erste Version: 6/2019
letzte Bearbeitung: 6/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1319.

Ich hatte schließlich einen unerschöpflichen Vorrat an wahren Geschichten, mit denen man normale Leute so schockieren kann, daß man ihnen damit den Mund stopft

Vorgeschichte: F1317. Der Leiter des Prager Ordenshauses: Khar fand das völlig natürlich, wer in der Nacht Schlafenden die Kehle durchschneiden will, müsse schließlich damit rechnen, daß diese ein Messer unter dem Kopfkissen hätten und den Spieß umdrehen würden

Khar erzählt:
Daß ich ziemlich genau zwei Tage im Polizeirevier verbracht habe, lag daran, daß ich den ersten Tag fast vollständig verschlafen hatte, wenn man mal von der ärztlichen Behandlung und den Malzeiten absah. Der zweite Tag war nötig, um alles zu besprechen, was besprochen werden mußte.

Abends waren sie noch empört und fragten mich, was ich mir denn dabei gedacht hätte. Sie müßten das doch untersuchen und wüßten nicht, wie das gehen sollte, wenn die Zeugen einfach weg wären.
"Wir haben uns dabei gedacht, daß wir am Leben zu bleiben gedenken. Wer uns mitten in der Nacht mit einer zehnfachen Übermacht angreift, wird es auch noch einmal versuchen, wenn er herausfindet, daß wird das überlebt haben. Und wir wissen nicht, ob wir das dann überleben." antwortete ich.
Tatsächlich würden sie natürlich nichts Besonderes herausfinden, weil die Polizei nie tief genug gräbt, um bis zum Grund des Problems vorzudringen. Darüber hinaus waren alle unsre Leute darin ausgebildet, wie man Geheimwissen so geheim hält, daß die Polizei nie darauf kommt, daß da etwas sein könnte, ehe sie bereit ist uns zu unterstützen, statt gegen uns zu arbeiten. Warum die Regierung dazu immer Drohungen und Befehle nötig hat, hat mich schon immer verblüfft. Besonders, weil sie dann nicht auf den Gedanken kommen, daß man von uns möglicherweise etwas lernen könnte, das viel wirkungsvoller ist als Drohungen und Befehle. Etwas das funktioniert, egal in welcher Position man sich befindet.

Als sie dann weiter bohrten, was ich denn glauben würde, wer uns da angegriffen hat, sagte ich, daß ich niemanden von den Angreifern gekannt hätte und erzählte dann Teile der Vorgeschichte, um zu erkären, warum wir ursprünglich geplant hatten außer Landes zu fliehen und warum ich glaubte, daß hinter der Serie an Verbrechen dieselben Täter standen. Außerdem machte ich ihn darauf aufmerksam, daß wir unsere Angelegenheiten völlig korrekt geregelt hatten und beispielweise ein Durchreisevisum für Rußland beantragt hatten. Ich sagte ihm auch, bei welcher russischen Behörde sie sich danach erkundigen konnten.

"Ja, aber sie hätten uns doch wenigstens etwas sagen können." meinte er.
"Nein, hätte ich nicht. Dann hätten sie uns nämlich verboten auszureisen." gab ich zurück.
Als er mir da widersprach, gab ich ihm eine Einführung in Diplomatie, indem ich ihm erklärte, daß wir das getan hätten, weil wir das schlichte Überleben über alles andere gestellt hatten. Es sei schließlich vorhersehbar gewesen, daß sie mir sonst verboten hätten, das Land zu verlassen, schon weil sie Probleme bekommen hätten, wenn sie es nicht getan hätten. So aber hatte ich ihnen keine Gelegenheit gegeben, das zu tun, dadurch wäre alles, was ich gemacht hätte, rechtlich völlig legal. Es sei natürlich klar, daß sie mich deshalb in Untersuchungshaft nehmen müßten, aber da jeder sich denkt, daß er das an meiner Stelle auch getan hätte, würde kein anständiger Mensch uns aus der Geschichte ernsthaft einen Vorwurf machen und es sei deshalb alles diplomatisch lösbar.

Das Frühstück am ersten Morgen und daß sie wegen meinem verletzten Bein den Arzt gerufen haben, entsprach wohl noch ihrem normalen korrekten Verhalten gegenüber Gefangenen. Als der Arzt, dann den Verband abwickelte und sah, daß es sich um eine schwere, alte, noch nicht vollständig verheilte Verletzung handelte, die wieder aufgerissen war, weil ich sie überlastet hatte, fragte er mich, ob der Arzt mir denn das aufstehen erlaubt hätte.
"Ich habe ihn nicht gefragt. Das war eine Situation, wo man das Überleben über alles stellt, weil man sich sonst überhaupt keine Sorgen mehr um überbeanspruchte Verletzungen machen muß, da man tot ist." antwortete ich.
Als er weiter fragte, erzählte ich von meiner nächtlichen Flucht mit Geron. Ich hatte schließlich einen unerschöpflichen Vorrat an wahren Geschichten, mit denen man normale Leute so schockieren kann, daß man ihnen damit den Mund stopft. So ganz funktionierte das bei diesem Arzt aber nicht, denn er sah noch ein paar weitere Narben, die ich ihm auch noch erklärte. Die fantastischeren Teile der Geschichten wie Ausflüge in die Höllen ließ ich allerdings weg, weil ich ziemlich sicher nicht die Zeit haben würde, ihnen das auch noch zu erklären. Ich achtete auch darauf, keine bekannten Namen fallen zu lassen, weil ich nicht den Sumpf in dieser gruseligen Parallelwelt bestimmter Gruppierungen unter den Reichen erklären müssen wollte. Das hätte nämlich Jahre in Anspruch genommen, daher konnte ich damit gar nicht anfangen, wenn ich mich nicht in Probleme bringen wollte.

Den Rest des Tages ließen sie mich in Ruhe schlafen, weil ich auf ihre Frage danach geantwortet hatte, daß ich selbstverständlich in der vorhergehenden Nacht fast gar nicht zum Schlafen gekommen war und deshalb so müde sei.

Als ich dann wieder erwachte, fragten sie mich, ob sie mir aus der nahegelegenen Wirtschaft etwas zu essen bringen sollten. Ich sagte ihnen, wo ich mein Kleingeld hatte und freute mich, daß es nicht nur Wasser und Brot gab. Am nächsten Tag haben sie mir sehr viele Fragen gestellt. Bei einigem verwies ich sie auf das Archiv unseres Prager Ordenshauses, weil sie dort Abschriften unserer Unterlagen hatten. Wir brauchten tatsächlich fast den gesamten Tag, um alles zu klären. Zum Schluß erklärte ich ihnen, daß sie sich ans Prager Ordenshaus wenden sollten, wenn sie noch weitere Fragen hätten. Ich würde mich dann bei dem Beamten, den sie mir nannten, melden.

Ich frage mich allerdings warum der eine Typ mit dem steifen Handgelenk gegen Ende so komisch wurde. Nicht unfreundlich, nur komisch.

Kersti

Fortsetzung:
F1318. Der Leiter des Prager Ordenshauses: Während der Aufenthalt in einer Zelle Khar nicht im Geringsten beeindruckt hatte, waren die Polizisten offensichtlich nachhaltig erschüttert