush wieder herein und sagte mir, daß Ehon in einem völlig verwirrten Zustand im Pferdestall gefunden worden sei, wo er sich das Pferd ausgeliehen hatte, mit dem er zusammen mit Dirk die Grenze überquert hatte. Das Pferd war offensichtlich so klug gewesen, nach Hause zurückzukehren, als der Reiter ihm nichts Sinnvolles mehr mitteilte. Ob Dirk noch am Leben sei, sei unbekannt. Wir sollten ihn dort abholen, denn offensichtlich sei er ja besessen und für so etwas wären wir zuständig.
"Ich komme mit." sagte ich.
"Du spinnst doch. Du bist selber noch im Dämonenkäfig." gab Kanush zurück.
"Wir müssen sowieso mit dem Käfigwagen dorthin. Dann kann ich auch mit." argumentierte ich.
Kanush sah mich genervt an, überlegte, und meinte, dann müsse er wenigstens seine nicht vorhandenen Helfer nicht auch noch aufteilen, aber ich bliebe die gesamte Reise im Käfigwagen. Ich würde nicht zum Ordenshaus mitgehen.
"Na wenn das geklärt ist, können wir ja mit der Planung beginnen." meinte ich und grinste ihn an.
Kanush verdrehte die Augen.

Tatsächlich diskutierte ich schon seit einigen Wochen mit Kanush und Ehon darüber, daß es für mich an der Zeit sei, rauszugehen. Die beiden hatten mir bis jetzt regelmäßig widersprochen und ich hatte mir bisher einfach nur die Arbeit, die zu tun war, ins Zimmer bringen lassen, um mich nicht zu langweilen. Eigentlich denke ich, daß ich meine süßen neuen Dämonen weit genug erzogen habe, daß nichts wirklich Schlimmes schiefgehen würde, aber die beiden anderen waren sich da gar nicht so sicher. Ich glaube aber, daß sie sich nur durch die komischen Fragen der Kleinen ins Bockshorn haben jagen lassen, während ich die Fragen als positive Zeichen sehe - wenn sie jedesmal fragen, statt erst einmal was Dummes zu tun, dann passiert auch nichts mehr. Aber wie auch immer, ich würde sie nicht überstimmen, sondern mich gedulden, bis ich sie überzeugt hatte.

Die Jugendlichen haben wir in diesen Disput nicht eingeweiht, weil wir sie nicht ermutigen wollten, jedesmal mit uns zu diskutieren, wenn es ihnen in einem Dämonenkäfig langweilig wird. Natürlich fangen sie irgendwann damit an, auch wenn man sie nicht ermutigt, aber dann ist der Abstand zu dem Zeitpunkt, wo man ihnen sowieso erlauben würde rauszugehen, kürzer.

Ich fuhr also mit den anderen zum Ordenshaus und verbrachte den Weg dorthin im Dämonenkäfig. Auf der Fahrt machte es natürlich kaum einen Unterschied, wenn man mal davon absieht, daß ich ein eigenes Bett hatte, während die anderen nur Sitzplätze hatten. Wenn Betten wirklich gebraucht wurden, konnten wir uns bei der Bahn einen Schlafwagen mieten, daher mußten wir keinen eigenen besitzen. Der Käfig selbst brauchte aber Betten, da wir Besessene nicht ohne weiteres rauslassen oder in einem Hotel unterbringen konnten.

Es war also geplant, daß ich im Käfigwagen bleiben würde, während die anderen Ehon abholten. Das schon begann mir Sorgen zu machen - Kanushs Dämonenseele war einfach zu klein, um Dämonen auch in schwierigen Situationen unter Kontrolle zu haben und ich würde ihm in diesem Leben auch nicht genug Einweihungen geben können, um das zu ändern. Der Aufarbeitungsaufwand, den das erforderte, war für ihn einfach nicht zu bewältigen.

Während ich im Käfigwagen auf die anderen wartete, dachte noch einmal in Ruhe über die Situation nach. Es war doch echt symptomatisch, daß Kanush niemanden bei mir gelassen hatte, weil er nicht wußte, ob er die Dämonen, die Ehon möglicherweise mitgebracht hat, unter Kontrolle behalten konnte. Er hätte mich mitnehmen sollen, denn ich habe damit keine Probleme. Meine Dämonen machen keinen richtigen Mist mehr. Sie stellen lauter seltsame Fragen, weil sie die Welt zu wenig verstehen, aber 'erst fragen dann handeln' haben sie schon verinnerlicht. Wenn ich das Spiel weiter so mitspiele, gehe ich das Risiko ein, das irgendetwas wirklich ernstes passiert, weil ich mich nicht frei bewegen kann, wenn meine Hilfe gebraucht wird.

Kersti

Fortsetzung:
F1301. Kalar: Warum Ehon nicht tot war, verstand ich nicht. Hatten seine Feinde nicht gewußt, wie man zielt?