erste Version: 9/2019
letzte Bearbeitung: 9/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Das Leben des perfekten Kriegers

F1443.

Er erklärte, er hätte die Anweisung, jedes Teil kontrollieren zu lassen, daher könne er sich nicht in die Hölle scheren, ehe er dies getan hätte

Vorgeschichte: F1442. Geson XZB12-56-78: Die Zuchtmenschen unter den Zugführern hatten uns den Schlachtplan besorgt und diskutierten ihn auf der ganzen Fahrt mit uns durch

Geson XZB12-56-78 erzählt:
Auf dem Rückflug sollte ich Fortbildungen machen. Ich sollte die Namen und Dienstnummern der Freigeborenen beim Militär auswendig lernen, die irgendwann einmal gezeigt hatten, daß sie bereit waren, uns wie Menschen zu behandeln. Außerdem sollte ich das machen, was bei den Freigeborenen als Medizinstudium durchging. Unsere Ärzte lernten viel mehr, aber ich konnte natürlich in den vier Wochen des Heimfluges nicht unser Medizinstudium bewältigen, dazu war die Zeit nun wirklich zu kurz, obwohl ich schon erste Hilfe gelernt hatte.

Zu sagen, daß ich bei der Heimkehr schon wieder gesund war, wäre geschmeichelt gewesen. Aber ich war immerhin gesund genug, um aufzustehen und meine Mutter zu besuchen. Sie war schon sehr alt gewesen, als ich zur Welt gekommen war und man hatte ihr inzwischen die Gebärmutter entfernt, die zu ausgeleiert gewesen war, als daß man darin noch hätte Kinder austragen können, aber sie half immer noch einer der anderen Mütter bei der Versorgung der Kinder.

In der Zuchtstation herrschte Feierstimmung, denn wenn wir in den Krieg ziehen, rechnet man nie damit, daß wir lebend zurückkehren. Deshalb ist es immer eine schöne Überraschung wenn ein Sohn lebend zurückkommt und diesmal gab es viele solche Überraschungen, viel mehr als jemals zuvor.

Meine Mutter erzählte mir auch, daß es schon bei der vorhergehenden Fahrt mehr Überlebende gegeben hatte als es davor je gegeben hatte. Das hatte ich nur deshalb nicht erfahren gehabt, weil ich darauf hatte warten müssen, daß ich verladen werde. Da hatte die durchschnittliche Überlebensrate bei 15% gelegen. Ich dachte mir, daß mein Zugführer offensichtlich schon einen beträchtlichen Erfolg errungen hatte, als er noch alleine auf der Brücke unter den Freigeborenen gewesen war.

Dann erhielt ich die Nachricht, daß ich zurück auf das Schiff mußte, um mich um die neuen Leute zu kümmern, die an Bord gekommen waren. Ich kam dabei durch einen ziemlich verstopften Gang, in dem diverse Leute noch ihre Ausrüstung kontrollierten, ob auch jedes Teil heile war. Ich hörte den Leiter des Arsenals herumbrüllen, warf einen kurzen neugierigen Blick durch die Tür und hörte, wie einer von uns ihm ausnehmend höflich erklärte, daß er von seinem Kapitän leider die Anweisung bekommen hätte, bevor er das Arsenal verläßt, jedes Teil der Ausrüstung sorgfältigst kontrollieren zu lassen und daher könne er sich nicht in die Hölle scheren, ehe er diesen Befehl befolgt hätte. Ob er ihm denn erklären könne, wo man die Hölle eigentlich fände? Er hätte da bisher noch keine Wegbeschreibung im Internet finden können und wüßte daher nicht, wie er diesen Befehl umzusetzen hätte.

Der Freigeborene wurde Puterrot und bekam nur noch zusammenhanglose Sätze heraus.

Tatsächlich war mir gar nicht klar, was die Hölle eigentlich sein soll. Ich habe das Wort auf meiner ersten Reise das erste mal gehört, das aber gleich mehrfach von verschiedenen freigeborenen Offizieren. Ich habe gehört, da wäre es heiß und da käme man zur Strafe hin, doch war sie nicht unter der Liste der Gefängnisse zu finden, die man im Netz abrufen konnte. Außerdem wer würde uns schon ins Gefängnis schicken, schließlich würde uns da wenigstens keiner erschießen. Überhaupt wirkte alles, was über die Hölle gesagt wurde, seltsam irreal. Wenn ich die Freigeborenen, die dieses Wort benutzten, fragte, wo die Hölle eigentlich ist, haben sie immer nur gelacht, statt eine Antwort zu geben.

Da ich wieder auf dieses Rätsel gestoßen worden war, fragte ich meinen Zugführer Treron bei nächster Gelegenheit, was die Hölle denn nun wirklich ist. Er antwortete:
"Die Freigeborenen haben eine Ansammlung von offensichtlich frei erfundenen Lügengeschichten und nennen die Mythologie. Wenn jemand diese Mytologie nicht auswendig gelernt hat, halten sie ihn für dumm und ungebildet. Ehrlich gesagt sehe ich nicht ein, warum ich mich mit solchen Lügengeschichten befassen soll und benutze das, was mir davon bisher über den Weg gelaufen ist, nur, um sie bei jeder Gelegenheit damit aufzuziehen, indem ich antworte, als würde ich es wörtlich nehmen. Die Hölle ist ein mytologischer Ort, das heißt, es gibt sie gar nicht, aber die Freigeborenen sind trotzdem der Ansicht, jeder müßte eine lebhafte Vorstellung davon haben, was das sein soll."
Daß die Freigeborenen ziemlich seltsam sind, hatte ich ja schon gemerkt. Aber das war doch wirklich irre. Für im eigentlichen Sinne des Wortes wahnsinnig hatte ich sie bisher nicht gehalten. Jetzt kamen mir Zweifel.

Wie auch immer. Ich mußte mich jetzt um die zwanzig unserer neuen Leute kümmern, die mir zugeteilt worden waren und ihnen erklären, wie hier alles funktionierte. Außerdem sollte ich mit ihnen die Skizze eines Schlachtplanes diskutieren, die der Kapitän uns zur Diskussion vorgelegt hatte, damit sie Verbesserungsvorschläge erarbeiteten und am Ziel unserer Reise alle Varianten des Schlachtplanes auswendig im Kopf hatten.

Der Zugführer war dagegen losgegangen, weil er ein paar Leute auf der Zuchtstation besuchen wollte, die er kannte. Seine Mutter war schon gestorben, was ich beeindruckend fand, denn kaum jemand aus meiner Zuchtlinie wird so alt, daß seine Mutter vor ihm stirbt.

Obwohl meine Mutter schon sehr alt gewesen war, als sie mich zur Welt brachte und ich ihr letztes Kind war, mußte ich schon sehr viel Glück in den nächsten Schlachten haben, um sie zu überleben.

Kersti

Fortsetzung:
F1444. Geson XZB12-56-78: Da ich nicht an die Existenz von mythologischen Orten glaube, kam ich zu dem Schluß, daß das wohl eine Art Krankenhaus sein mußte
F1730. Treron XZB12-5-13: Ich merkte bei der Ankunft am Treffpunkt mit der Hauptarmee, daß die Freigeborenen eine Möglichkeit gefunden hatten, Dira und den Rest ihrer Besatzung zur Weißglut zu bringen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben