erste Version: 10/2019
letzte Bearbeitung: 10/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Das Leben des perfekten Kriegers

F1462.

Was ich an meinem Kronprinz sein ernsthaft hasse, ist daß ich wirklich gar nichts darf, immer mit dem Argument, daß es für mich zu gefährlich wäre!

Vorgeschichte: F1733. Treron XZB12-5-13: Ich wollte mir selbst einen Überblick verschaffen, daher mußte ich so schnell wie möglich nachweisen, daß die Kommunikation mit den Drachen ungefährlich ist, ohne wichtige Abläufe zu gefährden

Der Kronprinz Talis vom hohen Licht erzählt:
Als ich erfuhr, daß Geson XZB12-56-78 mit den Drachen geredet hatte und es interessant gefunden hatte, wäre ich am liebsten sofort auch hingegangen und hätte mir die Drachen angesehen. Treron XZB12-5-13, der Zuchtmenschenoffizier, der uns aus dieser unmöglichen Situation herausgehauen hatte, verbot mir den Besuch am Boden. Er erklärte mir, daß er so etwas erst rechtfertigen könnte, wenn vorher genug andere Zuchtmenschen der Technikerzuchtlinie, der ich entstammte, mit den Drachen geredet hatten, daß er meinem Vater überzeugend klarmachen könnte, daß er mich in keiner Hinsicht in Gefahr gebracht hätte. Was ich an meinem Kronprinz sein ernsthaft hasse, ist daß ich wirklich gar nichts darf, immer mit dem Argument, daß es für mich zu gefährlich wäre!

Natürlich meinte mein leitender technischer Offizier, der ja derselben Zuchtlinie entstammte wie ich, er würde gerne sofort runtergehen, um sich die Drachen anzusehen. Im Grund war es völlig unsinnig, wenn ich ihn um das bißchen Freiheit beneidete, was er hatte, aber in dem Augenblick beneidete ich ihn, weil er einfach so runtergehen konnte, nur weil er sich die Drachen ansehen wollte. Klar, ich hätte es ihm jederzeit mit dem Argument verbieten können, daß er mein leitender Offizier ist, aber das wäre nun wirklich kleinlich gewesen, denn sein Stellvertreter stammte natürlich ebenfalls aus dieser Technikerzuchtlinie und war so gut in die Aufgaben eingeführt, daß er jederzeit seine Position einnehmen konnte. Im Grunde sollte ich froh sein, weil der König mich als Kleinkind aus der Zuchtstation geholt und und zusammen mit Disa, die ebenfalls der Technikerzuchtlinie entstammte, als seinen Sohn angenommen hatte. Aber ich fürchte, sie waren mit der Zucht erfolgreicher, als sie denken. Wer für fünf Pfennig Verstand hat, will nicht kastriert werden und erst recht nicht diese Drähte in den Körper eingepflanzt bekommen, die einen innerhalb von zwanzig Jahren vergiften. Trotzdem brachte ich es regelmäßig fertig, zu sehen was sie mit ihren technischen Implantaten machen können und sie darum zu beneiden. Ich fühlte mich wie ein Krüppel, weil ich keine technischen Implantate hatte, als müßte so etwas eigentlich in meinen Körper sein. Ich hatte jedenfalls dafür gesorgt, daß einige der Forschungen, um nach weniger giftigen Materialien für die technischen Implantate zu suchen, wie sie die Zuchtmenschen schon seit Jahrzehnten fordern, genehmigt wurden, in der Hoffnung, daß es irgendwann Implantate geben würde, die man freiwillig tragen wollen könnte. Außerdem haßte ich es, daß ich mich zu meiner Zuchtmenschenabstammung nicht bekennen durfte, weil das meine Stellung als Kronprinz gefährdet hätte.

Ich sah also zu, wie diverse Zuchtmenschen der Techniker- und Krieger-Zuchtlinien zu den Drachen geschickt wurden, um auszuprobieren, ob die Drachen sie manipulieren. Wie ich genau wußte, hatte jeder von ihnen gesagt, daß er genau das wollte, schließlich hatte Treron genug Auswahl an Freiwilligen, daß er niemanden schicken mußte, der nicht wollte und die Zuchtmenschen berücksichtigten die Wünsche anderer Zuchtmenschen, wann immer sie die Möglichkeit dazu hatten, schließlich war das selten genug. Dann endlich durfte ich an Gesons Einführung in den Umgang mit Drachen teilnehmen, in der er uns beibrachte, wie man mit Drachen reden muß, damit sie nichts Unerwünschtes tun und es wurde mir erlaubt, mit den Drachen persönlich zu reden. Natürlich wußte der Drachenkönig, daß es bei mir darauf ankam, nichts zu tun, was meinen Vater verärgern könnte und er war mit mir noch diplomatischer als mit den anderen Zuchtmenschen, die er empfangen hatte.

Wir redeten dann ziemlich viel über Politik und über Technik und ich durfte mir diverse seiner Erinnerungen zu technischen Dingen ansehen. Er zeigte mir außerdem diverse Bilder, wo er oder ein anderer Drache sich mit ähnlichen politischen Problemen auseinandergesetzt hatte, wie ich - oder eher mein Vater - sie gerade zu lösen hatte. Er zeigte mir einige interessante Lösungsvorschläge.

Dira von Leuenhorsts erster Offizier, der ein Zuchtmensch der Kriegerzuchtlinie war, wollte natürlich auch und da sie, wie jeder von uns wußte, daß jeder andere Zuchtmensch gut genug ausgebildet war, um das ganze Schiff alleine zu fliegen, ließ sie ihn gehen. Nachdem er zurückgekehrt war und sie hatte beurteilen sollen, ob sich irgendetwas an ihm in besorgniserregender Weise verändert hatte, war sie plötzlich auch der Meinung, sie müßte sich unbedingt die Drachen selber ansehen. Ich war amusiert, denn darin unterschied sie sich wieder einmal von jedem Freigeborenen, den ich kennengelernt hatte, bis Diras Leute zu uns gestoßen waren. Als Kind hatte ich gedacht, daß Freigeborene von Natur aus hochnäsig, arrogant, dumm, undiszipliniert, feige, in jeder Hinsicht unkooperativ und bösartig sind und geglaubt, daß man Menschen offensichtlich züchten muß, damit sie anständiger werden. Dann hatte ich die Delegation von Diras Stern kennengelernt und festgestellt, daß das nicht stimmte, denn dort war jeder einigermaßen kooperativ, mitfühlend, wertschätzend. Wenn man die Mitglieder dieser Delegation fragte, was sie glaubten, warum das so wäre, erklärten sie, daß Frauen prinzipiell die besseren Herrscher sind. Das glaube ich nicht. Zwar beschäftigen sie Männer nur in untergeordneten Postitionen, aber es gibt auch bei uns Männer, die sich anständig um ihre Untergebenen kümmern. Wenn man die Leute der eroberten Planeten des Drachenreiches fragte, wo Männer und Frauen brauchbare Aufstiegschancen haben und Frauen nur deshalb im Schnitt niedrigere Positionen haben als Männer, weil sie sich wenn irgend möglich ein paar Jahre Zeit nehmen, um Kinder zu bekommen und zu erziehen. Wo sie in Vorgesetztenpositionen sind, unterscheidet sich die Art, wie sie ihre Leute führen, zwischen Männern und Frauen dort nur geringfügig und sie sind allgemein wohlwollender gegenüber Untergebenen, als das bei uns üblich ist. Inzwischen denke ich, daß in unserer Kultur Zuchtmenschen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, macht die Freigebrorenen kaputt, währen die Zuchtmenschen sich wesentlich gesünder entwickeln.

Dira von Leuenhorst, die im Augenblick unser größtes Schiff befehligte, war tatsächlich erheblich unersetzlicher als jeder Zuchtmensch, weil Freigeborene wesentlich unterschiedlicher sind und es niemanden gegeben hätte, der nicht nur Kronprinzessin eines Verbündeten war, sondern auch noch Diras Persönlichkeit und Kompetenz hatte. Sie hatte jüngere Geschwister, die aber nicht näherungsweise ihr Format hatten. Selbst ich hatte einen kleinen Bruder aus meiner eigenen Zuchtlinie, der durchaus in der Lage wäre, all meine Aufgaben zu übernehmen, sobald er seine Offiziersausbildung abgeschlossen hätte. Außerdem brauchten wir Dira dringend, um die Zuchtmenschen erfolgreich in den Offizierskorps zu integrieren. Die wirklich guten Ideen, wie man so etwas bewerkstelligt, stammten nämlich durchweg von ihr und nicht von mir, obwohl ich mir auch den Kopf darüber zerbrochen hatte, was man tun kann, damit freigeborene Offiziere besser mit den gezüchteten Offizieren zusammenarbeiten. Man sollte meinen, daß meine weit überlegene Intelligenz mir dabei irgendwie helfen müßte, aber ich hatte tatsächlich schon ein Problem, mich selbst in den regulären Offizierstkorps zu integrieren und kam nur mit den Zuchtmenschen brauchbar zurecht. Ich glaube, meine freigeborenen Offizierskollegen bemerken meine Probleme nicht und ich glaube, es ist mir auch gelungen, daß sie gar nicht bemerken, wie unsympathisch mir die meisten von ihnen sind. Dira und ihre Leute mal ausgenommen.

Dira zeigte, daß sie den Zuchtmenschen in einem weiteren Punkt ähnlicher war als die meisten Freigeborenen, indem sie, sobald sie bemerkte, daß wir wir selbst blieben, auch den Drachen ansehen wollte. Treron XZB12-5-13 verbot ihr das und beauftragte ihren ersten Offizier damit, ihr das Verbot zu erklären. Sie kam dann zu mir und maulte darüber, daß ihr als Kronprinzessin immer alles, was Spaß macht, verboten wird. Allein die Tatsache, daß sie damit zu mir kam, bewies mir, daß sie längst begriffen hatte, daß das Verbot berechtigt war. Ihr mußte klar sein, daß ich sie zwar verstehe, weil es mir sehr oft genauso geht, daß ich aber den Grund für das Verbot einsehe und ihr deshalb sagen werde, daß man ihr das keinesfalls erlauben darf, ehe diverse Freigeborene bei den Drachen waren und bewiesen hatten, daß sie ebenfalls in der Lage waren, mit Drachen umzugehen, ohne daß der Drache sie manipuliert.
"Und warum haben sie es dir dann erlaubt?" fragte sie mich empört.
"Weil ich von meiner Abstammung her ein Zuchtmensch der Technikerzuchtlinie LZB bin. Sie konnten einfach ein paar Techniker hinschicken, um zu prüfen, ob ich das geistige Rüstzeug habe, um mit Drachen zu reden, ohne daß sie mich so einfach manipulieren können." antwortete ich.
Sie sah mich an und meinte zuerst nur "Ach" und begann zu grinsen. Ich fragte sie, was daran so lustig ist.
"Ich habe mir schon länger gedacht, daß du den Ingenieursoffizieren, mit denen du ständig zusammenhängst, doch erstaunlich ähnlich siehst! Außerdem redest du auch noch wie sie." antwortete sie.
"Ist das so offensichtlich?" fragte ich zurück, denn während die Mitglieder der großen Kriegerzuchtlinie sich ähnelten wie ein Ei dem anderen, sahen die Techniker so unterschiedlich aus, wie sich auch andere Menschen voneinander unterscheiden.
"Nein, nicht wirklich offensichtlich. Dazu muß man dich und einige Ingenieursoffiziere wirklich kennen, und da du den meisten Freigeborenen deiner Kultur gegenüber viel zu zugeknöpft bist, während sie den Ingenieursoffizieren gegenüber viel zu hochnäsig sind, um sie kennenzulernen, werden sie es wohl kaum bemerken."
"Mir gegenüber sind sie nicht hochnäsig sondern schleimig und das finde ich fast genauso schlimm." antwortete ich.
Tatsächlich war ich mir nicht sicher, ob ich dieses Geschleime nicht noch schlimmer finde.
Ich erklärte Dira, daß die meine Herkunft nur Zuchtmenschen gegenüber erwähnen durfte, sie sei ein Staatsgeheimnis.
"Und warum darf ich das dann den Zuchtmenschen gegenüber erwähnen?" fragte sie zurück.
"Weil ich festgestellt habe, daß von denen sowieso jeder Bescheid weiß und meint, er müsse sich um mich kümmern, damit ich mich unter den ganzen Freigeborenen nicht so einsam fühle." antwortete ich.
Tatsächlich fühlte ich mich unter den Freigeborenen einsam, weil sie vieles, über das ich nachdachte, nicht verstehen konnten. Ich dachte einfach wesentlich komplexer. Die Zuchtmenschen beschränkten sich mit ihrer Fürsorge aber nicht auf mich, sondern wenn ihnen unter den Freigeborenen jemand auffiel, der außergewöhnlich intelligent war, gingen sie ebenfalls auf ihn zu und zeigten ihm ihr System zum sozialen Austausch. Dira war wahrscheinlich gar nicht bewußt, daß sie inzwischen regelmäßig ein System zum Austausch von Informationen verwendete, das von Ingenieuren der Technikerzuchtlinie ohne formelle Erlaubnis der freigeborenen Vorgesetzten in die Schiffssoftware integriert worden war, von dem die meisten von Diras Schiffskameraden nichts wußten und mit dem sie nichts hätten anfangen können.

Es stellte sich heraus, daß es nicht möglich war, mehr als eine Freigeborene zu finden, die bereit war, sich die Drachen anzusehen und darüber einen Bericht abzugeben. Ich benutze die weibliche Form, weil es sich hierbei um eine Frau handelte, die zu Diras Leuten gehörte. Immerhin war, was sie berichtete, beruhigend. Offensichtlich mußte man nicht so intelligent sein wie wir, um sicherstellen zu können, daß die Drachen nicht über die Stränge schlagen.

Ich finde ja, daß Freigeborene wirklich einen besorgniserregenden Mangel an Neugier haben.

Kersti

Fortsetzung:
F1457. Der König: Dabei kann sich jeder ausrechnen, daß wir bei jeder Schlacht zu viele Soldaten verlieren und dadurch auf Dauer den Krieg verlieren werden

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben