erste Version: 10/2019
letzte Bearbeitung: 10/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Das Leben des perfekten Kriegers

F1461.

Daß ich eine bunte Mischung an Freigeborenen unserer Verbündeten, eigenen Offizieren und Zuchtmenschen als Offiziere hatte, machte mir noch größere Sorgen, als ich zugegeben hatte

Vorgeschichte: F1452. Dira von Leuenhorst: "Es ist alles dermaßen ruhig und höflich zugegangen, da konnte man überhaupt nicht ernsthaft an Aufstand denken." meinte einer meiner Offiziere

Dira von Leuenhorst erzählt:
Daß ich eine bunte Mischung an Freigeborenen unserer Verbündeten, eigenen Offizieren und Zuchtmenschen als Offiziere hatte, machte mir tatsächlich noch größere Sorgen, als ich zugegeben hatte. Das war die unausgewogenste Mannschaft von der ich je gehört hatte. Die Freigeborenen der Verbündeten waren den Zuchtmenschen gegenüber zu arrogant und grundsätzlich viel zu schlecht ausgebildet. Außerdem waren viele von ihnen sehr empört, als ich von ihnen regelmäßige Simulatorübungen verlangte. Die Zuchtmenschen waren so intelligent, daß freigeborene Untergebene Probleme haben, ihre Anweisungen zu verstehen und zu befolgen, was meinen Leuten ein Stückchen besser gelang als den anderen. Und daß ich die Leute aus meinem Volk als "meine Leute" bezeichne, während ich die anderen einfach nicht so sehen kann, zeigt, daß es selbst bei mir hakt, obwohl ich mir bewußt bin, daß es so jedenfalls nicht sein sollte. Es hakte an allen Ecken und Enden.

Außerdem redeten sie privat zu wenig miteinander. Die Zuchtmenschen waren zwar immer freundlich und höflich zu jeden, blieben aber meist unter sich. Als ich den jungen Offizieren Landurlaub gewährte, befahl ich ihnen daher, jeweils einen Zuchtmenschen mit nach Hause zu nehmen und ihm Gastfreundchaft zu gewähren. Dafür würden sie bezahlt wie ein Hotel, weil es ein dienstlicher Befehl sei.

Mit meinen eigenen Leuten funktionierte das auch wie geplant. Sie erzählten nachher, wie sehr sie erstaunt hätte, daß die Zuchtmenschen auf alles mögliche reagiert hatten, als hätten sie zum ersten mal in ihrem Leben so etwas gesehen. Sie meinten, das wäre wirklich rührend gewesen.

Die Zuchtmenschen bemühten sich offensichtlich nach Kräften, nirgendwo anzuecken und es allen recht zu machen. Wie Geson es mir damals beschrieben hatte, hatten sie alle das Problem, daß zu viel Neues in zu kurzer Zeit auf sie einstürmte und daß sie es so schnell gar nicht verarbeiten konnten. Sie schilderten ihren Ausflug auf den Planeten als eine seltsame Mischung aus Spaß und Überforderung wegen all dem Neuen. Ich sagte ihnen, daß das eben auch eine Fortbildung sei, in der sie lernen müßten, Freigeborene zu verstehen. Sie meinten, daß sie das auch so verstanden hätten.

Mit den Freigeborenen der Verbündeten hatte man dagegen nur Ärger. Zunächst einmal fanden sie es von vorneherein ungangemessen, daß ich von ihnen verlangte, mit einem solch niederen Wesen wie mit einem Zuchtmenschen umgehen zu müssen. Daß sie die dann auch noch wie Gleichberechtigte behandeln sollten, hielten sie für eine unfaßliche Zumutung. Und sie hielten sich auch nicht an diese Anweisung, sondern viele luden sie in Dienstbotenquartieren ab. Sie waren dann höchst empört, als ich ihnen den nächsten Landurlaub strich und stattdessen die Zuchtmenschen zwei mal Landurlaub machen ließ, die in den Dienstbotenquartieren abgesetzt worden waren.

Nur die, die mit von den Zuchtmenschen gerettet worden waren, führten sich etwas besser, was schon damit begann, daß die meisten von ihnen den Zuchtmenschen, die sie hatten mit nach Hause nehmen sollen, tatsächlich das ein oder andere gezeigt hatten. Sie hatten sie aber auch in den Dienstbotenquartieren untergebracht und wurden darin auch noch von den Zuchtmenschen bestärkt. Als ich sie dann nachher einzeln fragte, warum sie denn lieber in den Dienstbotenquartieren gewesen wären, erklärten sie, daß sie da eben mit anderen Zuchtmenschen zusammen gewesen wären, die ihnen vieles viel besser hätten erklären können. Mir wurde dann klar, daß sie diese Hilfe wahrscheinlich wirklich brauchten. Trotzdem wollte ich, daß sie Freigeborenenhaushalte so kennenlernen, wie Freigeborene sie erleben und nicht nur aus der Perspektive eines Dieners. Abgesehen davon: wie soll denn das Offizierskorps eines Sternenschiffes funktionieren, wenn man da eine Zweiklassengesellschaft aufmacht?

Tiot XZB12-399-10, einer der jüngeren Offiziere meinte, es wäre vielleicht ganz klug, wenn der erste Ausflug in die Freigeborenenwelt von Zuchtmenschen geführt würde und man die Hausbesuche bei Freigeborenen etwas später macht, damit es nicht ganz so ein großer Sprung ins kalte Wasser ist. Er würde vorschlagen, daß generell alle Zuchtmenschen vom Gruppenführer ab so etwas mitmachen sollten, damit man nicht ganz so ahnungslos ist, wenn man dann mitten in eine Familie geworfen wird. Ich sprach den Kronprinzen, der inzwischen sein eigenes kleines Schiff hatte, an und erzählte ihm von der Unterhaltung. Er meinte ich solle das aufschreiben, die Zuchtmenschen um eine vierseitige Stellungnahme bitten und er würde es dann mit seinem nächsten Brief an seinen Vater mitschicken, das klänge ihm wie ein guter Gedanke.

Ich dachte, ich müßte den Zuchtmenschen Zeit geben, damit sie die Stellungname verfassen können, doch sobald ich das auch nur erwähnte, legte mir mein erster Offizier von der Kriegerzuchtlinie eine fertige vierseitige Erklärung vor. Ich war irritiert.

Kersti

Fortsetzung:
F1453. Geson XZB12-56-78: Wie beim letzten Angriff schien zunächst alles glatt zu laufen und dann traf eine Entsatzstreitkraft ein, die diesmal von allen Seiten kam, so daß es uns nicht gelingen würde, aus dem System zu fliehen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben